16. Oktober 2007

Marginalie: Drei snapshots aus Frankreich

Hier ist viel Kritisches zu Frankreich geschrieben worden; Kritik freilich auf der Grundlage einer großen Sympathie für das Land, seine Menschen, seine Kultur. Die Serie "Gedanken zu Frankreich" hat mittlerweile ihre achtzehnte Folge erreicht. (Links zu allen bisherigen Folgen findet man hier). Der jetzige kleine Beitrag ist nicht eigentlich eine Fortsetzung dieser Serie. Ohne analytischen oder auch nur Informations- Anspruch. Nur ein paar subjektive Anmerkungen. Das, wofür man eben noch Zeit hat, wenn nach der Rückkehr aus dem Urlaub erst einmal allerlei zu Erledigendes ansteht.



Wenn einer eine Reise tut, dann kann er, erzählend, auf neue Bilder in seinem Kopf zurückgreifen. Oft sind es ja gar keine wirklichen Neuigkeiten, die er zu vermelden hat. Aber das, was er abstrakt schon gewußt hatte, das hat sich auf der Reise mit Bildern illustriert. Oder zu vorhandenen Bildern sind neue getreten. Arno Schmidt hat solche Stücke der Erinnerung snapshots genannt.

Hier drei solche szenische Schnappschüsse aus dem Urlaub.



Spätabends in einem Café Bar; der französischen Variante der deutschen Eckkneipe. Im Hintergrund läuft das TV mit Rugby. Ich unterhalte mich beim Bier am Tresen. Da man nahe Sète ist, erwähne ich Valéry. Und was macht der Wirt darauf? Er beginnt den "Cimetière Marin" zu rezitieren. Nach zwei Zeilen übernehme ich, und wir wechseln uns dann zeilenweise ab beim Aufsagen. Dann reden wir über Rilkes Übersetzung von Valéry. Über Baudelaires Gedicht an das Meer: "Homme libre, toujours tu chériras la mer ...".

Gewiß, auch in Deutschland kann man vielleicht auf einen Kneipenwirt treffen, der Rilke oder Benn zitieren kann. In Frankreich habe ich aber immer wieder derartige Erfahrungen gemacht: Wie außerordentlich gebildet und vor allem an Bildung interessiert viele Franzosen sind, gemessen an deutschen Standards.



In der Ferienanlage waren ab Anfang Oktober alle Zeitschriftenläden geschlossen. In den Bäckereien gab es aber noch das Lokalblatt zu kaufen, den "Midi Libre". Ich erwähnte der Bäckerin gegenüber, daß ich eigentlich lieber "Le Monde" lesen würde. Darauf fragte sie, wie lange ich denn noch dasein würde. Solange würde sie mir gern täglich "Le Monde" mitbringen.

Auch dergleichen kann man vielleicht in einer deutschen Bäckerei erleben. In Frankreich ist die Freundlichkeit der petits commerçants, der kleinen Krämer, aber die Regel. Gewiß kann man vermuten, daß das zum Geschäft gehört. Aber wie auch immer - die freundliche Begrüßung und Bedienung, der kleine Schnack, während man einkauft, die nette Atmosphäre machen selbst das Kaufen einer Baguette zu einem angenehmen Erlebnis.



Der dritte snapshot ist ebenso kurz wie schön: Abendessen auf der Terrasse direkt am Meer, bei untergehender Sonne. Ein kleines Restaurant, aber kein Gericht ist ohne Rafinesse. Und vor allem (aus meiner subjektiven Sicht): Es gibt vorzügliche Austern. An manchen Abenden habe ich statt eines Menüs nur ein Dutzend Austern gegessen und danach ein schönes Dessert.

Ein Dutzend vorzügliche, große, frische Bouzigues für 12,20 Euro. Serviert in einem Feriengebiet, auf einer Terrasse am Meer. Nicht nur daß es überhaupt fast überall Austern gibt, sondern auch ihr vernünftiger Preis - warum geht das nicht auch in Deutschland?



Ja, so war das. Der Leser verzeihe mir die kleine Plauderei.

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