"Abgase, Verkehrslärm, Stau oder Parkplatzmangel könnten gute Gründe sein, die Pendlerpauschale abzuschaffen und sie durch eine Pendlersteuer zu ersetzen", sagte der Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). "Damit könnten Städter für das Leid entschädigt werden, das ihnen autofahrende Pendler antun." (...) "... Für die Gesellschaft entstehen negative Folgekosten durch Staus, Unfallgefahren und die Zersiedelung der Landschaft, während sich die Pendler im Grünen über tiefe Landpreise, günstige Grundstücke und Mieten freuen." (...) Der Wirtschaftsexperte stellt sich damit gegen Forderungen der FDP.
Kommentar: Als ich diesen Artikel gelesen hatte, schien mir die Sache klar zu sein: Da äußert sich jemand, der die Steuerpolitik als Instrument der Gesellschaftspolitik einsetzen will. Erwünschtes Verhalten soll vom Staat belohnt, unerwünschtes besteuert werden.
Aber das war ein Irrtum gewesen. Journalisten hatten einen Wissenschaftler mißverstanden, weil er im Konjunktiv geschrieben hatte. Zuviel offenbar für ihr intellektuelles Auffassungsvermögen.
Die Pendlerpauschale (eigentlich Entfernungspauschale) ist bekanntlich 2001 unter Rotgrün eingeführt worden; aus ideologischen Gründen.
Zuvor konnte jeder Arbeitnehmer die tatsächlich entstandenen Kosten für die Fahrten zum und vom Arbeitsplatz von der Steuer absetzen, und zwar als Werbungskosten, wie beispielsweise auch die Kosten für die Anschaffung von Arbeitskleidung. Da bei der Benutzung von PKWs der Einzelnachweis schwierig ist, gab es die Kilometerpauschale. Entsprechend konnte, wer mit dem ÖPNV oder der Bahn fuhr, die tatsächlich entstandenen Kosten für Monatskarten usw. absetzen. Wer zu Fuß ging, konnte logischerweise gar nichts absetzen.
2001 wurde diese Regelung von der rotgrünen Koalition durch die Entfernungspauschale ersetzt; ein systemfremdes Element in der Steuergesetzgebung. Denn nun konnte jeder ganz legal Kosten als Werbungskosten geltend machen, die ihm gar nicht entstanden waren - weil er beispielsweise mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr oder sich von seiner Frau mitnehmen ließ. Auch dann kam er in den Genuß der Kilometerpauschale, die nur jetzt eben Entfernungspauschale hieß.
Das war aus ideologischen Gründen so gewollt; die politisch korrekte Vermeidung der Fahrt im eigenen PKW sollte dadurch belohnt werden, daß man deren fiktive Kosten steuerlich geltend machen durfte, selbst wenn man sie gar nicht gehabt hatte (siehe Der Wahnwitz der Pendlerpauschale. Wohin es führt, wenn man die Steuerpolitik ideologisch mißbraucht; ZR vom 28. 4. 2008).
Ein Versuch der Großen Koalition, diesen Wahnwitz abzustellen, indem einfach die ganze Pendlerpauschale gestrichen wurde, scheiterte 2008 am Bundesverfassungsgericht (siehe Die jetzige Regelung ist verfassungswidrig. Die Pendlerpauschale ist ein Schmarrn. Glühbirnen werden verboten; ZR vom 10. 12. 2008). Er scheiterte zu Recht. Denn natürlich sind Fahrten zum und vom Arbeitsplatz Werbungskosten; nur eben in der tatsächlich entstandenen Höhe und nicht als Instrument, mit dem der Staat das Verhalten der Bürger im Sinn politischer Korrektheit zu steuern versucht.
Der Artikel in "Zeit-Online" nun, dem ich das Zitat entnommen habe, erweckt den Eindruck, als wolle der Professor Straubhaar jetzt einfach die Stoßrichtung staatlicher Bevormundung umkehren: Da aus seiner Sicht das Pendeln gesellschaftlich unerwünscht ist, soll es nicht steuerlich gefördert, sondern im Gegenteil besteuert werden. Das wäre Gesellschaftsklempnerei ebenso wie das seinerzeitige rotgrüne Gesetz; nur jetzt mit einer anderen Zielsetzung. Hier wie dort ein Mißbrauch des Steuerrechts, um die Gesellschaft im Sinn der jeweils Regierenden zu verändern.
Aber der Ökonom Straubhaar ist eigentlich kein Gesellschaftsveränderer. Er ist ein vernünftiger, liberaler Wissenschaftler, der beispielsweise 2005 zu den Autoren des Hamburger Appells gehörte. Wie paßt das zusammen?
Es paßt gar nicht zusammen. Denn wenn man den Originalartikel von Straubhaar liest, der Ende der Woche als Gastkommentar im "Handelsblatt" erschien, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild als aus der Zusammenfassung von "Zeit-Online" in der Art von Bismarcks Emser Depesche. Straubhaar schreibt:
Der Professor Straubhaar hat etwas gemacht, was man als Wissenschaftler gern tut: Man führt etwas ad absurdum, indem man seine logischen Konsequenzen durchspielt. Wenn man schon paternalistisch denkt, also den Staat als den Vater seiner Bürger sieht, der diese zu erziehen hat, dann könnte man mit besseren Gründen eine Pendlersteuer als eine Pendlerpauschale fordern. Das ist die Argumentationsfigur Straubhaars, seine reductio ad absurdum. Die Redakteure von "Zeit-Online" hat dieses Denken im Konjunktiv offenbar intellektuell überfordert.
Aber wären es doch wenigstens nur sie gewesen; sie, von denen man vielleicht nicht mehr erwarten kann.
Aber es waren nicht nur sie. Es waren die Agenturen, deren Meldungen sie übernahmen. Und es war schließlich gar das "Handelsblatt" selbst, welches das Argument seines Gastautors offensichtlich nicht verstanden hat. Titel und Vorspann des Artikels lauten:
"Zeit-Online" gestern in einem Artikel mit der Überschrift "Ökonom will Pendler besteuern statt ihnen etwas zahlen" über Äußerungen des Direktors und Sprechers der Geschäftsführung des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) Thomas Straubhaar.
Kommentar: Als ich diesen Artikel gelesen hatte, schien mir die Sache klar zu sein: Da äußert sich jemand, der die Steuerpolitik als Instrument der Gesellschaftspolitik einsetzen will. Erwünschtes Verhalten soll vom Staat belohnt, unerwünschtes besteuert werden.
Aber das war ein Irrtum gewesen. Journalisten hatten einen Wissenschaftler mißverstanden, weil er im Konjunktiv geschrieben hatte. Zuviel offenbar für ihr intellektuelles Auffassungsvermögen.
Die Pendlerpauschale (eigentlich Entfernungspauschale) ist bekanntlich 2001 unter Rotgrün eingeführt worden; aus ideologischen Gründen.
Zuvor konnte jeder Arbeitnehmer die tatsächlich entstandenen Kosten für die Fahrten zum und vom Arbeitsplatz von der Steuer absetzen, und zwar als Werbungskosten, wie beispielsweise auch die Kosten für die Anschaffung von Arbeitskleidung. Da bei der Benutzung von PKWs der Einzelnachweis schwierig ist, gab es die Kilometerpauschale. Entsprechend konnte, wer mit dem ÖPNV oder der Bahn fuhr, die tatsächlich entstandenen Kosten für Monatskarten usw. absetzen. Wer zu Fuß ging, konnte logischerweise gar nichts absetzen.
2001 wurde diese Regelung von der rotgrünen Koalition durch die Entfernungspauschale ersetzt; ein systemfremdes Element in der Steuergesetzgebung. Denn nun konnte jeder ganz legal Kosten als Werbungskosten geltend machen, die ihm gar nicht entstanden waren - weil er beispielsweise mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr oder sich von seiner Frau mitnehmen ließ. Auch dann kam er in den Genuß der Kilometerpauschale, die nur jetzt eben Entfernungspauschale hieß.
Das war aus ideologischen Gründen so gewollt; die politisch korrekte Vermeidung der Fahrt im eigenen PKW sollte dadurch belohnt werden, daß man deren fiktive Kosten steuerlich geltend machen durfte, selbst wenn man sie gar nicht gehabt hatte (siehe Der Wahnwitz der Pendlerpauschale. Wohin es führt, wenn man die Steuerpolitik ideologisch mißbraucht; ZR vom 28. 4. 2008).
Ein Versuch der Großen Koalition, diesen Wahnwitz abzustellen, indem einfach die ganze Pendlerpauschale gestrichen wurde, scheiterte 2008 am Bundesverfassungsgericht (siehe Die jetzige Regelung ist verfassungswidrig. Die Pendlerpauschale ist ein Schmarrn. Glühbirnen werden verboten; ZR vom 10. 12. 2008). Er scheiterte zu Recht. Denn natürlich sind Fahrten zum und vom Arbeitsplatz Werbungskosten; nur eben in der tatsächlich entstandenen Höhe und nicht als Instrument, mit dem der Staat das Verhalten der Bürger im Sinn politischer Korrektheit zu steuern versucht.
Der Artikel in "Zeit-Online" nun, dem ich das Zitat entnommen habe, erweckt den Eindruck, als wolle der Professor Straubhaar jetzt einfach die Stoßrichtung staatlicher Bevormundung umkehren: Da aus seiner Sicht das Pendeln gesellschaftlich unerwünscht ist, soll es nicht steuerlich gefördert, sondern im Gegenteil besteuert werden. Das wäre Gesellschaftsklempnerei ebenso wie das seinerzeitige rotgrüne Gesetz; nur jetzt mit einer anderen Zielsetzung. Hier wie dort ein Mißbrauch des Steuerrechts, um die Gesellschaft im Sinn der jeweils Regierenden zu verändern.
Aber der Ökonom Straubhaar ist eigentlich kein Gesellschaftsveränderer. Er ist ein vernünftiger, liberaler Wissenschaftler, der beispielsweise 2005 zu den Autoren des Hamburger Appells gehörte. Wie paßt das zusammen?
Es paßt gar nicht zusammen. Denn wenn man den Originalartikel von Straubhaar liest, der Ende der Woche als Gastkommentar im "Handelsblatt" erschien, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild als aus der Zusammenfassung von "Zeit-Online" in der Art von Bismarcks Emser Depesche. Straubhaar schreibt:
Wieso sollte der Staat individuell getroffene Entscheidungen beeinflussen oder gar belohnen wollen? Dafür gibt es keine andere Begründung als eben den Paternalismus, die anmaßende staatliche Besserwisserei. Wer sich auf die Ebene der Paternalisten begibt, kann den Spieß auch umdrehen. Statt einer Pendlerpauschale lässt sich eine Pendlersteuer fordern.Also wer sich auf diese Ebene der staatlichen Bevormundung begeben wollte, derjenige könnte ebenso eine Pendlersteuer fordern, wie jetzt eine Pendlerpauschale gerechtfertigt wird. Straubhaar selbst tut das als liberaler Ökonom keineswegs. Er betont das einige Sätze später ausdrücklich: "Auch das könnte für Paternalisten ein Grund für eine Pendlersteuer sein", schreibt er, nachdem er Nachteile des Pendelns aufgezählt hat (Hervorhebung von mir). Straubhaar selbst ist bekanntlich ein scharfer Kritiker des Paternalismus.
Der Professor Straubhaar hat etwas gemacht, was man als Wissenschaftler gern tut: Man führt etwas ad absurdum, indem man seine logischen Konsequenzen durchspielt. Wenn man schon paternalistisch denkt, also den Staat als den Vater seiner Bürger sieht, der diese zu erziehen hat, dann könnte man mit besseren Gründen eine Pendlersteuer als eine Pendlerpauschale fordern. Das ist die Argumentationsfigur Straubhaars, seine reductio ad absurdum. Die Redakteure von "Zeit-Online" hat dieses Denken im Konjunktiv offenbar intellektuell überfordert.
Aber wären es doch wenigstens nur sie gewesen; sie, von denen man vielleicht nicht mehr erwarten kann.
Aber es waren nicht nur sie. Es waren die Agenturen, deren Meldungen sie übernahmen. Und es war schließlich gar das "Handelsblatt" selbst, welches das Argument seines Gastautors offensichtlich nicht verstanden hat. Titel und Vorspann des Artikels lauten:
Gastkommentar
Mehr Steuern statt Entschädigungen für Pendler
Die Förderung von Pendlern widerspricht allen Bemühungen, Energie einzusparen, sagt der Präsident des HWWI, Thomas Straubhaar. Statt durch eine Pauschale entschädigt zu werden, sollten Pendler lieber mehr Steuern zahlen.
Zettel
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