18. August 2013

Ein halber Satz

Die Grünen haben ein Problem. Eher durch Zufall ist ein Thema wieder aufgetaucht, daß zwar nichts direkt mit der nächsten Bundestagswahl zu tun hat, ihnen aber im Wahlkampf unliebsame Schlagzeilen beschert: Die Partei und einige ihrer Führungsfiguren haben sich vor etwa 30 Jahren für die Legalisierung von Pädophilie eingesetzt. Damals galt das in manchen Kreisen als fortschrittlich, inzwischen als skandalös. Gerade angesichts des von den Grünen sonst vertretenen Neo-Puritanismus, der schon mit dem legalen Sex Erwachsener Probleme hat.

Um den Skandal aus den Medien zu halten, engagieren sich die Grünen für über 200.000 € einen Helfer. Der mehr wegen seiner Medienpräsenz als seiner wissenschaftlichen Reputation bekannte Politikwissenschaftler Walter aus Göttingen soll das Thema "aufarbeiten" und damit entschärfen.
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Allgemein gilt das als schlichtes Verzögerungsmanöver. Die "Aufarbeitung" soll irgendwann nach der Wahl fertig sein, dann sind die Ergebnisse, egal wie blamabel sie vielleicht sein mögen, für das grüne Wahlergebnis nicht mehr relevant. Eine solche Verzögerung ist auch nicht illegitim - denn es ist ja kein wirklich aktuelles oder für die Wahl relevantes Thema.

Aber Walter begnügt sich nicht mit der Verzögerung. Er geht zum Angriff über und verbreitet über die Medien, auch andere Parteien hätten ein Pädophilie-Problem. Speziell bei der FDP nennt er eine aktuelle Wahlkandidatin und den damaligen FDP-Generalsekretär Verheugen.
Die Kandidatin hat sich zwar damals bei einer Pädophilen-Organisation engagiert - aber mit der FDP hatte das überhaupt nichts zu tun, in die ist sie erst viele Jahre später eingetreten. Eigentlich also eine völlige Luftnummer, die Walter da bringt.

Die Vorwürfe gegen Verheugen haben mehr Substanz. Dieser hätte sich bei einer Veranstaltung für die Revision der Strafrechtsparagraphen 174 und 176 ausgesprochen - genau dort wird der Schutz von Kindern vor Mißbrauch geregelt, und die Abschaffung dieser Paragraphen war zentrale Forderung der Pädophilen.

Als Verheugen von Walters Anwürfen erfährt, wehrt er sich vehement. Er bezeichnet die Vorwürfe als "Riesensauerei", als "Verleumdung" und bezeichnet Walters Vorgehen als "extrem unseriös".

Und Walter rudert etwas zurück. In einer ausführlichen Darstellung im Spiegel versucht er mit vielen Details irgendwie einen Zusammenhang zwischen den Pädophilen-Forderungen und Verheugens Stellungnahme bei einer Podiumsdiskussion damals herzustellen. Aber im entscheidenden Punkt muß er klein beigeben und behauptet nun, er hätte Verheugen nie als Anhänger von Pädophilie bezeichnet. Was er im Wortlaut auch nicht getan hat - aber Walters Unterstellung, Verheugen hätte die Forderungen der Pädophilen inhaltlich unterstützt läuft natürlich auf genau dasselbe hinaus.

Und dann bringt Walter die Fakten, auf die er seine Anklage gestützt hat: "Er (...) hat sich nach Lage der vorfindbaren Quellen für eine Revision auch der Paragrafen 174 und 176 ausgesprochen, wobei der Schutz der Kinder erhalten bleiben solle."

Was immer also Verheugen mit einer Revision der Paragraphen gemeint hat (Details dazu bringt Walter nicht, kennt sie wohl auch nicht), er hat auf jeden Fall explizit auf dem Schutz der Kinder bestanden. Also ganz zentral den Forderungen der Pädophilen NICHT entsprochen. Dieser halbe Satz "wobei der Schutz der Kinder erhalten bleiben solle." dreht die ganze von Walter suggerierte Kumpanei Verheugens mit den Pädophilen ins Gegenteil.
Und diesen halben Satz hat Walter in seinem ersten Artikel weggelassen, er konstruiert durch eine bewußt unvollständige Darstellung einen ehrenrührigen Vorwurf. Natürlich auch mit Wahlkampfwirkung gegen die heutige FDP.

Eine so miese Propagandalüge habe ich in vielen Jahren im deutschen Politikbetrieb nicht gesehen. Man kann da nur das zitieren, was Walter im Artikel auf die gegen ihn gerichtete Kritik sagt: "Es widert mich an."

R.A.

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