In der Mangelwirtschaft der DDR fehlte
es an so ziemlich allem. Auch an Wohnraum.
Wer in Großstädten wie Berlin (Ost)
eine Wohnung suchte, hatte bei Genossenschaften und staatlichen
Wohnungsverwaltungen, ohne jahrelange Wartezeiten, keine Chance auf
Zuteilung einer solchen.
Es gab zwar leerstehende Wohnungen, aber
die waren in einem derart unbewohnbaren Zustand, dass sie selbst
für eine Verwaltung im Sozialismus nicht vermietbar waren.
Eine
Renovierung scheiterte an dem chronischen Geld- und Materialmangel
der bürokratisch durchgeplanten Wohnungswirtschaft. Alle Mittel
flossen in den Bau der sozialistischen Trabantenstädte, auf deren
Errichtung die Einheits-Parteiführung der SED mächtig stolz war.
Die Existenz rudimentärer Reste
von Marktwirtschaft ließ sich aber auch in der DDR nicht vollständig unterdrücken. Es gab überall Märkte, auch bei Mietwohnungen. Der Mietzins spielte keine Rolle, sehr wohl aber die Lage und die Größe. „Besaß“
man erstmal eine Wohnung durch den Besitz eines Mietvertrages, stand
einem ein Handelsobjekt zur Verfügung, dessen Wert man durch
intelligenten Einsatz von Arbeitskraft und Material erheblich
steigern konnte, um beim evtl. Auszug sogar einen Gewinn durch eine hohe Abstandsforderung zu erzielen.
Der Zugang in diesen Markt erfolgte durch eine Meldung einer leerstehenden Wohnung an das zuständige Amt. Dort taten sie so, als hätten sie von der unbewohnten Wohnung noch nichts gehört und man selbst tat so, als hätte die Wohnungstür bei einem zufälligen Vorbeilaufen offen gestanden. Dann erwähnte man noch den Einbau eines neuen Schlosses, um das sozialistische Volkseigentum vor dem (völligen) Verfall zu bewahren. Als Wohnungssuchender bekundete man schließlich den Willen die Wohnung wieder herzurichten, bekam vielleicht etwas Geld für Farbe und Tapete und schon konnte sich der Werterhalt eines, von außen betrachtet, maroden Hauses in Gang setzen. Das klappte nicht unbedingt bei der ersten Meldung, aber besser als zu warten, war diese Methode allemal, vor allem aber war sie wesentlich erfolgversprechender.
Schon erstaunlich welch schöne Wohnungen sich hinter den kaum noch sichtbaren Gründerzeitfassaden verbargen – damals hinterm Mond.
Die Meldung solch einer leerstehenden Wohnung entbehrte nicht einer gehörigen Portion Ironie, da zu diesem Zeitpunkt bereits alle Wohnungen, egal in welch bemitleidenswerten Zustand sie sich befanden, registriert und nummeriert waren. Die Verwaltung wusste um den Leerstand, tat aber nichts, weil sie kein Geld hatte.
Mir fiel dieser Umstand heute wieder ein als ich von Peter Ramsauers Baustellenmelder hörte. Der Verkehrsminister und Zuständige für die Finanzierung der Bundesautobahnen, hatte ganz Erstaunliches zu vermelden.
Autobahnfahrende Bürger sahen im Vorüberfahren offenbar Baustellen, denen es an Baugeschehen ermangelte und meldeten diese Beobachtung dem ministerialen Baustellenmelder. Völlig überrascht und mit einer maßvollen Portion Empörung, zeigte der Minister auf die Bundesländer, welche seine klaren Vorgaben offenbar nicht umgesetzt hatten.
Auch einen klugen Ratschlag gab er den Ländern mit auf den Weg:
"Bei künftigen Ausschreibungen muss vor allem darauf geachtet werden, dass kurze Bauzeiten vertraglich festgelegt und auch umgesetzt werden"
Nun weiß der Minister Ramsauer natürlich wie so etwas geht und hat schon vielfach bewiesen wie Bauzeiten unter seiner Ägide eingehalten werden.
Was er offenbar nicht weiß und ihm auch mal gemeldet werden müsste, ist die mangelhafte Zahlungsmoral welche gerade bei öffentlichen Aufträgen immer wieder zu Insolvenzen führt.
Angela Merkel, seine Chefin, hat solch eine Meldung bekommen und geantwortet. Zahlungsfristen von drei Monaten und mehr sind keine Seltenheit bei öffentlichen Auftraggebern. Die Kanzlerin sagt in ihrer Antwort:
"Unter allen Umständen sollen öffentliche Auftraggeber nur Zahlungsfristen von höchstens 60 Tagen vorgeben können."
Mal davon abgesehen, dass es sich hier nur um eine Willensbekundung handelt, sind die 60 Tage auch nicht gerade kurz.
Natürliche gibt es viele Gründe warum eine Baufirma pleite gehen kann und manche zeigen eine erhebliche kriminelle Energie. Doch es wird immer wieder auf die schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand hingewiesen, wenn auch so gut wie nie direkt, wie hier im Fall der Baufirma Löhe:
Auslöser war laut Geschäftsführer Michael Löhe die Zahlungsunfähigkeit des mittelständischen Unternehmens, das viel für die öffentliche Hand gebaut hatte: „Die Nachwehen der Wirtschaftskrise, verbunden mit ruinösem Wettbewerb, schleppende Geldeingänge durch Auftraggeber und die winterliche Witterung haben zu dieser Konsequenz geführt.“
Wenn Herr Ramsauer nun Meldungen wünscht über Vorgänge in seinem Zuständigkeitsbereich, drückt dies eine Ahnungslosigkeit aus, die nur schwer nachzuvollziehen ist. Geradezu ignorant aber scheint mir das Verhalten der öffentlichen Auftraggeber zu sein, bei der Zahlungsmoral beständig hinterste Ränge einzunehmen, aber beim Eintreiben von Forderungen gleich die geballte Kraft des ihr zur Verfügung stehenden Gewaltmonopols zu nutzen.
Da beschleicht einen der Eindruck, dass die Insolvenz einer Firma im Zuge einer beispielhaft schlechten Zahlungsmoral überhaupt keinen Anlass zur Besserung dieses dem Leitbild des ehrbaren Kaufmanns zuwiderlaufenden Verhaltens bewirkt.
So als prallten unterschiedliche Interpretationen der sozialen Marktwirtschaft aufeinander.
Erling Plaethe
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