Markus Becker (Namenskürzel mbe) ist nicht irgendein Journalist, sondern er leitet das Ressort "Wissenschaft" des größen deutschen Online-Portals für aktuelle Nachrichten. Also jemand, den man als repräsentativ für die Qualität des deutschen Wissenschafts-Journalismus wird ansehen können?
Hoffentlich nicht. Denn was Becker sich gestern mit diesem Artikel geleistet hat, das ist nicht Wissenschafts-Journalismus. Es ist politische Propaganda.
Es geht darum, ob in den USA der Anteil jener abnimmt, die an eine menschengemachte globale Erwärmung glauben. Daß dies in der Tat seit ungefähr 2007 der Fall ist, haben Umfragen führender demoskopischer Institute gezeigt.
Ein Beispiel ist eine Umfrage von Pew Research - einem der größten Institute für Demoskopie in den USA - vom Oktober 2009.
In der verlinkten Publikation werden Antworten auf dieselben Fragen vom April 2008 mit denen vom Oktober 2009 verglichen. Gefragt wurde beispielsweise "Is there solid evidence the earth is warming?" (Gibt es stichhaltige Belege dafür, daß sich die Erde erwärmt?) Darauf antworteten im April 2008 71% mit "ja"; im Oktober 2009 waren es nur noch 57 Prozent.
Ähnlich war es bei anderen Fragen; zum Beispiel wie schwerwiegend (serious) dieses Problem sei. Der Anteil derer, die es für sehr schwerwiegend hielten, sank von 44 auf 35 Prozent. Als "nicht allzu schwerwiegend" oder "gar kein Problem" sahen es zusammengenommen im April 2008 24% und im Oktober 2009 32% an.
Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine detaillierte Untersuchung von Gallup vom März dieses Jahres. Die Einstellung zur Frage einer globalen Erwärmung wurde, wie es sich in ordentlicher Forschung gehört, nicht nur durch eine einzige Frage ermittelt, sondern durch eine ganze Batterie von Fragen.
Gefragt wurde beispielsweise, für wie ernst man nach dem, was man aus den Nachrichten wisse, das Problem der globalen Erwärmung halte.
Oder die Befragten sollten sagen, ob sie in einer globalen Erwärmung eine Bedrohung für sich selbst und ihren Lebensstil sahen. Gefragt wurde, ob nach Kenntnis der Befragten die Erwärmung im vergangenen Jahrhundert eher natürliche Ursachen hatte oder von Menschen verursacht wurde. Und so fort.
Die Trends waren durchgängig dieselben: Seit 2007 glauben immer weniger Amerikaner an eine menschengemachte globale Erwärmung und/oder sehen in einer solchen eine Gefahr.
Bis zu diesem Jahr 2007 waren die Trends umgekehrt verlaufen; auch darf man nicht übersehen, daß diejenigen, die an die globale Erwärmung glauben und Angst vor ihr haben, noch immer eine Mehrheit sind; mehr oder weniger ausgeprägt, je nach Fragestellung. Und der Trend erstreckt sich bisher nur über wenige Jahre. Er könnte sich auch wieder umkehren.
Nachdem Sie das wissen, lesen Sie bitte einmal die Überschrift des Artikels von Markus Becker: "Umfragen - der Mythos der wachsenden Klimaskepsis".
Für einen Mythos hält der Wissenschaftschef von "Spiegel-Online" das, was diese Institute herausgefunden haben. Woher weiß er das? Hat er die Untersuchungen gelesen, aus denen ich zitiert habe? Hat er wenigstens den Überblicksartikel gelesen, der gestern zu diesem Thema im New Scientist erschienen ist? Hat er die zahlreichen Umfragen weiterer Institute gelesen, die hier zusammengestellt sind?
Vielleicht. Aber falls er sich wissenschaftlich in das Thema vertieft haben sollte, dann hat diese Lektüre in seinem Artikel keine Spuren hinterlassen.
Dieser nämlich folgt Punkt für Punkt kritiklos einem Artikel, der in der gestrigen Ausgabe der New York Times (NYT) zu lesen war. Stellenweise liest sich der Artikel von Becker wie eine Übersetzung dieses Textes, auf den er auch als seine Quelle hinweist.
Dieser Artikel von Jon A. Krosnick ist nicht auf der Wissenschaftsseite der NYT erschienen, sondern auf der Meinungsseite des Ressorts Politik. Es handelt sich, was Krosnick auch gar nicht verschweigt, um eine politisch motivierte Äußerung. Ihr Anlaß war laut Krosnick eine für den gestrigen Donnerstag angesetzte Abstimmung im Senat über eine Resolution, welche die Umweltgesetzgebung einschränken sollte.
Worauf Krosnick hinauswill, sagt er gleich am Anfang:
Er vermengt nämlich zwei Fragen: Erstens, glaubt eine Mehrheit der Amerikaner an eine globale Erwärmung? Zweitens, hat sich in Bezug auf den Anteil derer an der Bevölkerung, die das glauben, in den letzten Jahren erwas geändert?
Eine Mehrheit glaubt an die globale Erwärmung; oder genauer: Diejenigen, die sie für wahrscheinlich oder sicher halten, sind zahlreicher als die Skeptiker. Das ist überhaupt nicht strittig. Alle Umfragen zeigen es.
Zweitens hat es aber seit 2007 die Veränderungen gegeben, die ich zitiert habe. Die Balance hat sich zugunsten der Skeptiker verschoben. Heute ist die Minderheit derer, die nicht an die globale Erwärmung glauben, größer als 2007. Auch das war bisher nicht strittig.
Das eine widerspricht dem anderen so wenig, wie die beiden Aussagen einander widersprechen "Markus gehört zu den schwächeren Schülern" und "Markus konnte seine Leistungen im letzten Jahr verbessern".
Liest man genau, dann zeigt sich, daß Krosnicks Daten sogar bestens mit denen der demoskopischen Institute übereinstimmen.
Er informiert nicht über den Wortlaut seiner Fragen, sondern schreibt nur:
Nachdem er den logischen Fehler gemacht hat - nein, richtiger, den rhetorischen Trick verwendet hat -, den absoluten Wert und dessen Veränderung zu vermengen, wirft Krosnick in seinem politischen Eifer noch eine zweite Nebelkerze.
Obwohl seine Daten denselben Trend zeigen wie diejenigen seiner Kollegen, liegt der Anteil derer, die die Existenz einer globalen Erwärmung bejahen, in der Tat bei seinen Umfragen höher als bei den meisten anderen.
Das ist überhaupt nicht verwunderlich. Jeder, der sich in der Technik von Umfragen auskennt, weiß, daß schon kleine Änderungen im Wortlaut von Fragen und Statements sich erheblich auf die Antworten auswirken können. Ich habe das einmal an einem drastischen Beispiel illustriert; Kann man demoskopische Daten manipulieren?; ZR vom 21. 8. 2007.
Krosnick hatte gefragt, ob der Befragte glaubte, daß die Erde sich wahrscheinlich aufheizt. Da bekommt man natürlich mehr "ja"-Antworten, als wenn man, wie Pew Research (s.o.) es getan hat, fragt, ob man glaube, daß es stichhaltige Belege dafür gibt.
Die eine Formulierung ist so berechtigt wie die andere; es werden einfach unterschiedliche Stärken der betreffenden Einstellung gemessen.
Wie drastisch sich die Art der Fragestellung auswirken kann, wird deutlich, wenn man sich einmal die Zusammenstellung bei Polling Report ansieht.
Nehmen wir zum Beispiel eine Umfrage innerhalb des Virginia Commonwealth University Life Sciences Survey; durchgeführt vom 12. bis 20. Mai 2010. In einer Frage wollten die Interviewer wissen, ob nach dem Eindruck des Befragten die Belege für eine globale Erwärmung unter Wissenschaftlern weithin akzeptiert (widely accepted) seien, oder ob viele Wissenschaftler ernsthafte Zweifel (serious doubts) hätten. Nur 37 Prozent entschieden sich für "weithin akzeptiert"; 49 Prozent vermuteten "ernsthafte Zweifel"; der Rest hatte keine Meinung.
Würde man allein dieser Umfrage folgen, dann würden also nur 37 Prozent der Amerikaner die globale Erwärmung für ein Faktum halten; genauso unsinnig wie Krosnicks Behauptung, nur seine Formulierung der Frage sei die richtige.
Auf den Fragestellungen der Institute, die von seinen eigenen abweichen, reitet Krosnick nun in dem Artikel herum, und Markus Becker reitet ihm hinterher.
Und das ist dann wirklich unappetitlich. Natürlich weiß Krosnick als Sozialwissenschaftler, daß man mit verschiedenen Formulierungen unterschiedliche Stärken einer Einstellung messen kann. Natürlich weiß er, daß die Fragestellungen der Institute genauso berechtigt sind wie seine eigenen; sie messen eben nicht exakt dasselbe.
Aber dem Laien, für den sein Artikel auf der politischen Meinungsseite der NYT ja gedacht ist, kann er mit so etwas imponieren. Die kritisierten Kollegen haben sich bereits empört geäußert; man kann es hier nachlesen.
Wie kann der Leiter der Wissenschaftsredaktion von "Spiegel-Online" auf solch einen Schmus hereinfallen? Er muß doch eine naturwissenschaftliche Ausbildung haben, oder wenigstens ein Studium in einer empirischen Sozialwissenschaft. Er muß als Wissenschaftler doch wissen, wie wacklig die Argumentation von Krosnick ist.
Oder muß er das nicht wissen, der Leiter der Wissenschaftsredaktion?
Schauen Sie einmal hier nach:
Hoffentlich nicht. Denn was Becker sich gestern mit diesem Artikel geleistet hat, das ist nicht Wissenschafts-Journalismus. Es ist politische Propaganda.
Es geht darum, ob in den USA der Anteil jener abnimmt, die an eine menschengemachte globale Erwärmung glauben. Daß dies in der Tat seit ungefähr 2007 der Fall ist, haben Umfragen führender demoskopischer Institute gezeigt.
Ein Beispiel ist eine Umfrage von Pew Research - einem der größten Institute für Demoskopie in den USA - vom Oktober 2009.
In der verlinkten Publikation werden Antworten auf dieselben Fragen vom April 2008 mit denen vom Oktober 2009 verglichen. Gefragt wurde beispielsweise "Is there solid evidence the earth is warming?" (Gibt es stichhaltige Belege dafür, daß sich die Erde erwärmt?) Darauf antworteten im April 2008 71% mit "ja"; im Oktober 2009 waren es nur noch 57 Prozent.
Ähnlich war es bei anderen Fragen; zum Beispiel wie schwerwiegend (serious) dieses Problem sei. Der Anteil derer, die es für sehr schwerwiegend hielten, sank von 44 auf 35 Prozent. Als "nicht allzu schwerwiegend" oder "gar kein Problem" sahen es zusammengenommen im April 2008 24% und im Oktober 2009 32% an.
Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine detaillierte Untersuchung von Gallup vom März dieses Jahres. Die Einstellung zur Frage einer globalen Erwärmung wurde, wie es sich in ordentlicher Forschung gehört, nicht nur durch eine einzige Frage ermittelt, sondern durch eine ganze Batterie von Fragen.
Gefragt wurde beispielsweise, für wie ernst man nach dem, was man aus den Nachrichten wisse, das Problem der globalen Erwärmung halte.
Oder die Befragten sollten sagen, ob sie in einer globalen Erwärmung eine Bedrohung für sich selbst und ihren Lebensstil sahen. Gefragt wurde, ob nach Kenntnis der Befragten die Erwärmung im vergangenen Jahrhundert eher natürliche Ursachen hatte oder von Menschen verursacht wurde. Und so fort.
Die Trends waren durchgängig dieselben: Seit 2007 glauben immer weniger Amerikaner an eine menschengemachte globale Erwärmung und/oder sehen in einer solchen eine Gefahr.
Bis zu diesem Jahr 2007 waren die Trends umgekehrt verlaufen; auch darf man nicht übersehen, daß diejenigen, die an die globale Erwärmung glauben und Angst vor ihr haben, noch immer eine Mehrheit sind; mehr oder weniger ausgeprägt, je nach Fragestellung. Und der Trend erstreckt sich bisher nur über wenige Jahre. Er könnte sich auch wieder umkehren.
Nachdem Sie das wissen, lesen Sie bitte einmal die Überschrift des Artikels von Markus Becker: "Umfragen - der Mythos der wachsenden Klimaskepsis".
Für einen Mythos hält der Wissenschaftschef von "Spiegel-Online" das, was diese Institute herausgefunden haben. Woher weiß er das? Hat er die Untersuchungen gelesen, aus denen ich zitiert habe? Hat er wenigstens den Überblicksartikel gelesen, der gestern zu diesem Thema im New Scientist erschienen ist? Hat er die zahlreichen Umfragen weiterer Institute gelesen, die hier zusammengestellt sind?
Vielleicht. Aber falls er sich wissenschaftlich in das Thema vertieft haben sollte, dann hat diese Lektüre in seinem Artikel keine Spuren hinterlassen.
Dieser nämlich folgt Punkt für Punkt kritiklos einem Artikel, der in der gestrigen Ausgabe der New York Times (NYT) zu lesen war. Stellenweise liest sich der Artikel von Becker wie eine Übersetzung dieses Textes, auf den er auch als seine Quelle hinweist.
Dieser Artikel von Jon A. Krosnick ist nicht auf der Wissenschaftsseite der NYT erschienen, sondern auf der Meinungsseite des Ressorts Politik. Es handelt sich, was Krosnick auch gar nicht verschweigt, um eine politisch motivierte Äußerung. Ihr Anlaß war laut Krosnick eine für den gestrigen Donnerstag angesetzte Abstimmung im Senat über eine Resolution, welche die Umweltgesetzgebung einschränken sollte.
Worauf Krosnick hinauswill, sagt er gleich am Anfang:
After all, national surveys released during the last eight months have been interpreted as showing that fewer and fewer Americans believe that climate change is real, human-caused and threatening to people. But a closer look at these polls and a new survey by my Political Psychology Research Group show just the opposite: huge majorities of Americans still believe the earth has been gradually warming as the result of human activity (...).Hören Sie die Nachtigall trapsen? Was Krosnick macht, mag als rhetorisches Mittel in einer politischen Debatte erlaubt sein; und darum geht es Krosnick ja eben. Mit einer fairen wissenschaftlichen Diskussion hat das aber wenig zu tun.
Schließlich sind USA-weite Umfragen, die in den vergangenen acht Monaten veröffentlicht wurden, so interpretiert worden, daß immer weniger Amerikaner glauben, daß der Klimawandel real, menschengemacht und eine Bedrohung für die Menschen ist. Aber eine genauere Untersuchung dieser Umfragen und eine neue Erhebung meiner Political Psychology Research Group zeigen das genaue Gegenteil: Gewaltige Mehrheiten von Amerikanern glauben immer noch, daß die Erde sich als Ergebnis menschlicher Aktivität nach und nach erwärmt.
Er vermengt nämlich zwei Fragen: Erstens, glaubt eine Mehrheit der Amerikaner an eine globale Erwärmung? Zweitens, hat sich in Bezug auf den Anteil derer an der Bevölkerung, die das glauben, in den letzten Jahren erwas geändert?
Eine Mehrheit glaubt an die globale Erwärmung; oder genauer: Diejenigen, die sie für wahrscheinlich oder sicher halten, sind zahlreicher als die Skeptiker. Das ist überhaupt nicht strittig. Alle Umfragen zeigen es.
Zweitens hat es aber seit 2007 die Veränderungen gegeben, die ich zitiert habe. Die Balance hat sich zugunsten der Skeptiker verschoben. Heute ist die Minderheit derer, die nicht an die globale Erwärmung glauben, größer als 2007. Auch das war bisher nicht strittig.
Das eine widerspricht dem anderen so wenig, wie die beiden Aussagen einander widersprechen "Markus gehört zu den schwächeren Schülern" und "Markus konnte seine Leistungen im letzten Jahr verbessern".
Liest man genau, dann zeigt sich, daß Krosnicks Daten sogar bestens mit denen der demoskopischen Institute übereinstimmen.
Er informiert nicht über den Wortlaut seiner Fragen, sondern schreibt nur:
When respondents were asked if they thought that the earth’s temperature probably had been heating up over the last 100 years, 74 percent answered affirmatively. (...) Our surveys did reveal a small recent decline in the proportion of people who believe global warming has been happening, from 84 percent in 2007 to 80 percent in 2008 to 74 percent today.Viel Lärm um nichts also. Krosnick hat im Trend dasselbe gefunden wie seine Kollegen von den demoskopischen Instituten.
Als die Befragten gefragt wurden, ob sie glaubten, daß die Temperatur der Erde sich wahrscheinlich über die vergangenen hundert Jahre aufgeheizt hat, bejahten das 74 Prozent. (...) Unser Erhebungen zeigten allerdings einen kleinen Rückgang im Anteil der Personen, die glauben, daß eine globale Erwärmung stattfindet, von 84 Prozent 2007 über 80 Prozent 2008 auf 74 Prozent heute.
Nachdem er den logischen Fehler gemacht hat - nein, richtiger, den rhetorischen Trick verwendet hat -, den absoluten Wert und dessen Veränderung zu vermengen, wirft Krosnick in seinem politischen Eifer noch eine zweite Nebelkerze.
Obwohl seine Daten denselben Trend zeigen wie diejenigen seiner Kollegen, liegt der Anteil derer, die die Existenz einer globalen Erwärmung bejahen, in der Tat bei seinen Umfragen höher als bei den meisten anderen.
Das ist überhaupt nicht verwunderlich. Jeder, der sich in der Technik von Umfragen auskennt, weiß, daß schon kleine Änderungen im Wortlaut von Fragen und Statements sich erheblich auf die Antworten auswirken können. Ich habe das einmal an einem drastischen Beispiel illustriert; Kann man demoskopische Daten manipulieren?; ZR vom 21. 8. 2007.
Krosnick hatte gefragt, ob der Befragte glaubte, daß die Erde sich wahrscheinlich aufheizt. Da bekommt man natürlich mehr "ja"-Antworten, als wenn man, wie Pew Research (s.o.) es getan hat, fragt, ob man glaube, daß es stichhaltige Belege dafür gibt.
Die eine Formulierung ist so berechtigt wie die andere; es werden einfach unterschiedliche Stärken der betreffenden Einstellung gemessen.
Wie drastisch sich die Art der Fragestellung auswirken kann, wird deutlich, wenn man sich einmal die Zusammenstellung bei Polling Report ansieht.
Nehmen wir zum Beispiel eine Umfrage innerhalb des Virginia Commonwealth University Life Sciences Survey; durchgeführt vom 12. bis 20. Mai 2010. In einer Frage wollten die Interviewer wissen, ob nach dem Eindruck des Befragten die Belege für eine globale Erwärmung unter Wissenschaftlern weithin akzeptiert (widely accepted) seien, oder ob viele Wissenschaftler ernsthafte Zweifel (serious doubts) hätten. Nur 37 Prozent entschieden sich für "weithin akzeptiert"; 49 Prozent vermuteten "ernsthafte Zweifel"; der Rest hatte keine Meinung.
Würde man allein dieser Umfrage folgen, dann würden also nur 37 Prozent der Amerikaner die globale Erwärmung für ein Faktum halten; genauso unsinnig wie Krosnicks Behauptung, nur seine Formulierung der Frage sei die richtige.
Auf den Fragestellungen der Institute, die von seinen eigenen abweichen, reitet Krosnick nun in dem Artikel herum, und Markus Becker reitet ihm hinterher.
Und das ist dann wirklich unappetitlich. Natürlich weiß Krosnick als Sozialwissenschaftler, daß man mit verschiedenen Formulierungen unterschiedliche Stärken einer Einstellung messen kann. Natürlich weiß er, daß die Fragestellungen der Institute genauso berechtigt sind wie seine eigenen; sie messen eben nicht exakt dasselbe.
Aber dem Laien, für den sein Artikel auf der politischen Meinungsseite der NYT ja gedacht ist, kann er mit so etwas imponieren. Die kritisierten Kollegen haben sich bereits empört geäußert; man kann es hier nachlesen.
Wie kann der Leiter der Wissenschaftsredaktion von "Spiegel-Online" auf solch einen Schmus hereinfallen? Er muß doch eine naturwissenschaftliche Ausbildung haben, oder wenigstens ein Studium in einer empirischen Sozialwissenschaft. Er muß als Wissenschaftler doch wissen, wie wacklig die Argumentation von Krosnick ist.
Oder muß er das nicht wissen, der Leiter der Wissenschaftsredaktion?
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Markus Becker Jahrgang 1973, stammt aus dem Ruhrgebiet. Studium der Anglistik, Geschichte und Germanistik in Bochum und Newcastle upon Tyne, Magister-Abschluss 1999. Neben dem Studium freie Mitarbeit für Zeitung und Rundfunk, Volontariat bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" und der Journalistenschule Ruhr. Ab August 2002 Politik-Redakteur bei SPIEGEL ONLINE, seit September 2003 Ressortleiter Wissenschaft.Na dann.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Schiffe sinken im Sturm. Gemälde von Ludolf Backhuysen (ca 1630). In der Public Domain, da das Copyright erloschen ist (Ausschnitt).