15. April 2016

Bis hierhin war lustig


Die Vorführung der Bundesregierung in den vergangenen Tagen war in der Tat schon fast einen Grimme Preis wert und wenn Böhmermann nicht schon diesen gerade bekommen hätte, so müsste er dafür nominiert werden. Weniger wegen seinem doch recht schwachen Gereimten sondern wegen der Vorführung des deutschen Politikbetriebes. 
Das Gestammel von freier Rede und dem Aufrechterhalten der Meinungsfreiheit (obschon es eigentlich um eine geringfügig andere Nuance geht, die Kunstfreiheit) durch die Bundesregierung war schon vergleichsweise einmalig. Und bis heute Mittag war das eigentlich auch für sich gesehen lustig. Man führt die Bundesregierung mit ihrem angeblichen Eintreten für Grundrechte vor, man lässt sich verklagen und nach einem oder zwei Jahren Beleidigungsprozess bezahlt man eine Geldstrafe von vielleicht zehn- oder zwanzigtausend Euro (analog zu dem, was Stefan Raab des Öfteren auch schon zahlen durfte). Man hätte sogar Erdogan dankbar sein müssen, dass er seinen Part als Rumpelstilzchen so hervorragend gespielt hat. An der Stelle müsste man auch den Grimme-Preis relativieren, denn das konnte Böhmermann mit Sicherheit nicht eingeplant haben.


Seit heute Mittag ist aber Schluss mit lustig. Frau Merkel macht ernst. Und ernst bedeutet in dem Fall einer Klage zuzustimmen, die in ihrer Konstruktion in der heutigen Zeit schon lächerlich anmuten würde, wenn sie nicht mit einer sehr ernsten Strafandrohung versehen wäre. Dabei muss man eins klar bemerken: Frau Merkel versteckt sich hinter der Justiz, aber das sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass sie nie dazu aufgefordert war eine juristische Entscheidung zu treffen (eine solche treffen tatsächlich nur Richter). Sie war aufgefordert eine politische Entscheidung zu treffen. Und die kann sie wirklich recht willkürlich treffen. Das braucht keine Gutachten, keinen Ethikrat und auch keine juristische Abwägung, das ist am Ende alles nur Nebel. Es braucht eine politische Entscheidung. Und diese Entscheidung trifft eine Priorität zwischen der Kunstfreiheit und dem Ehranspruch eines Despoten, der derzeit nicht weniger als 1800 Journalisten vor Gericht zieht, weil die alle sehr Ehre beleidigt haben sollen (was mehr über seine Ehre aussagt als Böhmermanns Werk es könnte). 


Seit heute Mittag wissen wir, wie diese Entscheidung bei Frau Merkel ausgegangen ist. Und man möchte mit offenem Mund dastehen und sich die Augen reiben, während man sich fragt, ob das wirklich gerade passiert ist (um nicht deutlich andere Formulierungen zu bemühen). Da wird tatsächlich in einem westlichen Land es 21. Jahrhunderts, einem verfassten Rechtsstaat, die Idee der Majestätsbeleidigung zur Anwendung gebracht. Man fasst es nicht. Und noch grotesker wird es, wenn dieselbe Regierung verkündet, dass man die Norm in Zukunft aufheben will (weil man sie für überkommen hält), aber eben dem Herrn Böhmermann noch einen mitgeben will. Weil er einen Despoten beleidigt hat, der leider gerade für diese Regierung sehr wichtig ist.   


Vielleicht hat es sich schon die letzten Tage angekündigt. Das ganze Liberallala von wegen Meinungsfreiheit war schon eine Weile hörbar. Ja, Meinungsfreiheit, natürlich. Und Kunstfreiheit auch. Aber, aber, natürlich darf man deswegen niemanden beleidigen. Oder provozieren. Man denke nur an Charlie Hebdo und was dann daraus wurde. Oder an die berüchtigten Karikaturen. Oder auch nur an Rudi Carrell, der es wagte den Ayatollah in einen Kontext mit Damenunterwäsche zu setzen (die Älteren werden sich noch erinnern, was das einen Ärger gab). Also beleidigen geht gar nicht. Und Provokation auch nicht.  Es sei denn es geht um Donald Trump (oder irgendeinen anderen Amerikaner). Da muss man dann auch Humor verstehen. Jedenfalls ist nichts davon bekannt, dass Jaques Tilly sich irgendwo verstecken müsste.

Insofern muss Herr Böhmermann ja noch dankbar sein, schließlich hat man ihm die Tür noch nicht mit der Axt eingeschlagen. Oder eine Fatwa gegen ihn erwirkt. Er befindet sich halt unter Polizeischutz an einem unbekannten Ort. Was provoziert und beleidigt er auch?

Mir geht’s da eher umgekehrt: Ich finde es eine Provokation, dass ein Komiker an Leib und Leben bedroht ist und in seiner Freiheit massiv eingeschränkt wird, weil er einen Satirebeitrag veröffentlicht hat. Ich finde es eine Beleidigung, dass wir eine Regierung haben, die sich permanent zur Meinungsfreiheit bekennt, aber keine Probleme damit hat, wenn jemand wegen Majestätsbeleidigung verfolgt wird. Ich finde es einen Skandal das ein Despot, an dessen Händen in nicht gerade geringer Menge Blut klebt, sich in Deutschland auf seinen Ehrschutz berufen kann und mit der Bundesregierung einen Fürsprecher hat.


Natürlich wird die Justiz in diesem Fall ein Urteil sprechen. Aber bei der Frage, die sich der Bundesregierung gestellt hat, ging es nie um Justiz. Es ging einzig um die Abwägung was wichtiger ist: Die Satisfaktion eines Despoten oder die Freiheit auch mal einen schlechten Scherz machen zu können. Die Antwort von Frau Merkel passt in eine Reihe mit ihrer Regierungsleistung: Scheusslich. Sie ist wenigstens konsequent.


Llarian

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