Heute also wird Barack Obama gekrönt. Selten paßte diese Bezeichnung besser auf die Inauguration eines amerikanischen Präsidenten, dieses Wahlmonarchen auf Zeit, als auf Barack Obama, dem das Gewand des Monarchen wie angegossen sitzt.
Über die vorgesehenen Feierlichkeiten und die mit ihnen einhergehenden Probleme in Bezug auf die Sicherheit habe ich vor einem Monat berichtet. Auch darüber, daß Obama, indem er auf den Spuren Abraham Lincolns in Washington Einzug hielt, deutlich macht, in welcher präsidialen Liga er zu spielen gedenkt.
In welcher Liga aber wird George W. Bush in den Augen künftiger Historiker gespielt haben?
Auf den ersten Blick erscheint die Bilanz von acht Jahren Bush verheerend:
Die amerikanische Wirtschaft in ihrer schwersten Krise seit 1929. Ein andauernder Krieg in Afghanistan, ein noch nicht sicher gewonnener Friede im Irak. Im Nahen Osten statt des Friedens, dem Bush seine letzte große außenpolitische Anstrengung gewidmet hat, einmal mehr ein Krieg. Der Iran als dessen Drahtzieher im Hintergrund, weniger denn je bereit, auf seine Atomrüstung zu verzichten. Auf dem indischen Subkontinent eine prekäre Lage, die jederzeit in einen heißen Krieg umschlagen kann.
Das amerikanische Ansehen ist, so heißt es, auf einem Tiefpunkt. Kürzlich rief im Wall Street Journal Elisabeth Wurtzel das Ende des Amerikanischen Zeitalters aus.
Kein Wunder, so erscheint es diesem flüchtigen Blick auf Bushs Hinterlassenschaft, daß die letzten - die im doppelten Sinn letzten - Umfragen zu seiner Popularität ihn ganz weit unten zeigen: Rund zwei Drittel der Befragten sehen seine Leistung negativ ("disapprove"), nur ein Drittel beurteilt sie positiv ("approve"). Daß das etwas besser ist als im letzten Quartal des alten Jahres mit historischen Tiefstwerten (20 Prozent approval, 72 Prozent disapproval in einer CBS-Umfrage Ende Oktober/Anfang November), ist nur ein matter Lichtblick.
Bush ist ja in diesen letzten Monaten fast schon abgetreten; nicht nur eine lame duck, sondern nachgerade eine dead duck. Da wird das Urteil milder. Es weht schon ein Hauch von de mortuis nil nisi bene.
War das eine mißlungene, eine gescheiterte Präsidentschaft? Eine schwierige war es jedenfalls; vermutlich die schwierigste seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe mich oft gefragt, wie dieser Mann das durchhielt: Die Katastrophe des elften September kein Jahr nach seinem Amtsantritt; dann die Kriege, die seine beiden Amtszeiten durchzogen; kaum war der Irak stabilisiert, kündigte sich eine Finanzkrise an, die zu einer schweren Wirtschaftskrise wurde.
Das alles begleitet nicht etwa von der Unterstützung der Medien, sondern von der Häme vieler Kommentatoren; vor allem der meisten Leitmedien in den USA. Begleitet von einem Haß in Teilen der Welt (deprimierenderweise auch in Deutschland), wie er nicht Mao und vermutlich nicht einmal Stalin getroffen hat.
Manchmal wirkte er ein wenig niedergedrückt, dieser George W. Bush, fast ein Hiob. Alles in allem hat er diese acht Jahre aber mit einer bewundernswerten Stärke durchgestanden; mit Gottvertrauen, wird man wohl sagen können.
Er war darin altmodisch, unzeitgemäß. Und er war - das ist die These, die ich jetzt vertreten möchte - überhaupt ein unzeitgemäßer Präsident. Dies in dreierlei Hinsicht:
Erstens war er der wahrscheinlich letzte Präsident, der das alte, konservative Middle America verkörperte. Dasjenige der WASPS, der White Anglo-Saxon Protestants.
Zweitens war er in einer ganz anderen Hinsicht unzeitgemäß dadurch, daß das Konzept, das er von seiner Präsidentschaft gehabt hatte, von der Realität dieser acht Jahre konterkariert wurde.
Und drittens schließlich war er unzeitgemäß in einem wiederum ganz anderen, und hier eigentlich positiven Sinn: Er war seiner Zeit voraus. Er erkannte Notwendigkeiten, denen er meinte begegnen zu müssen, die zu bewältigen aber seine Möglichkeiten, die gegenwärtigen Möglichkeiten seines Landes überschritt.
Der Präsident des Middle America. Seit der Aufbruchzeit der Woodstock Generation findet in den USA so etwas wie ein Kulturkampf statt. Dennis Hoppers Film "Easy Rider" hat ihn schon 1969 ins Bild gesetzt: Das konservative Amerika gegen das Amerika der Jungen, der Aufmüpfigen.
Inzwischen sind es nicht nur die Jungen und Aufmüpfigen, die gegen das konservative Amerika stehen, sondern die diversesten Communities: Von den Schwarzen und den Latinos über die Schwulen und Lesben bis hin zum Universitäts- Milieu, den Umweltschützern, den Yuppies der großen Agglomerationen an der Ost- und an der Westküste; sie alle verbündet mit den Resten der klassischen Linken in den Industriegebieten. Nennen wir es das Multi- Amerika.
Bush vs. Gore: Das war schon 2000 die Konfrontation zwischen diesen beiden Amerikas. Wobei damals Bush das konservative Amerika deutlicher verkörperte, als Gore das Multi- Amerika. 2008 war es umgekehrt: Da war Obama das personifizierte Multi- Amerika; McCain aber nur ein matter Konservativer.
Da hatte sich also schon etwas verschoben. Mit dem Sieg Obamas ist diese Verschiebung offensichtlich geworden: Er gewann dank der Jungen und dank der ethnischen Minderheiten; auch dank der Frauen. Bei weißen Männern hatte McCain einen deutlichen Vorsprung.
Die konservativen weißen Männer, die der Agitator Michael Moore als "dumm" meinte kennzeichnen zu können ("Stupid White Men"), haben eben in den USA nicht nur keine Mehrheit mehr, sondern auch immer weniger ihre angestammte kulturelle Dominanz. Bush hat es 2000 und gegen Kerry 2004 noch einmal knapp geschafft; schon unzeitgemäß. Künftig dürfte ein Republikaner nur noch eine Chance haben, Präsident zu werden, wenn es ihm gelingt, auch Wähler aus dem Multi- Spektrum für sich zu gewinnen.
Bushs Programm und die Realität. Dieser konservative George W. Bush leistete vor acht Jahren, am 20. Januar 2001, seinen Amtseid. Wie er sich seine Präsidentschaft vorstellte, das kann man in seiner damaligen Inauguration Address lesen:
George W. Bush wollte ein Präsident mit innenpolitischem Schwerpunkt sein. Er verstand sich als einen Compassionate Conservative, einen mitfühlenden Konservativen. Im April 2002 hat er diese politische Philosophie in einer offiziellen Erklärung des Weißen Hauses niedergelegt. Wir würden sie vielleicht mit dem Schlagwort "Hilfe zur Selbsthilfe" kennzeichnen. Sie steht dem Prinzip der Subsidiarität nahe, wie es die katholische Sozialllehre vertritt.
Vieles davon hat Bush verwirklicht. Mehr jedenfalls, als unsere Medien vermittelt haben; ich habe das in einer früheren Folge dieser Serie mit Beispielen illustriert. Aber der Schwerpunkt seiner Amtszeit wurde es nicht.
Der Anschlag vom 11. September 2001, diese Kriegserklärung an die USA, änderte alles. Ein innenpolitischer Präsident war unzeitgemäß geworden. Bush mußte, nolens volens, ein außenpolitischer Präsident, ja ein Kriegspräsident werden.
Er hat sich dieser Herausforderung gestellt. Im britischen Daily Telegraph hat kürzlich der Historiker Andrew Roberts in einer Würdigung Bushs darauf hingewiesen, wie außerordentlich erfolgreich er bei dieser Aufgabe war:
Das ist ihm gelungen; und zunächst wußten ihm die Amerikaner Dank. Nach dem Anschlag vom 11. September lag Bushs approval vorübergehend bei 92 Prozent, dem höchsten Wert, den je ein Präsident erreichte, seit unter Franklin D. Roosevelt solche Erhebungen eingeführt wurden.
Diese Zahlen und weitere Einzelheiten können Sie in einer früheren Folge dieser Serie nachlesen; auch, daß Bushs Entscheidung, Saddam Hussein anzugreifen, breite Zustimmung fand. In den Monaten nach Beginn des Kriegs lag diese bei rund 70 Prozent.
Aber der Irak- Krieg war es auch, der Bushs Ansehen in das jetzige tiefe Tal führte. Zu Unrecht. Oder sagen wir: Im historischen Maßstab hatte Bush Recht; aber tagespolitisch scheiterte er.
Demokratisierung als die Herausforderung der Gegenwart. Über die Motive für den Irak- Krieg ist viel geschrieben worden; darunter sehr viel Dummes. Der Gipfel der Dummheit dürfte die ernsthaft vorgetragene Behauptung sein, das Motiv für den Krieg seien Erdöl- Interessen, gar diejenigen der Familien Bush und Cheney gewesen.
Wie die Diskussionen und Entscheidungsprozesse im Weißen Haus im Lauf des Jahres 2002 abgelaufen sind, wird man erst wissen, wenn die Archive geöffnet sind. Bis dahin sollte man das ernst nehmen, was Präsident Bush selbst dazu gesagt hat.
Er hat es sehr deutlich in seiner zweiten Inauguration Address am 20. Januar 2005 gesagt:
Bush hat immer wieder seine Entscheidung für den Irak- Krieg verteidigt. Er hat das, so erscheint es mir wahrscheinlich, deshalb mit solcher Beharrlichkeit und so überzeugt getan, weil dieser Krieg für ihn Ausdruck dieser allgemeinen Strategie war: Sicherheit und Frieden durch die Ausbreitung der Demokratie zu erreichen.
Man kann das natürlich sehr unterschiedlich beurteilen. Aus meiner Sicht ist Bushs Strategie nicht nur richtig, sondern es gibt zu ihr überhaupt keine Alternative. Entweder schafft es der Westen, unsere Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenwürde offensiv zu vertreten, oder diese Werte werden keinen Bestand haben.
Eine andere Frage ist es, ob der Irak sich dazu eignete, diese Strategie jetzt in die Tat umzusetzen.
Bush teilte - auch darauf weist der Historiker Andrew Roberts hin - die Überzeugung, daß Saddam Hussein über WMDs verfügte, mit allen westlichen Geheimdiensten. Sogar in der Führung des Irak selbst herrschte Unsicherheit darüber, ob man diese Waffen hatte oder nicht.
Insofern bestand die Sorge, daß diese Waffen an Terroristen weitergegeben und für einen verheerenden Angriff auf die USA genützt werden könnten, zu Recht. Daß sie sich als unbegründet erwies, rechtfertigt in keiner Weise die Annahme, Bush habe "gelogen".
Als sich herausstellte, daß Saddam sein Nuklearprogramm tatsächlich unterbrochen (nicht eingestellt) hatte, trat naturgemäß dieses Motiv für den Krieg in den Hintergrund, und Bush betonte mehr den Aspekt der Demokratisierung eines Landes im Nahen Osten mit dem Ziel, die ganze Region zu demokratisieren und damit die von ihr ausgehende Bedrohung dauerhaft zu beseitigen.
Das war, wie heute zu erkennen ist, ein gegenwärtig unerreichbares Ziel.
Langfristig könnte es sich aber sehr wohl zeigen, daß Bushs Strategie richtig war und daß auch die Sicherheit Israels auf Dauer nur gewährleistet ist, wenn im Nahen Osten leidlich demokratische Regierungen, so wie jetzt im Irak, an die Macht kommen.
Dann wäre Bush zwar vorerst mit seinen weitgespannten Plänen gescheitert; auf Dauer könnte er sich aber doch als ein weitsichtiger Präsident erweisen.
Noch eine abschließende Bemerkung: Bush wurde und wird von der Mehrzahl unserer Medien auf eine so absurde Weise und so klischeehaft negativ beurteilt, daß ich in diesem Beitrag den Akzent auf das Positive gelegt habe. Auch aus meiner Sicht ist Bush aber Vieles vorzuwerfen; darüber wird vielleicht im "Kleinen Zimmer" diskutiert werden.
Über die vorgesehenen Feierlichkeiten und die mit ihnen einhergehenden Probleme in Bezug auf die Sicherheit habe ich vor einem Monat berichtet. Auch darüber, daß Obama, indem er auf den Spuren Abraham Lincolns in Washington Einzug hielt, deutlich macht, in welcher präsidialen Liga er zu spielen gedenkt.
In welcher Liga aber wird George W. Bush in den Augen künftiger Historiker gespielt haben?
Auf den ersten Blick erscheint die Bilanz von acht Jahren Bush verheerend:
Die amerikanische Wirtschaft in ihrer schwersten Krise seit 1929. Ein andauernder Krieg in Afghanistan, ein noch nicht sicher gewonnener Friede im Irak. Im Nahen Osten statt des Friedens, dem Bush seine letzte große außenpolitische Anstrengung gewidmet hat, einmal mehr ein Krieg. Der Iran als dessen Drahtzieher im Hintergrund, weniger denn je bereit, auf seine Atomrüstung zu verzichten. Auf dem indischen Subkontinent eine prekäre Lage, die jederzeit in einen heißen Krieg umschlagen kann.
Das amerikanische Ansehen ist, so heißt es, auf einem Tiefpunkt. Kürzlich rief im Wall Street Journal Elisabeth Wurtzel das Ende des Amerikanischen Zeitalters aus.
Kein Wunder, so erscheint es diesem flüchtigen Blick auf Bushs Hinterlassenschaft, daß die letzten - die im doppelten Sinn letzten - Umfragen zu seiner Popularität ihn ganz weit unten zeigen: Rund zwei Drittel der Befragten sehen seine Leistung negativ ("disapprove"), nur ein Drittel beurteilt sie positiv ("approve"). Daß das etwas besser ist als im letzten Quartal des alten Jahres mit historischen Tiefstwerten (20 Prozent approval, 72 Prozent disapproval in einer CBS-Umfrage Ende Oktober/Anfang November), ist nur ein matter Lichtblick.
Bush ist ja in diesen letzten Monaten fast schon abgetreten; nicht nur eine lame duck, sondern nachgerade eine dead duck. Da wird das Urteil milder. Es weht schon ein Hauch von de mortuis nil nisi bene.
War das eine mißlungene, eine gescheiterte Präsidentschaft? Eine schwierige war es jedenfalls; vermutlich die schwierigste seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe mich oft gefragt, wie dieser Mann das durchhielt: Die Katastrophe des elften September kein Jahr nach seinem Amtsantritt; dann die Kriege, die seine beiden Amtszeiten durchzogen; kaum war der Irak stabilisiert, kündigte sich eine Finanzkrise an, die zu einer schweren Wirtschaftskrise wurde.
Das alles begleitet nicht etwa von der Unterstützung der Medien, sondern von der Häme vieler Kommentatoren; vor allem der meisten Leitmedien in den USA. Begleitet von einem Haß in Teilen der Welt (deprimierenderweise auch in Deutschland), wie er nicht Mao und vermutlich nicht einmal Stalin getroffen hat.
Manchmal wirkte er ein wenig niedergedrückt, dieser George W. Bush, fast ein Hiob. Alles in allem hat er diese acht Jahre aber mit einer bewundernswerten Stärke durchgestanden; mit Gottvertrauen, wird man wohl sagen können.
Er war darin altmodisch, unzeitgemäß. Und er war - das ist die These, die ich jetzt vertreten möchte - überhaupt ein unzeitgemäßer Präsident. Dies in dreierlei Hinsicht:
Erstens war er der wahrscheinlich letzte Präsident, der das alte, konservative Middle America verkörperte. Dasjenige der WASPS, der White Anglo-Saxon Protestants.
Zweitens war er in einer ganz anderen Hinsicht unzeitgemäß dadurch, daß das Konzept, das er von seiner Präsidentschaft gehabt hatte, von der Realität dieser acht Jahre konterkariert wurde.
Und drittens schließlich war er unzeitgemäß in einem wiederum ganz anderen, und hier eigentlich positiven Sinn: Er war seiner Zeit voraus. Er erkannte Notwendigkeiten, denen er meinte begegnen zu müssen, die zu bewältigen aber seine Möglichkeiten, die gegenwärtigen Möglichkeiten seines Landes überschritt.
Der Präsident des Middle America. Seit der Aufbruchzeit der Woodstock Generation findet in den USA so etwas wie ein Kulturkampf statt. Dennis Hoppers Film "Easy Rider" hat ihn schon 1969 ins Bild gesetzt: Das konservative Amerika gegen das Amerika der Jungen, der Aufmüpfigen.
Inzwischen sind es nicht nur die Jungen und Aufmüpfigen, die gegen das konservative Amerika stehen, sondern die diversesten Communities: Von den Schwarzen und den Latinos über die Schwulen und Lesben bis hin zum Universitäts- Milieu, den Umweltschützern, den Yuppies der großen Agglomerationen an der Ost- und an der Westküste; sie alle verbündet mit den Resten der klassischen Linken in den Industriegebieten. Nennen wir es das Multi- Amerika.
Bush vs. Gore: Das war schon 2000 die Konfrontation zwischen diesen beiden Amerikas. Wobei damals Bush das konservative Amerika deutlicher verkörperte, als Gore das Multi- Amerika. 2008 war es umgekehrt: Da war Obama das personifizierte Multi- Amerika; McCain aber nur ein matter Konservativer.
Da hatte sich also schon etwas verschoben. Mit dem Sieg Obamas ist diese Verschiebung offensichtlich geworden: Er gewann dank der Jungen und dank der ethnischen Minderheiten; auch dank der Frauen. Bei weißen Männern hatte McCain einen deutlichen Vorsprung.
Die konservativen weißen Männer, die der Agitator Michael Moore als "dumm" meinte kennzeichnen zu können ("Stupid White Men"), haben eben in den USA nicht nur keine Mehrheit mehr, sondern auch immer weniger ihre angestammte kulturelle Dominanz. Bush hat es 2000 und gegen Kerry 2004 noch einmal knapp geschafft; schon unzeitgemäß. Künftig dürfte ein Republikaner nur noch eine Chance haben, Präsident zu werden, wenn es ihm gelingt, auch Wähler aus dem Multi- Spektrum für sich zu gewinnen.
Bushs Programm und die Realität. Dieser konservative George W. Bush leistete vor acht Jahren, am 20. Januar 2001, seinen Amtseid. Wie er sich seine Präsidentschaft vorstellte, das kann man in seiner damaligen Inauguration Address lesen:
While many of our citizens prosper, others doubt the promise, even the justice, of our own country. The ambitions of some Americans are limited by failing schools and hidden prejudice and the circumstances of their birth. And sometimes our differences run so deep, it seems we share a continent, but not a country.Nicht wahr, das sind Sätze, die man eher von Obamas heutiger Rede - es wird interessant sein, sie mit denen Bushs 2001 und 2005 zu vergleichen - erwarten würde? Es sind aber Kernsätze des Programms, mit dem George W. Bush im Jahr 2001 antrat. Es war ein zentraler Inhalt seines Wahlkampfs gewesen, und es sollte das zentrale Thema seiner Präsidentschaft werden: Den amerikanischen Traum ein Stück weit der Verwirklichung näher zu bringen, indem die Chancengleichheit aller verbessert wird.
We do not accept this, and we will not allow it. Our unity, our union, is the serious work of leaders and citizens in every generation. And this is my solemn pledge: I will work to build a single nation of justice and opportunity.
Viele unserer Bürger leben im Wohlstand, aber andere zweifeln an dem Versprechen, gar an der Gerechtigkeit ihres eigenen Landes. Das Streben mancher Amerikaner wird begrenzt durch unzulängliche Schulen und verdeckte Vorurteile und die Umstände, in die sie hineingeboren wurden. Und manchmal greifen die Unterschiede zwischen uns so tief, daß es den Anschein hat, wir lebten auf demselben Kontinent, aber nicht im selben Land.
Wir akzeptieren das nicht, und wir werden es nicht dulden. Unsere Einigkeit, unsere Union sind das schwer errungene Werk der Führer und der Bürger jeder Generation. Und dies ist mein feierliches Versprechen: Ich will dafür arbeiten, eine einzige Nation der Gerechtigkeit und der Chance zu schaffen.
George W. Bush wollte ein Präsident mit innenpolitischem Schwerpunkt sein. Er verstand sich als einen Compassionate Conservative, einen mitfühlenden Konservativen. Im April 2002 hat er diese politische Philosophie in einer offiziellen Erklärung des Weißen Hauses niedergelegt. Wir würden sie vielleicht mit dem Schlagwort "Hilfe zur Selbsthilfe" kennzeichnen. Sie steht dem Prinzip der Subsidiarität nahe, wie es die katholische Sozialllehre vertritt.
Vieles davon hat Bush verwirklicht. Mehr jedenfalls, als unsere Medien vermittelt haben; ich habe das in einer früheren Folge dieser Serie mit Beispielen illustriert. Aber der Schwerpunkt seiner Amtszeit wurde es nicht.
Der Anschlag vom 11. September 2001, diese Kriegserklärung an die USA, änderte alles. Ein innenpolitischer Präsident war unzeitgemäß geworden. Bush mußte, nolens volens, ein außenpolitischer Präsident, ja ein Kriegspräsident werden.
Er hat sich dieser Herausforderung gestellt. Im britischen Daily Telegraph hat kürzlich der Historiker Andrew Roberts in einer Würdigung Bushs darauf hingewiesen, wie außerordentlich erfolgreich er bei dieser Aufgabe war:
At the time of 9/11, which will forever rightly be regarded as the defining moment of the presidency, history will look in vain for anyone predicting that the Americans murdered that day would be the very last ones to die at the hands of Islamic fundamentalist terrorists in the US from that day to this.So ist es. So ernst es Bush mit dem Compassionate Conservativism gewesen war, so ernst nahm er nun die Aufgabe, die USA vor dem Terrorismus zu schützen.
Zum Zeitpunkt des 9. September, der immer zu Recht als der Augenblick gesehen werden wird, der diese Präsidentschaft prägte, wird die Geschichte vergeblich nach jemandem suchen, der vorhergesagt hätte, daß die Amerikaner, die an diesem Tag ermordet wurden, die überhaupt letzten sein würde, die von damals bis heute von der Hand islamistischer fundamentalistischer Terroristen in den USA starben.
Das ist ihm gelungen; und zunächst wußten ihm die Amerikaner Dank. Nach dem Anschlag vom 11. September lag Bushs approval vorübergehend bei 92 Prozent, dem höchsten Wert, den je ein Präsident erreichte, seit unter Franklin D. Roosevelt solche Erhebungen eingeführt wurden.
Diese Zahlen und weitere Einzelheiten können Sie in einer früheren Folge dieser Serie nachlesen; auch, daß Bushs Entscheidung, Saddam Hussein anzugreifen, breite Zustimmung fand. In den Monaten nach Beginn des Kriegs lag diese bei rund 70 Prozent.
Aber der Irak- Krieg war es auch, der Bushs Ansehen in das jetzige tiefe Tal führte. Zu Unrecht. Oder sagen wir: Im historischen Maßstab hatte Bush Recht; aber tagespolitisch scheiterte er.
Demokratisierung als die Herausforderung der Gegenwart. Über die Motive für den Irak- Krieg ist viel geschrieben worden; darunter sehr viel Dummes. Der Gipfel der Dummheit dürfte die ernsthaft vorgetragene Behauptung sein, das Motiv für den Krieg seien Erdöl- Interessen, gar diejenigen der Familien Bush und Cheney gewesen.
Wie die Diskussionen und Entscheidungsprozesse im Weißen Haus im Lauf des Jahres 2002 abgelaufen sind, wird man erst wissen, wenn die Archive geöffnet sind. Bis dahin sollte man das ernst nehmen, was Präsident Bush selbst dazu gesagt hat.
Er hat es sehr deutlich in seiner zweiten Inauguration Address am 20. Januar 2005 gesagt:
America's vital interests and our deepest beliefs are now one. From the day of our Founding, we have proclaimed that every man and woman on this earth has rights, and dignity, and matchless value, because they bear the image of the Maker of Heaven and earth. (...)Bushs Grundgedanke in dieser Rede ist ebenso einfach wie schlüssig: Die Bedrohung der USA, wie sie sich in dem Angriff vom 11. September 2001 zeigte, kann dauerhaft nur in dem Maß beendet werden, in dem die Demokratie weltweit Fuß faßt.
So it is the policy of the United States to seek and support the growth of democratic movements and institutions in every nation and culture, with the ultimate goal of ending tyranny in our world. This is not primarily the task of arms, though we will defend ourselves and our friends by force of arms when necessary. (...)
The great objective of ending tyranny is the concentrated work of generations. The difficulty of the task is no excuse for avoiding it. America's influence is not unlimited, but fortunately for the oppressed, America's influence is considerable, and we will use it confidently in freedom's cause.
Die vitalen Interessen Amerikas und unsere tiefsten Überzeugungen fallen jetzt zusammen. Seit den Tagen unserer Gründung haben wir proklamiert, daß jeder Mann und jede Frau auf dieser Erde Rechte, Würde und einen einmaligen Wert haben, weil sie das Ebenbild des Schöpfers der Himmel und der Erde tragen. (...)
Demgemäß ist es die Politik der Vereinigten Staaten, das Wachsen demokratischer Bewegungen und Institutionen in jeder Nation und Kultur zu anzustreben und zu unterstützen. Das Endziel ist es, die Tyrannis in unserer Welt zu beenden. Das ist nicht in erster Linie die Aufgabe der Waffen; jedoch werden wir uns und unsere Freunde mit der Gewalt der Waffen verteidigen, wenn das erforderlich ist. (...)
Das große Ziel, die Tyrannis zu beenden, ist das vereinte Werk von Generationen. Die Schwierigkeit der Aufgabe ist keine Entschuldigung, ihr auszuweichen. Der Einfluß Amerikas ist nicht unbegrenzt, aber zum Glück für die Unterdrückten ist der Einfluß Amerikas beachtlich, und wir werden ihn mit Zuversicht für die Sache der Freiheit einsetzen.
Bush hat immer wieder seine Entscheidung für den Irak- Krieg verteidigt. Er hat das, so erscheint es mir wahrscheinlich, deshalb mit solcher Beharrlichkeit und so überzeugt getan, weil dieser Krieg für ihn Ausdruck dieser allgemeinen Strategie war: Sicherheit und Frieden durch die Ausbreitung der Demokratie zu erreichen.
Man kann das natürlich sehr unterschiedlich beurteilen. Aus meiner Sicht ist Bushs Strategie nicht nur richtig, sondern es gibt zu ihr überhaupt keine Alternative. Entweder schafft es der Westen, unsere Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenwürde offensiv zu vertreten, oder diese Werte werden keinen Bestand haben.
Eine andere Frage ist es, ob der Irak sich dazu eignete, diese Strategie jetzt in die Tat umzusetzen.
Bush teilte - auch darauf weist der Historiker Andrew Roberts hin - die Überzeugung, daß Saddam Hussein über WMDs verfügte, mit allen westlichen Geheimdiensten. Sogar in der Führung des Irak selbst herrschte Unsicherheit darüber, ob man diese Waffen hatte oder nicht.
Insofern bestand die Sorge, daß diese Waffen an Terroristen weitergegeben und für einen verheerenden Angriff auf die USA genützt werden könnten, zu Recht. Daß sie sich als unbegründet erwies, rechtfertigt in keiner Weise die Annahme, Bush habe "gelogen".
Als sich herausstellte, daß Saddam sein Nuklearprogramm tatsächlich unterbrochen (nicht eingestellt) hatte, trat naturgemäß dieses Motiv für den Krieg in den Hintergrund, und Bush betonte mehr den Aspekt der Demokratisierung eines Landes im Nahen Osten mit dem Ziel, die ganze Region zu demokratisieren und damit die von ihr ausgehende Bedrohung dauerhaft zu beseitigen.
Das war, wie heute zu erkennen ist, ein gegenwärtig unerreichbares Ziel.
Langfristig könnte es sich aber sehr wohl zeigen, daß Bushs Strategie richtig war und daß auch die Sicherheit Israels auf Dauer nur gewährleistet ist, wenn im Nahen Osten leidlich demokratische Regierungen, so wie jetzt im Irak, an die Macht kommen.
Dann wäre Bush zwar vorerst mit seinen weitgespannten Plänen gescheitert; auf Dauer könnte er sich aber doch als ein weitsichtiger Präsident erweisen.
Noch eine abschließende Bemerkung: Bush wurde und wird von der Mehrzahl unserer Medien auf eine so absurde Weise und so klischeehaft negativ beurteilt, daß ich in diesem Beitrag den Akzent auf das Positive gelegt habe. Auch aus meiner Sicht ist Bush aber Vieles vorzuwerfen; darüber wird vielleicht im "Kleinen Zimmer" diskutiert werden.
Mit Dank an Gorgasal. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Für Kommentare bitte hier klicken.