16. April 2016

Wenn man nichts mehr richtig machen kann ist alles falsch

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Für mich persönlich steht fest, dass Frau Merkels Politik der vergangenen Monate ein großes Desaster ist. Ein anderer riesengroßer Fehler ist, sich in Abhängigkeit zu einer Regierung zu begeben, die wesentliche Defizite bei westlichen Werten hat, nur um in der eigenen Politik formal nicht umsteuern zu müssen. Ebenfalls sehe ich den Türkei Deal inhaltlich falsch, der das Problem der Lösung nicht näher bringt. Last but not Least sind die Avancen an die Türkei, welche in ihrer derzeitigen Verfassung auch nicht annähernd westliche Standards erfüllt, eventuell der EU beitreten zu dürfen, ein katastrophales Signal und das herum Lavieren der Bundesregierung bei der "Erdowahn Lied Affäre", war mehr als nur peinlich. Die Frage ist, sollte das bei der Beurteilung der Entscheidung der Bundeskanzlerin im Falle Böhmermann und der Anwendung des Paragraphen 103, eine Rolle spielen? Ich meine nein.


Nehmen wir kurz an, das Schmähgedicht Böhmermanns hätte einen anderen Politiker eines europäischen Landes, mit anderem Inhalt zum Ziel gehabt. Sagen wir, es handelte von einem befreundeten Staatsoberhaupt und beschäftigte sich hypothetisch mit seinen schlechten Qualitäten als Liebhaber, seiner mangelnden vertikalen Leibesausdehnung, welche er in Ansätzen hier und da horizontal zu kompensieren sucht und seinen betont intellektuellen Gesichtsaccessoires zur Kaschierung diverser Mängel auf der dadurch attribuierten Ebene. Nehmen wir weiter an, dieses Staatsoberhaupt hätte daraufhin Strafanzeige aufgrund der Paragraphen 103 und 185 erstattet. Was hätte sich da Frau Merkel gedacht? Vielleicht in etwa das:

"Das kann doch nicht wahr sein. Hat der Kerl nicht gesehen, was man mit mir in den griechischen Zeitungen gemacht hat? Der Mann ist wohl im falschen Geschäft. Nur, wenn ich ihm das sage, glaubt er das ohnehin nicht. Also was tun? Na ganz einfach, ich lasse die Justiz entscheiden ob da Anklage zu erheben ist oder nicht. Dann bin ich formal aus der Sache heraus und Kollege Staatsoberhaupt bekommt von höchstunabhängiger Stelle gesagt, was man von seiner Anzeige hält.
Dass es diesen Paragraphen 103 noch gibt, erscheint mir aber doch reichlich antiquiert. Ich sollte bei dieser Gelegenheit gleich anmerken, dass dieser Paragraph abgeschafft werden wird. So kann ich meinem kleinen Freund sogar doch noch zeigen, was ich von seiner Anzeige halte. So viel Genugtuung gönnen ich mir."

Ich persönlich hielte diese Gedanken, wie auch eine solche Entscheidung der Bundeskanzlerin, in meinem konstruierten Fall, für durchaus nachvollziehbar und sogar richtig. Sollte man das nun auch im Falle Böhmermann / Erdogan so sehen? Die Frage ist, warum nicht? Recht sollte immer für alle gleich angewandt werden. Meines Ermessens auch, wenn wie in diesem besonderen Falle, die Bundesregierung vorgeschaltet ist. Wenn die Anzeige lächerlich ist, wird Herr Erdogan dies von der deutschen Justiz erfahren. Wenn sie es nicht ist, bekommt Böhmermann ein Strafmaß nach geltendem Recht, was nun einmal so ist in einem Rechtsstatt, auch wenn das (selbst mir) nicht immer gefällt. Dass es den Paragraphen 103 noch gibt, kann man dabei wirklich nicht Merkel anlasten. Bis vor ein paar Tagen hat das niemanden interessiert.

Jetzt muß man mit dieser Situation bestmöglich umgehen und das hat die Bundeskanzlerin wohl getan. So ungern ich das sage, weil sie meines Ermessens so viel Kritik für ihre Politik verdient hat, dass es mir sogar schwer fällt sie nicht zu kritisieren, wenn sie in meinen Augen einmal etwas richtig macht.


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