Wenn man jahrelang den Niedergang der deutschen
Presselandschaft erleben musste, vom Abstieg der SZ unter Prantl seit den
neunziger Jahren, dem Verlust jedweder Integrität beim Spiegel nach Augsteins
Tod, dem Niedergang der Zeit, und in jüngerer Entwicklung die sich immer weiter
verschlechternde Lage bei Welt und FAZ, dann kann man schon mal geneigt sein,
den Pegida-Vorwurf der Lügenpresse erst einmal hinzunehmen. Die deutsche
Presselandschaft war und ist schon seit mehreren Jahrzehnten stark einseitig ausgerichtet,
aber an die Stelle wo früher die Ausrichtung in Kommentaren und Meinungen zu
finden war, ist heute eine Einseitigkeit in der Darstellung von Fakten
getreten. Bestimmte Nachrichten werden nahezu vollständig ignoriert, während
andere Ereignisse bis ins teilweise absurde überbetont werden. Fakten werden
ausgelassen, Behauptungen als Fakten ausgewiesen, Berichte derart tendenziös
geschrieben, dass schon das Wort Propaganda ganz gut passen würde, alles im
Dienste einer Erziehung, statt im Dienste Informationen zu übermitteln. Das
gipfelt sogar in einem eigenen Kodex, der das Weglassen von Informationen
vorschreibt, wenn dadurch die (etwas nebulöse) Gefahr bestünde, dass Vorurteile
entstehen könnten.
Und dennoch ist der Begriff Lügenpresse falsch. Und das
gleich aus mehreren Gründen. Der erste Grund ist banal wie simpel: Der Begriff
ist vorbelastet. Und nicht nur ein bisschen. Die Nationalsozialisten haben ihn
nicht erfunden, aber doch fleißig für sich eingesetzt. Göbbels selber hat den
Begriff des Öfteren verwendet, um gegen alles zu wettern, was eben nicht die
Sicht der Nazis nachgeplappert hat. Der Begriff ist dann folgerichtig mit den
Nazis erst einmal untergegangen (und erlebte eine kurze Renaissance in der DDR),
entsprechend verbietet sich seine Verwendung.
Aber auch inhaltlich ist der Begriff Lügenpresse nicht
korrekt, oder zumindest so ungenau, dass er nicht taugt. Denn gelogen wird
vergleichsweise wenig. Wenn etwas mit bestimmten Vokabeln belegt wird, um
dadurch eine positive oder negative Assoziation zu wecken, ist das keine Lüge. Wenn
jemand eine Information weglässt, dann ist das keine Lüge, sondern eine
Auslassung. Es ist eine Täuschung, gewiss, aber die feine Linie wann eine Täuschung
zum Betrug wird ist selbst für Juristen oftmals nur sehr schwer zu definieren.
Wenn jemand beispielsweise eine Sache „wie gesehen“ kauft, dann ist der Verkäufer
nicht in jedem Fall verpflichtet den Kunden auf einen Mangel hinzuweisen. Er
darf nicht lügen (das wäre dann ein Betrug), aber er muss auch nicht sein
ganzes Wissen weitergeben. Freilich kann das natürlich dennoch eine Täuschung
sein, aber nicht jede Täuschung ist eine Straftat.
Bei der Presse ist es nicht viel anders. Es wird extrem
stark getäuscht, aber wenig direkt gelogen. Man erinnere sich an den berühmten
Witz: „Das neue Deutschland berichtet: Russe und Amerikaner liefen um die
Wette. Der Russe errang einen ehrenvollen zweiten Platz, der Amerikaner wurde
Vorletzter.“ Keine Lüge, aber natürlich eine -im Witz um der Effekte willen leicht
zu erkennende- Täuschung.
Der Fehler, den viele machen ist, zu glauben, dass die
Presse sich dem Informationsideal verpflichtet fühlen würde. Das ist aber
gerade nicht der Fall und das steht, außer in dem nutz- wie sinnlosen
Pressekodex, nirgendwo. Kein TAZ, Spargel oder SZ Redakteur ist dem Ideal
verpflichtet seine Leser möglichst umfassend zu informieren. Das ist auch nicht
der Anspruch dieser Blätter, sie suggerieren das nur genauso unterschwellig,
wie ein Gebrauchtwagenhändler suggerieren will, dass er natürlich seriös
arbeitet. Sind alle Gebrauchtwagenhändler Betrüger? Nein, natürlich nicht. Aber
man ist gut beraten das Wort eines Gebrauchtwagenhändlers nicht immer für bare
Münze zu nehmen.
Die Idee, dass die Presse hehre Ideale vertrete, ist eine
etwas absurde. Denn zum einen negiert sie, dass der Leser eine bestimmte Form von
Information nachfragt (die nicht die Wahrheit ist), die ihn möglichst in seinen
Meinungen bestätigt. Zum anderen spricht sie dem Journalisten eine bestimmte
Pflicht zur Wahrheit zu, die für diesen gar nicht vorgesehen ist.
Man könnte etwas garstig sagen: Es gibt eine Riesennachfrage
nach Propaganda. Und es gibt ein großes Angebot an Propaganda. Leute wollen
sich in ihren Meinungen bestätigt sehen, Leute wollen das die Welt so ist, wie
sie sie gerne haben möchten. Und andere wollen ihre Weltsicht verbreiten und
bieten eben genau diese Meinungen auch an.
Muss man dann alles hinnehmen was einem vorgesetzt wird? Hat
die Presse damit das Recht alles zu tun und zu schreiben, was sie so wollen?
In einem liberalen Rechtsstaat muss man wohl sagen, ja, das
muss so sein. Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut und leitet sich recht
direkt aus der freien Meinungsäußerung ab, die zu einem der wichtigsten
Grundrechte gehört, und, laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, eins
der vornehmsten überhaupt darstellt (eine sehr schöne Beschreibung). Das Recht
zur freien Meinung impliziert klar auch die Möglichkeit die eigene Meinung so
geschönt darzustellen wie man möchte. Wer der Presse einen „Wahrheitskodex“
oder „Neutralitätskodex“ vorschreiben möchte, kann das nur tun, wenn er
gleichzeitig das Recht zur freien Meinungsäußerung aufhebt.
Und trotzdem…..
….. trotzdem möchte auch dieser Autor sagen dürfen was er vom
größten Teil der Presse so hält: Nämlich sehr wenig. Weniger als von
Gebrauchtwagenhändlern. Denn die Wirkung der Presse, zumindest der deutschen Presse, ist teilweise verheerend.
Der Energieirrsinn geht auf die Presse zurück (Merkel tut genau das, was die
Presse ihr vorbetet). Die Tatsache, dass wir in Deutschland nahezu keine Diskussion zu
bestimmten Themen haben (Stichwort Einwanderung, Ausländerkriminalität, Asyl),
geht auf die Presse zurück. Die Tatsache, dass wir von immer mehr Dummheit und
Unwissen regiert werden, geht auf die Presse zurück. Misst man die Presse an
der (auch ein wenig absurden) Idee, sie sei der Wächter der Demokratie, so
versagt sie kläglich an dieser Aufgabe.
Dabei geht es gar nicht um die Presse an sich, sondern um
große Teile davon, deren Artikel natürlich auch Wirkung haben. Man ist
verantwortlich für das was man tut und damit auch für das, was man schreibt.
Diese Verantwortung ist, nebenbei bemerkt, etwas mit dem Journalisten fast gar
nicht umgehen können (Stichwort „Sebnitz“). Journalisten glauben, sie wären für
nichts verantwortlich, denn sie hätten ja nur geschrieben. Handeln tun andere.
Das stimmt. Aber davon ab, dass das ein lustiger Selbstwiderspruch zu der Idee
mit der Feder und dem Schwert ist, so ist natürlich der Anstifter zu etwas
nicht weniger verantwortlich als derjenige, der es ausführt. Um vielleicht ein
etwas anderes Beispiel aufzugreifen: Als Rudi Dutschke niedergeschossen wurde,
hatte das ja auch seine Ursachen, und eine dieser Ursachen waren die Schreiber
von Springer. Wenn morgen jemand Pflastersteine auf die Pegida wirft, dann hat
das auch seine Ursachen. Wenn der Aufruf von Helmut Heinen, der Pegida mit
Terroristen gleichsetzt, dafür sorgt, dass ein paar autonome Vollspinner einen
vermeintlichen Nazi zusammentreten, dann ist der Verantwortliche Helmut Heinen.
Auch wenn er das für sich ablehnt.
Das Verfassungsgericht hat mal treffend bemerkt: Schweinerei
ist nicht verboten. Und genau so ist es. Aber genauso wie sich die Printpresse das
Recht herausnimmt über andere zu urteilen, genauso gönnt sich dieser Autor das Recht vom
Pressemob und von Schmierfinken zu schreiben, die inzwischen die Mehrheit der
deutschen Printpresse ausmachen. Verantwortungslose Schmierfinken die der
Gesellschaft wie Einzelnen großen Schaden zufügen, ohne sich einen Schmutz
darum zu scheren, so lange das eigene Weltbild bestätigt wird. Lügenpresse ist ein falscher Begriff. Aber ehrenvoll wird der
Verein dadurch auch nicht.
Bevor man es falsch versteht: Man darf schmieren. Es ist nicht verboten. Es ist kein Verrat. Es ist kein Verbrechen. Jeder darf das. Aber ebenso darf man das Kind auch beim Namen nennen. Und Propaganda ist da oftmals ein deutlich passenderer Begriff als Journalismus.
Llarian
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