25. April 2012

Kurioses, kurz kommentiert: Assanges gestrige Gäste. Ein furioser konservativ-linker Schlagabtausch

Vor einer Woche war zu erfahren, daß der per elektronische Fußfessel in London sistierte Julian Assange jetzt unter die Journalisten gegangen ist, und zwar bei dem staatlichen russischen Sender RT, bis vor kurzem noch als Russia Today bekannt; einem Informationssender im Stil von CNN, aber mit kaum verhüllter propagandistischer Zielrichtung.

Die Sendung läuft wöchentlich, dauert eine halbe Stunde und enthält Interviews mit Menschen, von denen Assange meint, daß sie etwas zur - so der Titel der Sendung - World Tomorrow zu sagen haben, zur Welt morgen also, die sich Assange als revolutionär vorstellt. Daß das danebenging, als er in der ersten Folge den islamistischen Extremisten Scheich Hassan Nasrallah interviewte, den Chef der Hisbollah, konnte man beispielsweise in der FAZ lesen.

Gesehen habe ich diese erste Sendung nicht; jetzt aber die zweite, die hier als Video angeboten wird. Es war eine bemerkenswerte halbe Stunde; für mich jedenfalls bemerkenswert genug, um ihr diese kleine Glosse zu widmen.



Assange hatte diesmal nicht nur einen Gast, sondern gleich zwei Gäste. Er selbst spielte in dieser halben Stunde keine Rolle. Er sagte Belanglosigkeiten, die man vergessen kann. Aber die beiden Eingeladenen und ihr verbaler Boxkampf - das hatte ein anderes Kaliber.

Es waren zwei alte Feuerköpfe; zwei Radikale mit verschlungenen Biografien: Der Amerikaner David Horowitz, Gründer und Herausgeber des konservativen Frontpage Magazine, und der linke Gesellschaftsphilosoph Slavoj Žižek, dem ich vor zwei Jahren anläßlich seines Auftritts in Berlin eine kleine Betrachtung über Schreibtischtäter gewidmet habe. Horowitz hatte als Linksextremer und Unterstützer der Black Panthers begonnen. Žižek war in Titos Jugoslawien ein Dissident gewesen und steht heute weit linksaußen; sein Berliner Auftritt 2010 spielte sich auf einem Kongreß zur "Idee des Kommunismus" ab.

Falls Sie Englisch verstehen und eine halbe Stunde Zeit haben, empfehle ich Ihnen dieses Video; vorausgesetzt, Sie haben Sinn für zwei angry old men, zwei von denen, die im Alter nicht weiser werden, sondern eher radikaler.

Falls Sie sich das Video ansehen - hören Sie nicht hin, wenn (gelegentlich einmal) Assange etwas einwirft. Aber hören Sie diesen älteren Herren zu, die beide auf ihre Art kurios sind; und jeder auf seine Art eindrucksvoll. Žižek saß in Assanges Londoner Wohnung neben diesem; Horowitz war per Videokonferenz zugeschaltet. Gelegentlich geriet Žižek so in Rage, daß er gegen den Laptop, auf dem Horowitzens Kopf zu sehen war, nachgerade mit brachialer Gewalt wüten wollte.

Jedenfalls tat er so; denn was an diesem Mann, der herumfuhrwerkte wie der Zappelphilipp bei Heinrich Hoffman, nun echt ist und was Show, ist schwer zu sagen; vielleicht weiß er es selbst nicht. Horowitz stand ihm an verbaler Radikalität nicht viel nach, bewahrte aber körperlich die Ruhe.

Da wurde also wild diskutiert; mit überzogenen Behauptungen, bei Žižek auch in der mäandernden, assoziativen Redeweise, die für ihn typisch zu sein scheint. Aber dumm war das nicht, was die beiden sagten; und durch das ganze aufgeregte Palaver schimmerten doch wichtige Themen und auch hörenswerte Gedanken hindurch: zu Freiheit und Staat; zur Verantwortung der USA; zu Utopie und Realität.

Horowitz war Žižek intellektuell überlegen und wirkte auch ungleich engagierter und ernsthafter. Am Kuriosesten an dieser Sendung war deshalb, wie Assange Žižek vorstellte: Als "intellektuellen Superstar".­
Zettel



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