Die
Vorführung der Bundesregierung in den vergangenen Tagen war in der Tat schon
fast einen Grimme Preis wert und wenn Böhmermann nicht schon diesen gerade
bekommen hätte, so müsste er dafür nominiert werden. Weniger wegen seinem doch
recht schwachen Gereimten sondern wegen der Vorführung des deutschen
Politikbetriebes.
Seit heute
Mittag ist aber Schluss mit lustig. Frau Merkel macht ernst. Und ernst bedeutet
in dem Fall einer Klage zuzustimmen, die in ihrer Konstruktion in der heutigen
Zeit schon lächerlich anmuten würde, wenn sie nicht mit einer sehr ernsten
Strafandrohung versehen wäre. Dabei muss man eins klar bemerken: Frau Merkel
versteckt sich hinter der Justiz, aber das sollte nicht den Blick darauf
verstellen, dass sie nie dazu aufgefordert war eine juristische Entscheidung zu
treffen (eine solche treffen tatsächlich nur Richter). Sie war aufgefordert
eine politische Entscheidung zu treffen. Und die kann sie wirklich recht
willkürlich treffen. Das braucht keine Gutachten, keinen Ethikrat und auch
keine juristische Abwägung, das ist am Ende alles nur Nebel. Es braucht eine
politische Entscheidung. Und diese Entscheidung trifft eine Priorität zwischen
der Kunstfreiheit und dem Ehranspruch eines Despoten, der derzeit nicht weniger
als 1800 Journalisten vor Gericht zieht, weil die alle sehr Ehre beleidigt
haben sollen (was mehr über seine Ehre aussagt als Böhmermanns Werk es könnte).
Seit heute
Mittag wissen wir, wie diese Entscheidung bei Frau Merkel ausgegangen ist. Und
man möchte mit offenem Mund dastehen und sich die Augen reiben, während man
sich fragt, ob das wirklich gerade passiert ist (um nicht deutlich andere
Formulierungen zu bemühen). Da wird tatsächlich in einem westlichen Land es 21.
Jahrhunderts, einem verfassten Rechtsstaat, die Idee der Majestätsbeleidigung
zur Anwendung gebracht. Man fasst es nicht. Und noch grotesker wird es, wenn dieselbe
Regierung verkündet, dass man die Norm in Zukunft aufheben will (weil man sie
für überkommen hält), aber eben dem Herrn Böhmermann noch einen mitgeben will.
Weil er einen Despoten beleidigt hat, der leider gerade für diese Regierung
sehr wichtig ist.
Vielleicht
hat es sich schon die letzten Tage angekündigt. Das ganze Liberallala von wegen
Meinungsfreiheit war schon eine Weile hörbar. Ja, Meinungsfreiheit, natürlich.
Und Kunstfreiheit auch. Aber, aber, natürlich darf man deswegen niemanden
beleidigen. Oder provozieren. Man denke nur an Charlie Hebdo und was dann
daraus wurde. Oder an die berüchtigten Karikaturen. Oder auch nur an Rudi
Carrell, der es wagte den Ayatollah in einen Kontext mit Damenunterwäsche zu
setzen (die Älteren werden sich noch erinnern, was das einen Ärger gab). Also
beleidigen geht gar nicht. Und Provokation auch nicht. Es sei denn es geht um Donald Trump (oder irgendeinen anderen Amerikaner). Da muss man dann auch Humor verstehen. Jedenfalls ist nichts davon bekannt, dass Jaques Tilly sich irgendwo verstecken müsste.
Insofern
muss Herr Böhmermann ja noch dankbar sein, schließlich hat man ihm die Tür noch
nicht mit der Axt eingeschlagen. Oder eine Fatwa gegen ihn erwirkt. Er befindet
sich halt unter Polizeischutz an einem unbekannten Ort. Was provoziert und
beleidigt er auch?
Mir geht’s da
eher umgekehrt: Ich finde es eine Provokation, dass ein Komiker an Leib und
Leben bedroht ist und in seiner Freiheit massiv eingeschränkt wird, weil er
einen Satirebeitrag veröffentlicht hat. Ich finde es eine Beleidigung, dass wir
eine Regierung haben, die sich permanent zur Meinungsfreiheit bekennt, aber
keine Probleme damit hat, wenn jemand wegen Majestätsbeleidigung verfolgt wird.
Ich finde es einen Skandal das ein Despot, an dessen Händen in nicht gerade
geringer Menge Blut klebt, sich in Deutschland auf seinen Ehrschutz berufen
kann und mit der Bundesregierung einen Fürsprecher hat.
Natürlich
wird die Justiz in diesem Fall ein Urteil sprechen. Aber bei der Frage, die
sich der Bundesregierung gestellt hat, ging es nie um Justiz. Es ging einzig um
die Abwägung was wichtiger ist: Die Satisfaktion eines Despoten oder die
Freiheit auch mal einen schlechten Scherz machen zu können. Die Antwort von
Frau Merkel passt in eine Reihe mit ihrer Regierungsleistung: Scheusslich. Sie ist wenigstens konsequent.
Llarian
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