22. August 2013

Der real existierende Kommunismus: Zwei Schlaglichter und ein deutsches Finale


Es ist schon eine merkwürdige Erfahrung, die Lektüre des Buches Flucht aus Lager 14 des amerikanischen Journalisten Blaine Harden. Geschildert wird hierin der Bericht des nordkoreanischen Lagerflüchtlings Shin Dong-hyuk. Das Buch kommt in einem fast plaudernden, naiv anmutenden Tonfall daher; ist also eine journalistische Meisterleistung. Das Kunststück bestand nämlich darin, die Lebensgeschichte eines Menschen einzufangen, der nicht nur in einem nordkoreanischen politischen Straflager geboren und aufgewachsen ist, sondern auch darin, die Sicht auf die Welt und die Dinge eines Menschen zu erfassen, der Konzepte wie "Gewissen", "Schuld" oder "Rindfleisch" erst jenseits seines 20. Lebensjahres, nach der geglückten Flucht also, kennen gelernt hat. Fast nebensächlich wird beschrieben, wie Shin Dong-hyuk zur Strafe ein Finger abgeschnitten wurde, nachdem er versehentlich eine der Nähmaschinen hatte fallen lassen, mit denen die weiblichen Lagerinsassen Uniformen für die mehr als eine Million Mann starke Armee Nordkoreas anfertigen mußten. Das Grauen kommt bei der Lektüre des Buches durch die Hintertür. 
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Der Tod ist in Lager 14 allgegenwärtig, einzig übertroffen vom noch stärker vorhandenen Hunger. Als in der Tasche einer Mitschülerin (ja, es gibt dort Schulen; ihr Zweck ist die ideologische Indoktrination) Shins einige Maiskörner gefunden wurden (was im Lager als schwerer Diebstahl gilt), wurde ihr vom Lehrer so lange mit einem Stock auf den Kopf geschlagen, daß dieser noch währenddessen anschwoll und das Kind noch am selben Abend verstarb.

Es war die Hauptfigur, Shin, selbst, die die Fluchtpläne seiner Mutter und seines Bruders denunzierte, weil er sich davon Erleichterungen und Vorteile versprach. Als er bei der Exekution der beiden zugegen sein mußte, empfand er lediglich Wut und Verachtung für die beiden. Er hatte seine Mutter in erster Linie als Nahrungskonkurrentin gesehen. 

Das Buch macht in erschreckender Weise deutlich, wie dünn der Mantel von Zivilisation und Kultur doch ist, den wir alle tragen. Es braucht lediglich die Kontrolle über die Umweltbedingungen eines Menschen, über seine Sozialisation, und wohl jeder könnte zum KZ-Wärter "erzogen" werden. Auch die Milgram-Experimente sind mir wieder eingefallen. Dabei hatte man Shin ja nicht einmal "brechen" müssen; dergleichen war gar nicht nötig, da er eine andere Welt als die der Brutalität und Entmenschung des Lagers nie kennen gelernt hatte. Er hatte sich etwas anderes buchstäblich nicht denken können. Bis er eines Tages einen älteren, politisch erfahrenen Mithäftling kennen lernte, der ihm von der Welt jenseits des elektrischen Zaunes erzählte...

Das Lagersystem Nordkoreas ist übrigens via Google Earth ohne weiteres zu "besichtigen". Ich bin nicht sicher, ob die zukünftige Geschichtsschreibung uns Heutigen nicht schwere Vorhaltungen machen wird, dies als "Weltgemeinschaft" über Jahrzehnte geduldet zu haben; steht doch bis heute die Frage, warum die Alliierten nicht wenigstens die Gleise bombardiert haben, die Wagenladungen Todgeweihter zum Vernichtungslager Ausschwitz transportiert haben, unbeantwortet im Raum.

Szenenwechsel. Der "oberste Führer" Nordkoreas, Kim Jong-un, tobt. Sein impulsives Temperament, das er, eine Generation überspringend (wie das ja oft der Fall ist), vom Großvater geerbt hat, bricht sich wieder einmal Bahn. Sein Lieblingsprojekt, ein großes Ski-Resort am Masik-Pass in den nordkoreanischen Bergen, droht zu scheitern. Und dabei sollte es doch der große "Gegenschlag" zu der Ausrichtung der olympischen Winterspiele durch den Erzfeind Südkorea im Jahre 2018 werden. Und nun verweigern die Schweizer die Lieferung und Installation der dringend benötigten Gondelseilbahnen. Kim, der übrigens seit seiner Zeit in einem Schweizer Internat ein passables Deutsch sprechen soll, zieht sich wütend in eine seiner Luxuswohnanlagen zurück, die er übrigens neu hat errichten lassen, nachdem er die ebenfalls enorm luxuriösen Wohnanlagen seines Vaters hatte abreißen lassen. Sie waren ihm vermutlich zu bescheiden gewesen. 

Es war wohl immer so. Der Kommunismus vereint in sich ebenjene Attribute und Merkmale, die Kommunisten "den Kapitalisten" so gerne vorwerfen: Ausbeutung der Massen, Menschenverachtung, unglaubliche Bereicherung einer kleinen Clique, die in Luxus und Reichtum schwimmt, auf Kosten ganzer Bevölkerungen und ohne selbst irgendetwas hierfür zu leisten; die Diktatur des Proletariats eben.

Erneuter Szenenwechsel. Irgendwo in Nordrhein-Westfalen. Die Partei "Die Linke" hat einen Wahlkampfstand aufgebaut. Flankiert wird dieser von dem Nachbau einer Guillotine; das Machwerk ist hier zu besichtigen. Das nachgebaute Tötungsinstrument trägt die Aufschrift "Umfairteilungsmaschine"; das Fallbeil ist mit roter Farbe beschmiert; an seinem Fuß befindet sich ein Kunststoffkopf in dem dafür vorgesehenen Behältnis; ansonsten sind überall Bündel unechten Geldes platziert. 

Man mag dies als unglaubliche Entgleisung und Geschmacklosigkeit verharmlosen. Das aber liegt mir fern. Zum Ausdruck kommt hier vielmehr eine frappierende Offenheit, ja Ehrlichkeit, der in den westlichen Bundesländern sehr starken "Kommunistischen Plattform" der Linkspartei in ihrer ganzen aggressiv-kämpferischen Verfassungsfeindlichkeit. Es ist nicht nur der primitive Haß auf Menschen, die mehr haben als man selbst; vielmehr zeigt dieses Beispiel, wohin kommunistische Ideologien am Ende immer führen werden und wie "Umverteilung" sowie "soziale Gerechtigkeit" von jenen definiert wird: zu guter letzt als Tötungsmaschine, derer sich eine kleine Gruppe von wirklichen Prolos bedient, um andere zu knechten und um sich hemmungslos zu bereichern.

Andreas Döding


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