Morgen tagt die vierzehnte Bundesversammlung; ein kurioses Verfassungsorgan, das nur alle fünf Jahre für ein paar Stunden existiert. Die Mitglieder des Bundestages treffen sich mit gleich vielen von den Landtagen gewählten Vertretern, wählen den Bundespräsidenten und gehen dann wieder auseinander. Eine Debatte gibt es nicht.
Die Bundesversammlung ist damit, etwas böse ausgedrückt, das einzige deutsche parlamentarische Gremium, in dem nicht parliert wird.
Wie kommt es zur Existenz solch eines merkwürdigen Gremiums? Die Bestimmungen über den Bundespräsidenten und seine Wahl wurden, wie das ganze Grundgesetz, vom Parlamentarischen Rat geschaffen, einem selbst nicht minder merkwürdigen Gremium. Mit 65 Mitgliedern (und 5 nicht stimmberechtigten Vertretern Berlins) war er viel kleiner als andere Parlamente. Die Mandate waren nach Bevölkerung auf die Länder verteilt, die Abgeordneten von den Landtagen per Verhältniswahl bestimmt worden.
Demokratisch legitimiert war der Parlamentarische Rat also, aber auch wieder nicht zu sehr demokratisch legitimiert. Man wollte nämlich auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, hier gäbe sich ein neuer Staat seine Verfassung. Vielmehr sollte das Grundgesetz ausdrücklich eine Übergangslösung sein. Nach der Wiedervereinigung und dem Ende der Besatzung würde es dann eine "richtige" verfassungsgebende Versammlung geben.
Noch ein Aspekt unterscheidet den Parlamentarischen Rat von anderen deutschen Parlamenten:
In parlamentarischen Systemen wie unserem deutschen wird die Regierung in der Regel von einer Mehrheit des Parlaments unterstützt. Die Gesetze, die am Ende verabschiedet werden, schlägt die Regierung vor. Dafür "findet" sie dann eine Mehrheit im Parlament, und zwar immer dieselbe. Damit ist die Rollenverteilung klar: Die Regierungsfraktionen sind für den Regierungsvorschlag und die Oppositionsfraktionen dagegen. Wechselnde Mehrheiten sind sehr selten, denn dazu würde man mindestens eine Regierungsfraktion brauchen; und wenn Regierungsfraktionen gegen die Regierung stimmen, riskieren sie deren Ende.
Zum parlamentarischen Rat gab es aber keine Regierung. Regiert wurde natürlich schon; die Länder waren ja schon organisiert und regelten einiges, was später wieder Bundesangelegenheiten sein würden. Einiges regelte auch der Wirtschaftsrat der Trizone und die Besatzungsmächte waren ja auch noch da. Aber eine Regierung, die eine ständige Mehrheit im Parlament brauchte, gab es eben erst wieder, nachdem das Grundgesetz in Kraft getreten war.
Zwar hatten die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates einen Vorentwurf des Grundgesetzes; die Ministerpräsidenten hatten ihn von einer Konferenz auf Fachebene erarbeiten lassen, dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Aber das war eine überparteiliche Veranstaltung gewesen, mehr mit Beamten als Politikern besetzt und schon vorbei.
So ergab es sich, dass es im Parlamentarischen Rat wechselnde Mehrheiten geben konnte. Die Parteien hatten zwar relativ einheitliche Positionen; aber welche Parteien zusammen die Mehrheit bildeten, konnte durchaus schwanken. Außerdem konnte man auch noch Kompromisse schließen, ohne dass damit eine Seite ihr Gesicht verloren hätte, denn die Frage, wer denn nun die Mehrheit hat, schwebte nicht ständig mit im Raum.
Das prägte den Charakter der Aussprache: Es war nicht eine reine Debatte, die im Wesentlichen für das Publikum stattfindet, sondern auch eine inhaltliche Diskussion, in der man gemeinsam die Details festklopfte. Einigen kam das damals sozusagen "unpolitisch" und langweilig vor. In der Tat hat eine normale Parlamentsdabatte oft einen wesentlich höheren Unterhaltungswert. Andererseits geschah im Parlamentarischen Rat aber genau das, was im Bundestag nur simuliert wird: Es wurde ergebnisoffen über den Wortlaut des auszuarbeitenden Gesetzes diskutiert.
Was nun den Präsidenten anging, so war man sich einig, dass der übermächtige Reichspräsident ein Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung gewesen war. Eine Minderheit der Chiemsee-Delegierten hatte sogar vorgeschlagen, ganz auf einen Präsidenten zu verzichten, was der Parlamentarische Rat dann aber recht früh ablehnte.
Vom Volk sollte der neue Präsident jedenfalls nicht gewählt werden. Volkswahl und Kompetenzen wurden anscheinend als eine einheitliche Frage gesehen; jedenfalls redeten die Delegierten auf Herrenchiemsee ebenso wie die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates von einem plebiszitären Präsidenten, wenn sie einen so mächtigen Präsidenten wie in Weimar meinten. Und den wollte man eben nicht.
Der neue Bundespräsident sollte dagegen "eine Gewalt" sein, die, so Carlo Schmid während des Chiemsee-Konvents, "mehr durch ihr Dasein als durch ihr Tun wirkt". Einem handlungsfähigen Parlament sollte er niemals zur Konkurrenz werden können. Rein repräsentativ sollte er dann aber auch nicht sein. Wenn der Bundestag nämlich einmal nicht handlungsfähig wäre, dann würden ihm bedeutende Reserverechte zukommen.
Dazu musste er natürlich möglichst unabhängig vom Bundestag sein - gar nicht so leicht, wenn man keine Volkswahl will. Neben der fünfjährigen Amtszeit hatte der Chiemsee-Konvent darum eine doppelte Wahl durch Bundesrat und Bundestag vorgeschlagen. Nur wenn das zweimal gescheitert wäre, hätte es eine "besondere Wahlversammlung" gegeben. Diese hätte in der Zusammensetzung allerdings nicht der heutigen Bundesversammlung entsprochen, sondern umgekehrt aus allen Mitgliedern des Bundesrates und gleich vielen Vertretern des Bundestages bestanden.
Ein so zusammengesetztes Gremium hätte übrigens auch in der Gesetzgebung zwischen den beiden Kammern vermitteln sollen; der Parlamentarische Rat hat daraus den heutigen Vermittlungsausschuss entwickelt.
Im Parlamentarischen Rat schlug die FDP dann eine Wahl durch einen "Nationalkonvent" vor. Dieser war der Bundesversammlung schon recht ähnlich. Allerdings sollte im Grundgesetz ein festes Vertretungsverhältnis stehen; auf 150.000 Einwohner eines Landes wäre jeweils ein Vertreter entfallen. Damit wären es nicht unbedingt gleich viele Ländervertreter wie Bundestagsabgeordnete gewesen. Das hat man dann eher beiläufig geändert. Ebenso beiläufig strich man den für einen Gleichstand der Stimmen vorgesehenen Losentscheid, da man ihn für unwürdig hielt.
Thomas Dehler begründete den Vorschlag seiner Partei im Hauptausschuss so:
Das Amt des Bundespräsidenten selbst war in seinen Grundzügen nicht besonders strittig. Jedenfalls zum entscheidenden Zeitpunkt nicht; sehr spät in den Verhandlungen hat die FDP ihre Meinung geändert und ein Präsidialsystem vorgeschlagen. Da waren die Institutionen aber schon weitgehend festgeklopft und der Antrag wurde ziemlich klanglos abgelehnt.
Eine zentrale Streitfrage war allerdings der Umfang des Föderalismus und insbesondere der institutionellen Mitwirkung der Länder im Bund. In der Tendenz wollten die konservativen Parteien eine möglichst starke und gleiche Mitwirkung der Landesregierungen (für mehr Eigenstaatlichkeit der Länder) und die SPD eine möglichst schwache und nach Bevölkerung gestaffelte Mitwirkung von Vertretern der Landtage (für mehr Demokratie). Unser Bundesrat ist ein Kompromiss: eine (aus damaliger Sicht) relativ schwache und nach Bevölkerung gestaffelte Mitwirkung der Landesregierungen.
Die konservativen Parteien (das waren damals neben CDU/CSU auch Zentrum und DP) waren auch beim Bundespräsidenten in Sorge, dass die Länder als solche in einem Nationalkonvent, wie ihn die FDP vorgeschlagen hatte, kaum mehr auftreten würden. Die CDU setzte sich darum, wenn es denn schon keine getrennte Wahl des Präsidenten in Bundesrat und Bundestag geben würde, dafür ein, dass auch die Mitglieder des Bundesrates der Bundesversammlung angehören sollten.
Die DP schlug vor, dass die Wahl durch die Bundesversammlung der Bestätigung des Bundesrates bedürfen sollte. Später konkretisierte sie diesen Vorschlag dahingehend, dass bei Ablehnung durch den Bundesrat eine neue Bundesversammlung einberufen werden sollte. Hätte diese den Abgelehnten nochmals gewählt, hätte der Bundesrat dagegen kein Veto mehr gehabt.
Hiergegen gab es nun Einwände von Theodor Heuss, der später bekanntlich selbst zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde. (Ob er das da schon geahnt hat, weiß ich nicht, aber das Thema hat ihn jedenfalls sehr interessiert. Seine Redebeiträge im Hauptausschuss füllen zu diesem Thema Seiten; sonst war er dort eher still.)
Die Bundesratsmitglieder, argumentierte Heuss, würden in der Bundesversammlung als kleine, nichtgewählte Minderheit dastehen, und eine Ablehnung durch eine getrennte Abstimmung im Bundesrat würde andererseits die Würde der Bundesversammlung verletzen, die ja gerade eine ganz breite Volksvertretung sein sollte.
Bis auf Heuss scheint sich die FDP allerdings für diese Detailfrage nicht besonders interessiert zu haben. In verschiedenen Kompromissen hat sie ihr Abstimmungs-verhalten zur Mitgliedschaft der Vertreter des Bundesrats fast von Lesung zu Lesung geändert.
Zusammengefasst war die Situation also so:
Die FDP wollte eine möglichst breite Wahlbasis für den Bundespräsidenten und deswegen eine Bundesversammlung. Die konservativen Parteien stimmten zwar zu, dass man solch eine breite Basis brauchte, sahen darin aber zu wenig Mitwirkung der Länder als Institutionen. Für die SPD war dieses geringe Gewicht der Länder eher ein zusätzlicher Vorteil.
Über die Einrichtung einer Bundesversammlung war man sich also weitgehend einig; strittig war, ob der Bundesrat in der Bundesversammlung sitzen oder eventuell ein Vetorecht bekommen sollte. Am Ende hat man mehr oder weniger beiläufig auf beides verzichtet. Der Bundespräsident war eben eine der weniger wichtigen Fragen.
Die Bundesversammlung ist damit, etwas böse ausgedrückt, das einzige deutsche parlamentarische Gremium, in dem nicht parliert wird.
Wie kommt es zur Existenz solch eines merkwürdigen Gremiums? Die Bestimmungen über den Bundespräsidenten und seine Wahl wurden, wie das ganze Grundgesetz, vom Parlamentarischen Rat geschaffen, einem selbst nicht minder merkwürdigen Gremium. Mit 65 Mitgliedern (und 5 nicht stimmberechtigten Vertretern Berlins) war er viel kleiner als andere Parlamente. Die Mandate waren nach Bevölkerung auf die Länder verteilt, die Abgeordneten von den Landtagen per Verhältniswahl bestimmt worden.
Demokratisch legitimiert war der Parlamentarische Rat also, aber auch wieder nicht zu sehr demokratisch legitimiert. Man wollte nämlich auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, hier gäbe sich ein neuer Staat seine Verfassung. Vielmehr sollte das Grundgesetz ausdrücklich eine Übergangslösung sein. Nach der Wiedervereinigung und dem Ende der Besatzung würde es dann eine "richtige" verfassungsgebende Versammlung geben.
Noch ein Aspekt unterscheidet den Parlamentarischen Rat von anderen deutschen Parlamenten:
In parlamentarischen Systemen wie unserem deutschen wird die Regierung in der Regel von einer Mehrheit des Parlaments unterstützt. Die Gesetze, die am Ende verabschiedet werden, schlägt die Regierung vor. Dafür "findet" sie dann eine Mehrheit im Parlament, und zwar immer dieselbe. Damit ist die Rollenverteilung klar: Die Regierungsfraktionen sind für den Regierungsvorschlag und die Oppositionsfraktionen dagegen. Wechselnde Mehrheiten sind sehr selten, denn dazu würde man mindestens eine Regierungsfraktion brauchen; und wenn Regierungsfraktionen gegen die Regierung stimmen, riskieren sie deren Ende.
Zum parlamentarischen Rat gab es aber keine Regierung. Regiert wurde natürlich schon; die Länder waren ja schon organisiert und regelten einiges, was später wieder Bundesangelegenheiten sein würden. Einiges regelte auch der Wirtschaftsrat der Trizone und die Besatzungsmächte waren ja auch noch da. Aber eine Regierung, die eine ständige Mehrheit im Parlament brauchte, gab es eben erst wieder, nachdem das Grundgesetz in Kraft getreten war.
Zwar hatten die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates einen Vorentwurf des Grundgesetzes; die Ministerpräsidenten hatten ihn von einer Konferenz auf Fachebene erarbeiten lassen, dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Aber das war eine überparteiliche Veranstaltung gewesen, mehr mit Beamten als Politikern besetzt und schon vorbei.
So ergab es sich, dass es im Parlamentarischen Rat wechselnde Mehrheiten geben konnte. Die Parteien hatten zwar relativ einheitliche Positionen; aber welche Parteien zusammen die Mehrheit bildeten, konnte durchaus schwanken. Außerdem konnte man auch noch Kompromisse schließen, ohne dass damit eine Seite ihr Gesicht verloren hätte, denn die Frage, wer denn nun die Mehrheit hat, schwebte nicht ständig mit im Raum.
Das prägte den Charakter der Aussprache: Es war nicht eine reine Debatte, die im Wesentlichen für das Publikum stattfindet, sondern auch eine inhaltliche Diskussion, in der man gemeinsam die Details festklopfte. Einigen kam das damals sozusagen "unpolitisch" und langweilig vor. In der Tat hat eine normale Parlamentsdabatte oft einen wesentlich höheren Unterhaltungswert. Andererseits geschah im Parlamentarischen Rat aber genau das, was im Bundestag nur simuliert wird: Es wurde ergebnisoffen über den Wortlaut des auszuarbeitenden Gesetzes diskutiert.
Was nun den Präsidenten anging, so war man sich einig, dass der übermächtige Reichspräsident ein Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung gewesen war. Eine Minderheit der Chiemsee-Delegierten hatte sogar vorgeschlagen, ganz auf einen Präsidenten zu verzichten, was der Parlamentarische Rat dann aber recht früh ablehnte.
Vom Volk sollte der neue Präsident jedenfalls nicht gewählt werden. Volkswahl und Kompetenzen wurden anscheinend als eine einheitliche Frage gesehen; jedenfalls redeten die Delegierten auf Herrenchiemsee ebenso wie die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates von einem plebiszitären Präsidenten, wenn sie einen so mächtigen Präsidenten wie in Weimar meinten. Und den wollte man eben nicht.
Der neue Bundespräsident sollte dagegen "eine Gewalt" sein, die, so Carlo Schmid während des Chiemsee-Konvents, "mehr durch ihr Dasein als durch ihr Tun wirkt". Einem handlungsfähigen Parlament sollte er niemals zur Konkurrenz werden können. Rein repräsentativ sollte er dann aber auch nicht sein. Wenn der Bundestag nämlich einmal nicht handlungsfähig wäre, dann würden ihm bedeutende Reserverechte zukommen.
Dazu musste er natürlich möglichst unabhängig vom Bundestag sein - gar nicht so leicht, wenn man keine Volkswahl will. Neben der fünfjährigen Amtszeit hatte der Chiemsee-Konvent darum eine doppelte Wahl durch Bundesrat und Bundestag vorgeschlagen. Nur wenn das zweimal gescheitert wäre, hätte es eine "besondere Wahlversammlung" gegeben. Diese hätte in der Zusammensetzung allerdings nicht der heutigen Bundesversammlung entsprochen, sondern umgekehrt aus allen Mitgliedern des Bundesrates und gleich vielen Vertretern des Bundestages bestanden.
Ein so zusammengesetztes Gremium hätte übrigens auch in der Gesetzgebung zwischen den beiden Kammern vermitteln sollen; der Parlamentarische Rat hat daraus den heutigen Vermittlungsausschuss entwickelt.
Im Parlamentarischen Rat schlug die FDP dann eine Wahl durch einen "Nationalkonvent" vor. Dieser war der Bundesversammlung schon recht ähnlich. Allerdings sollte im Grundgesetz ein festes Vertretungsverhältnis stehen; auf 150.000 Einwohner eines Landes wäre jeweils ein Vertreter entfallen. Damit wären es nicht unbedingt gleich viele Ländervertreter wie Bundestagsabgeordnete gewesen. Das hat man dann eher beiläufig geändert. Ebenso beiläufig strich man den für einen Gleichstand der Stimmen vorgesehenen Losentscheid, da man ihn für unwürdig hielt.
Thomas Dehler begründete den Vorschlag seiner Partei im Hauptausschuss so:
Ein Bundespräsident soll ein breiteres Fundament haben. Wenn schon kein plebiszitärer Bundespräsident erwünscht ist, so soll er doch - darin sind wir uns wohl alle einig - von dem Vertrauen einer größeren Zahl von Vertretern des Volkes getragen werden. Daher schlagen wir vor, daß ein Nationalkonvent, eine Bundesversammlung zusammentritt (...).Es ging also darum, dem Präsidenten eine möglichst breite und volkstümliche Basis zu verschaffen. Was freilich nicht unbedingt der Verfassungswirklichkeit entspricht (siehe Die Väter des Grundgesetzes und die selbstherrliche Entscheidung der Kanzlerin; ZR vom 6. 6. 2010); aber das war die Idee.
Das Amt des Bundespräsidenten selbst war in seinen Grundzügen nicht besonders strittig. Jedenfalls zum entscheidenden Zeitpunkt nicht; sehr spät in den Verhandlungen hat die FDP ihre Meinung geändert und ein Präsidialsystem vorgeschlagen. Da waren die Institutionen aber schon weitgehend festgeklopft und der Antrag wurde ziemlich klanglos abgelehnt.
Eine zentrale Streitfrage war allerdings der Umfang des Föderalismus und insbesondere der institutionellen Mitwirkung der Länder im Bund. In der Tendenz wollten die konservativen Parteien eine möglichst starke und gleiche Mitwirkung der Landesregierungen (für mehr Eigenstaatlichkeit der Länder) und die SPD eine möglichst schwache und nach Bevölkerung gestaffelte Mitwirkung von Vertretern der Landtage (für mehr Demokratie). Unser Bundesrat ist ein Kompromiss: eine (aus damaliger Sicht) relativ schwache und nach Bevölkerung gestaffelte Mitwirkung der Landesregierungen.
Die konservativen Parteien (das waren damals neben CDU/CSU auch Zentrum und DP) waren auch beim Bundespräsidenten in Sorge, dass die Länder als solche in einem Nationalkonvent, wie ihn die FDP vorgeschlagen hatte, kaum mehr auftreten würden. Die CDU setzte sich darum, wenn es denn schon keine getrennte Wahl des Präsidenten in Bundesrat und Bundestag geben würde, dafür ein, dass auch die Mitglieder des Bundesrates der Bundesversammlung angehören sollten.
Die DP schlug vor, dass die Wahl durch die Bundesversammlung der Bestätigung des Bundesrates bedürfen sollte. Später konkretisierte sie diesen Vorschlag dahingehend, dass bei Ablehnung durch den Bundesrat eine neue Bundesversammlung einberufen werden sollte. Hätte diese den Abgelehnten nochmals gewählt, hätte der Bundesrat dagegen kein Veto mehr gehabt.
Hiergegen gab es nun Einwände von Theodor Heuss, der später bekanntlich selbst zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde. (Ob er das da schon geahnt hat, weiß ich nicht, aber das Thema hat ihn jedenfalls sehr interessiert. Seine Redebeiträge im Hauptausschuss füllen zu diesem Thema Seiten; sonst war er dort eher still.)
Die Bundesratsmitglieder, argumentierte Heuss, würden in der Bundesversammlung als kleine, nichtgewählte Minderheit dastehen, und eine Ablehnung durch eine getrennte Abstimmung im Bundesrat würde andererseits die Würde der Bundesversammlung verletzen, die ja gerade eine ganz breite Volksvertretung sein sollte.
Bis auf Heuss scheint sich die FDP allerdings für diese Detailfrage nicht besonders interessiert zu haben. In verschiedenen Kompromissen hat sie ihr Abstimmungs-verhalten zur Mitgliedschaft der Vertreter des Bundesrats fast von Lesung zu Lesung geändert.
Zusammengefasst war die Situation also so:
Die FDP wollte eine möglichst breite Wahlbasis für den Bundespräsidenten und deswegen eine Bundesversammlung. Die konservativen Parteien stimmten zwar zu, dass man solch eine breite Basis brauchte, sahen darin aber zu wenig Mitwirkung der Länder als Institutionen. Für die SPD war dieses geringe Gewicht der Länder eher ein zusätzlicher Vorteil.
Über die Einrichtung einer Bundesversammlung war man sich also weitgehend einig; strittig war, ob der Bundesrat in der Bundesversammlung sitzen oder eventuell ein Vetorecht bekommen sollte. Am Ende hat man mehr oder weniger beiläufig auf beides verzichtet. Der Bundespräsident war eben eine der weniger wichtigen Fragen.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Der Autor ist den Lesern von "Zettels kleinem Zimmer" als "gelegentlicher Besucher" bekannt. Titelvignette: Thomas Dehler. Deutsches Bundesarchiv, B 145 Bild-F018867-0013; unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 freigegeben; bearbeitet.