"Es gab nur eine Hetzjagd", so tönt es allerorten in der konservativ-patriotisch-nationalen (Auf sich selbst nicht zutreffen wollendes bitte streichen) Filterbubble. Natürlich nicht vom "Hasen" gegen den "Kanacken", sondern von der Volksvernichterin Merkel im Verbund mit der Lügenpresse gegen Hans-Georg Maaßen. Ich spare mir einzelne Zitate und setze den Spin als bekannt voraus.
Der geschätzte Kollege Techniknörgler hat an dieser Stelle geschrieben, dass Merkel "inhaltlich" gewonnen habe, weil die Mehrheit der Bevölkerung Maaßen für untragbar hält. Nun war es Merkel ja offenkundig egal, ob Maaßen im Amt bleibt, und wenn ja, in welchem - Merkel handelt primär danach, was sie im Amt hält, und da wäre ein Rücktritt Seehofers gefährlicher geworden. Wenn nicht die SPD seinen Kopf gefordert hätte, würde er noch heute als Verfassungsschutzpräsident herumdilettieren - zumindest für ein paar Wochen. Und nach dieser kurzen Einleitung komme ich zum eigentlichen Thema. Auch wenn die jetzige Begründung an den Haaren herbeigezogen ist und mehr über die Entscheidenden aussagt als über den, über dessen Amt entschieden wurde - Maaßen war aus meiner Sicht tatsächlich entlassungsreif. Aber nicht wegen diesem unsäglichen Hype um das Zeckenbissvideo, sondern wegen seines Verhaltens rund um den Anschlag am Breitscheidplatz.
Der Anschlag ist ein Fall, wo man auch mit einer etwas strengeren Definition als "die Tat ist seit 2015 passiert und der Täter gehört dem Islam an" getrost von Staatsversagen sprechen kann. Die Berliner Zeitung (ja, ausgerechnet das ehemalige SED-Monopolblatt) hat verdienstvollerweise das ganze Ausmaß an Wegschauen, Fehleinschätzung und Kommunikationspannen hinsichtlich der Überwachung des seit langem dem islamistischen Terrorismus zugerechneten Täter Anis Amri dokumentiert, entgegen der landläufigen und vom geschätzten Llarian in einem Forumspost formulierten Ansicht:
Zumal die Berliner Republik den Namen Amri schlicht nicht lesen mag. Diskussionen über Terrorismus entsprechen auch nicht dem Narrativ. Und das Narrativ ist das Amri ein einsamer Irrer war, von dem unsere Behörden nix wissen konnten und sowas mehr eine Art Unfall ist, gegen den niemand etwas tun konnte.
Interessanterweise kommt man hier nach einiger Recherche zu einem völlig gegenteiligen Bild. Nämlich zu dem, dass zum einen die Medien ziemlich alles dokumentiert haben, was da behördenseitig schiefgelaufen ist sowie welche umfangreichen islamistischen Kontakte Amri hatte, und zum anderen die Oppositionsarbeit tatsächlich funktioniert hat. Die Parlamentarische Anfrage im Januar 2017, deren Frage 5f den Stein ins Rollen gebracht hat, der Maaßen nächsten Donnerstag ohnehin auf die Füße gefallen wäre, kam beispielsweise von den Grünen.
Dort antwortete die Bundesregierung, "dass das BfV 'im Umfeld des Amri' keine V-Leute eingesetzt habe". Nun könnte es ja auch sein, dass das BfV seinen Dienstherrn (damals noch de Maizière) belogen hat. Allerdings hat es dem vom Berliner Senat (der hier eine merkwürdige Doppelrolle spielt) eingesetzten Sonderermittler Bruno Jost am 17.5.2017 mitgeteilt, es habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu AMRI besessen und auch keine eigene Informationsbeschaffung zu AMRI betrieben." Mittlerweile ist durch einen Aktenvermerk belegt, dass Maaßen den Berliner Innensenator Geisel (SPD) bereits im März 2017 überreden konnte, die Beteiligung des BfV geheim zu halten. Schon merkwürdig: Der Innensenator beauftragt einen ehemaligen Bundesanwalt als Sonderermittler, in dessen Bericht eine Lüge des BfV steht, und der verantwortliche Innensenator, der weiß, dass es eine Lüge ist, hält dicht und bestreitet das bis heute.
Springen wir ein Dreivierteljahr weiter: am 01.03.2018 setzt der jetzt neugewählte Bundestag ebenfalls erstmals einen U-Ausschuss ein. Dieser nimmt seine Arbeit auf und bekommt Schützenhilfe von der WELT, die in einem Scoop rausfindet, dass das BfV doch einen V-Mann in Amris Moschee platziert hatte. Daraufhin verstärken Grüne, FDP und Linke im Ausschuss den Druck, während das Innenministerium (jetzt unter Seehofer) mauert: "Das Bundesinnenministerium verteidigt derweil die Antwort auf die Grünen-Anfrage vom Januar des vergangenen Jahres, wonach es keine V-Leute im Umfeld des späteren Attentäters vom Breitscheidplatz gegeben haben soll. Dem Vernehmen nach hält man an dieser Aussage fest, da tatsächlich kein V-Mann direkt auf den Tunesier angesetzt worden war."
Wiederum FDP, Linke und Grüne klagten dann beim BGH auf Einsicht in die Akten des BfV. Dieser Klage wurde am 30.08.2018 stattgegeben. Spätestens jetzt war klar, dass eine Nichtbeteiligung des BfV nicht mehr zu halten war. Maaßen war fällig, und Seehofer, der ihm nicht nur später in der Causa Hasevideo, sondern auch zuvor bei der Nichtbeteiligung des BfV den Rücken gestärkt hatte, sah auch nicht gut aus. Die kolportierte Seehofer-Aussage "Wenn Maaßen fällt, falle ich auch" erscheint hier in einem ganz anderen Licht.
Es fällt mir an diesem Punkt ziemlich schwer, nicht rundheraus in eine "House of Cards"-artige Spekulation zu verfallen, aber es würde so wunderschön passen: Noch bevor die Zeugin Lia Freimuth am 13.09. in ihrer Befragung vor dem U-Ausschuss die Vorwürfe bekräftigen kann, zündet Maaßen am 07.09. in der Bildzeitung eine gigantische Nebelkerze. Und plötzlich spricht kein Mensch mehr davon, dass Maaßen und seine Behörde die Parlamente im Land Berlin und im Bund belogen hatten und er ist - egal ob als Staatssekretär oder Sonderberater - gemeinsam mit seinem Chef Seehofer erstmal aus der Schusslinie. Was ein Coup!
Selbst wenn meine schöne Spekulation wahrscheinlich nicht stimmt (obwohl sich eigentlich alle Akteure - inklusive Kanzlerin, der auch nicht mehr daran gelegen sein kann, Maaßen aufgrund der Amri-Affäre zu verlieren, weil sie im Gegensatz zu Seehofer damals schon im Amt war - sich erwartungsgemäß verhalten haben, was ein Schlapphut, der sein Geld wert ist, durchaus antizipieren könnte), birgt die Sache einige Treppenwitze - vor allem in Bezug auf die einzige Opposition im Bundestag (TM):
Nicht nur, dass die AfD mit Maaßen einen der Protagonisten des Staatsversagens und dessen Vertuschens nun auf den Schild hebt und als Blutzeugen hochleben lässt: es ist auch auffällig, dass sämtliche Aufklärungsarbeit im U-Ausschuss nur von den Systemparteien ausging. Obwohl doch die Obfrau der AfD sonst sogar die Sonne verklagen will, weil sie zu viel scheint, hat die AfD sich an der Klage vorm BGH nicht beteiligt; auch sonst hat man von ihr aus dem Ausschuss seit seiner Einsetzung nie wieder was gehört. Müsste die AfD, die auch hier im kleinen Zimmer unverständlich häufig für ihre "konstruktive Parlamentsarbeit" gelobt wird, als Regierungskontrolle nicht allen voran Maaßens Kopf fordern? Wenn es ihr tatsächlich um Aufklärung ginge, wäre das wohl so. Aber neben der Tatsache, dass es immer nützlich ist, einen Gesinnungsgenossen im Verfassungsschutz zu haben ist das ganze auch für die AfD optimal gelaufen.
Llarian hat in seinem Post von Narrativen gesprochen, und davon, dass das Narrativ des Terrorismus in der Merkelrepublik keiner hören will. Das mag ja grundsätzlich sein (obwohl es für den Fall Amri nicht stimmt) aber ich vermute, in der Storchenrepublik genausowenig. Das Narrativ der AfD ist nicht der organisierte, klug planende, über Geldgeber im Ausland verfügende Terrorist, von denen selbst bei vorsichtiger Schätzung nur ein paar Tausend im Land sind, weshalb sein Angstpotenzial irgendwo an die gläserne Decke der Wahrscheinlichkeit stößt. Das Narrativ der AfD ist mittlerweile der sozialschmarotzende analphabetische Messermigrant. Zu dem kann man nämlich einfach jeden ernennen, ich glaube, mittlerweile muss er nicht mal mehr dem Islam angehören oder nach 2015 eingereist sein.
Und natürlich ist das Narrativ der AfD die Merkeldiktatur. Und da passt es natürlich viel besser, wenn ein Verfassungsschutzchef, auch wenn er nach ganz normalen Kriterien wirklich nicht für sein Amt geeignet ist, entlassen wird, weil er "der heiligen Kanzlerin offen widersprochen hat" - wahlweise auch, um ihn durch einen linientreuen Genossen zu ersetzen, um die AfD zu beobachten. Die linientreue Gegenöffentlichkeit sekundiert und spielt die Vorwürfe herunter, ja macht sie sogar zum Teil der Hetzkampagne:
Und so weint man bei Storchens & Co ein paar Krokodilstränen (hat man ja fleißig geübt in den letzten Wochen) und lacht sich sauber ins Fäustchen. Vor allem über die nützlichen Idioten aus der SPD und den Medien, die in ihrem sich gegenseitig übertreffenden Haltungswahn genau diese Strategie bedient haben.
Dort antwortete die Bundesregierung, "dass das BfV 'im Umfeld des Amri' keine V-Leute eingesetzt habe". Nun könnte es ja auch sein, dass das BfV seinen Dienstherrn (damals noch de Maizière) belogen hat. Allerdings hat es dem vom Berliner Senat (der hier eine merkwürdige Doppelrolle spielt) eingesetzten Sonderermittler Bruno Jost am 17.5.2017 mitgeteilt, es habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu AMRI besessen und auch keine eigene Informationsbeschaffung zu AMRI betrieben." Mittlerweile ist durch einen Aktenvermerk belegt, dass Maaßen den Berliner Innensenator Geisel (SPD) bereits im März 2017 überreden konnte, die Beteiligung des BfV geheim zu halten. Schon merkwürdig: Der Innensenator beauftragt einen ehemaligen Bundesanwalt als Sonderermittler, in dessen Bericht eine Lüge des BfV steht, und der verantwortliche Innensenator, der weiß, dass es eine Lüge ist, hält dicht und bestreitet das bis heute.
Springen wir ein Dreivierteljahr weiter: am 01.03.2018 setzt der jetzt neugewählte Bundestag ebenfalls erstmals einen U-Ausschuss ein. Dieser nimmt seine Arbeit auf und bekommt Schützenhilfe von der WELT, die in einem Scoop rausfindet, dass das BfV doch einen V-Mann in Amris Moschee platziert hatte. Daraufhin verstärken Grüne, FDP und Linke im Ausschuss den Druck, während das Innenministerium (jetzt unter Seehofer) mauert: "Das Bundesinnenministerium verteidigt derweil die Antwort auf die Grünen-Anfrage vom Januar des vergangenen Jahres, wonach es keine V-Leute im Umfeld des späteren Attentäters vom Breitscheidplatz gegeben haben soll. Dem Vernehmen nach hält man an dieser Aussage fest, da tatsächlich kein V-Mann direkt auf den Tunesier angesetzt worden war."
Wiederum FDP, Linke und Grüne klagten dann beim BGH auf Einsicht in die Akten des BfV. Dieser Klage wurde am 30.08.2018 stattgegeben. Spätestens jetzt war klar, dass eine Nichtbeteiligung des BfV nicht mehr zu halten war. Maaßen war fällig, und Seehofer, der ihm nicht nur später in der Causa Hasevideo, sondern auch zuvor bei der Nichtbeteiligung des BfV den Rücken gestärkt hatte, sah auch nicht gut aus. Die kolportierte Seehofer-Aussage "Wenn Maaßen fällt, falle ich auch" erscheint hier in einem ganz anderen Licht.
Es fällt mir an diesem Punkt ziemlich schwer, nicht rundheraus in eine "House of Cards"-artige Spekulation zu verfallen, aber es würde so wunderschön passen: Noch bevor die Zeugin Lia Freimuth am 13.09. in ihrer Befragung vor dem U-Ausschuss die Vorwürfe bekräftigen kann, zündet Maaßen am 07.09. in der Bildzeitung eine gigantische Nebelkerze. Und plötzlich spricht kein Mensch mehr davon, dass Maaßen und seine Behörde die Parlamente im Land Berlin und im Bund belogen hatten und er ist - egal ob als Staatssekretär oder Sonderberater - gemeinsam mit seinem Chef Seehofer erstmal aus der Schusslinie. Was ein Coup!
Selbst wenn meine schöne Spekulation wahrscheinlich nicht stimmt (obwohl sich eigentlich alle Akteure - inklusive Kanzlerin, der auch nicht mehr daran gelegen sein kann, Maaßen aufgrund der Amri-Affäre zu verlieren, weil sie im Gegensatz zu Seehofer damals schon im Amt war - sich erwartungsgemäß verhalten haben, was ein Schlapphut, der sein Geld wert ist, durchaus antizipieren könnte), birgt die Sache einige Treppenwitze - vor allem in Bezug auf die einzige Opposition im Bundestag (TM):
Nicht nur, dass die AfD mit Maaßen einen der Protagonisten des Staatsversagens und dessen Vertuschens nun auf den Schild hebt und als Blutzeugen hochleben lässt: es ist auch auffällig, dass sämtliche Aufklärungsarbeit im U-Ausschuss nur von den Systemparteien ausging. Obwohl doch die Obfrau der AfD sonst sogar die Sonne verklagen will, weil sie zu viel scheint, hat die AfD sich an der Klage vorm BGH nicht beteiligt; auch sonst hat man von ihr aus dem Ausschuss seit seiner Einsetzung nie wieder was gehört. Müsste die AfD, die auch hier im kleinen Zimmer unverständlich häufig für ihre "konstruktive Parlamentsarbeit" gelobt wird, als Regierungskontrolle nicht allen voran Maaßens Kopf fordern? Wenn es ihr tatsächlich um Aufklärung ginge, wäre das wohl so. Aber neben der Tatsache, dass es immer nützlich ist, einen Gesinnungsgenossen im Verfassungsschutz zu haben ist das ganze auch für die AfD optimal gelaufen.
Llarian hat in seinem Post von Narrativen gesprochen, und davon, dass das Narrativ des Terrorismus in der Merkelrepublik keiner hören will. Das mag ja grundsätzlich sein (obwohl es für den Fall Amri nicht stimmt) aber ich vermute, in der Storchenrepublik genausowenig. Das Narrativ der AfD ist nicht der organisierte, klug planende, über Geldgeber im Ausland verfügende Terrorist, von denen selbst bei vorsichtiger Schätzung nur ein paar Tausend im Land sind, weshalb sein Angstpotenzial irgendwo an die gläserne Decke der Wahrscheinlichkeit stößt. Das Narrativ der AfD ist mittlerweile der sozialschmarotzende analphabetische Messermigrant. Zu dem kann man nämlich einfach jeden ernennen, ich glaube, mittlerweile muss er nicht mal mehr dem Islam angehören oder nach 2015 eingereist sein.
Und natürlich ist das Narrativ der AfD die Merkeldiktatur. Und da passt es natürlich viel besser, wenn ein Verfassungsschutzchef, auch wenn er nach ganz normalen Kriterien wirklich nicht für sein Amt geeignet ist, entlassen wird, weil er "der heiligen Kanzlerin offen widersprochen hat" - wahlweise auch, um ihn durch einen linientreuen Genossen zu ersetzen, um die AfD zu beobachten. Die linientreue Gegenöffentlichkeit sekundiert und spielt die Vorwürfe herunter, ja macht sie sogar zum Teil der Hetzkampagne:
Ein interessantes Detail beleuchtet die Kampagne gegen Maaßen: Am 30. August erschien in der „Süddeutschen“ ein Artikel mit der reißerischen Überschrift „Maaßen tritt die Verfassung mit Füßen“. Das war noch vor der Äußerung des Verfassungsschützers zu dem Chemnitz-Video. Die Substanz des Vorwurfs war denkbar dünn: Er habe in einer Anhörung des Bundestages die Existenz einer Verfassungsschutz-Quelle im „Umfeld“ des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri „verschwiegen“. Bei der Quelle handelte es sich allerdings um keine Figur aus dem terroristischen Netzwerk um Amri, sondern um einen Informanten aus der salafistischen Moschee in Berlin, in der auch Amri ab und zu aufkreuzte. Über Amri hatte die Quelle nichts Substanzielles geliefert. Die Aktion gegen Maaßen lief also schon längst, bevor er die vier Sätze zur Bildzeitung sagte, die dann als merkel- und medienfeindlich gebrandmarkt wurden. Der Feldzug gegen den Behördenleiter speziell von der SPD wäre auch kaum denkbar ohne eine heimliche Ermutigung aus dem Kanzleramt.An dieser Beschreibung stimmt ungefähr gar nix. Das Thema war spätestens seit der WELT-Entdeckung im Mai hochbrisant. Auch wurde es von der Süddeutschen nicht erfunden, sondern war Thema in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und es bedurfte einer Klage vor dem BGH, um es weiterzuverfolgen. Das weiß Alexander Wendt als Nichtmesseranalphabet natürlich selber auch. Aber die Klientel will halt bedient werden, denn was rauskommt, wenn man es nicht tut, musste Thilo Schneider kürzlich auf Achgut erleben.
Und so weint man bei Storchens & Co ein paar Krokodilstränen (hat man ja fleißig geübt in den letzten Wochen) und lacht sich sauber ins Fäustchen. Vor allem über die nützlichen Idioten aus der SPD und den Medien, die in ihrem sich gegenseitig übertreffenden Haltungswahn genau diese Strategie bedient haben.
*Meister Petz*
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