Für mich persönlich steht
fest, dass Frau Merkels Politik der vergangenen Monate ein großes Desaster
ist. Ein anderer riesengroßer Fehler ist, sich in Abhängigkeit zu einer Regierung
zu begeben, die wesentliche Defizite bei westlichen Werten hat, nur um in der
eigenen Politik formal nicht umsteuern zu müssen. Ebenfalls sehe ich den Türkei
Deal inhaltlich falsch, der das Problem der Lösung nicht näher bringt. Last but
not Least sind die Avancen an die Türkei, welche in ihrer derzeitigen
Verfassung auch nicht annähernd westliche Standards erfüllt, eventuell der EU
beitreten zu dürfen, ein katastrophales Signal und das herum Lavieren der
Bundesregierung bei der "Erdowahn Lied Affäre", war mehr als nur peinlich.
Die Frage ist, sollte das bei der Beurteilung der Entscheidung der
Bundeskanzlerin im Falle Böhmermann und der Anwendung des Paragraphen 103, eine
Rolle spielen? Ich meine nein.
Nehmen wir kurz an, das Schmähgedicht
Böhmermanns hätte einen anderen Politiker eines europäischen Landes, mit
anderem Inhalt zum Ziel gehabt. Sagen wir, es handelte von einem befreundeten
Staatsoberhaupt und beschäftigte sich hypothetisch mit seinen schlechten
Qualitäten als Liebhaber, seiner mangelnden vertikalen Leibesausdehnung, welche
er in Ansätzen hier und da horizontal zu kompensieren sucht und seinen betont intellektuellen
Gesichtsaccessoires zur Kaschierung diverser Mängel auf der dadurch attribuierten
Ebene. Nehmen wir weiter an, dieses Staatsoberhaupt hätte daraufhin
Strafanzeige aufgrund der Paragraphen 103 und 185 erstattet. Was hätte sich da
Frau Merkel gedacht? Vielleicht in etwa das:
"Das kann doch nicht
wahr sein. Hat der Kerl nicht gesehen, was man mit mir in den griechischen Zeitungen
gemacht hat? Der Mann ist wohl im falschen Geschäft. Nur, wenn ich ihm das
sage, glaubt er das ohnehin nicht. Also was tun? Na ganz einfach, ich lasse die
Justiz entscheiden ob da Anklage zu erheben ist oder nicht. Dann bin ich formal
aus der Sache heraus und Kollege Staatsoberhaupt bekommt von höchstunabhängiger
Stelle gesagt, was man von seiner Anzeige hält.
Dass es diesen Paragraphen
103 noch gibt, erscheint mir aber doch reichlich antiquiert. Ich sollte bei
dieser Gelegenheit gleich anmerken, dass dieser Paragraph abgeschafft werden
wird. So kann ich meinem kleinen Freund sogar doch noch zeigen, was ich von
seiner Anzeige halte. So viel Genugtuung gönnen ich mir."
Ich persönlich hielte
diese Gedanken, wie auch eine solche Entscheidung der Bundeskanzlerin, in
meinem konstruierten Fall, für durchaus nachvollziehbar und sogar richtig. Sollte
man das nun auch im Falle Böhmermann / Erdogan so sehen? Die Frage ist, warum
nicht? Recht sollte immer für alle gleich angewandt werden. Meines Ermessens
auch, wenn wie in diesem besonderen Falle, die Bundesregierung vorgeschaltet
ist. Wenn die Anzeige lächerlich ist, wird Herr Erdogan dies von der deutschen Justiz
erfahren. Wenn sie es nicht ist, bekommt Böhmermann ein Strafmaß nach geltendem
Recht, was nun einmal so ist in einem Rechtsstatt, auch wenn das (selbst mir) nicht
immer gefällt. Dass es den Paragraphen 103 noch gibt, kann man dabei wirklich
nicht Merkel anlasten. Bis vor ein paar Tagen hat das niemanden interessiert.
Jetzt muß man mit dieser
Situation bestmöglich umgehen und das hat die Bundeskanzlerin wohl getan. So
ungern ich das sage, weil sie meines Ermessens so viel Kritik für ihre Politik
verdient hat, dass es mir sogar schwer fällt sie nicht zu kritisieren, wenn sie
in meinen Augen einmal etwas richtig macht.
© nachdenken_schmerzt_nicht. Für Kommentare bitte hier klicken.