2. Juli 2016

Mal wieder zur Dummheit. Und zum Brexit.

Vor gut 3 Jahren habe ich in Zettels Raum einen Gastbeitrag zum Recht auf Dummheit veröffentlicht (einer meiner besseren Artikel). Aufhänger ist zwar die damalige Gesetzesvorlage zu Schockbildern auf Zigarettenpackungen (auch eine EU Idee) gewesen, aber der zentrale Inhalt beschäftigte sich mit der Idee, dass man sehr vorsichtig damit sein sollte, anderer Verhalten als dumm oder klug zu bezeichnen und noch vorsichtiger Andere an der vermeintlichen Dummheit hindern zu wollen. Und ich kann mich auch erinnern, dass dieser These ziemlich breitflächig zugestimmt worden ist.
Umso erstaunlicher ist es (zumindest in meiner Wahrnehmung), wie selbstverständlich, auch im kleinen Zimmer, das Mantra gehämmert wird, der Brexit sei unvernünftig und eine verantwortungsvolle Regierung sei gut beraten auf die eine oder andere Art den Brexit entweder nicht durchzuführen oder zumindest so lange zu verzögern, bis man noch die eine oder andere Abstimmung ansetzen könne, um die Entscheidung zu revidieren.

Ich halte sowohl Argumentation wie auch Handlungsidee in dieser Form für extrem bedenklich. Die Handlungsidee vor allem aus dem Hinblick darauf, dass es sich dabei um eine eher demokratieverachtende Argumentation (siehe hier) handelt, bei der eine besser dafür geeignete Elite (in diesem Fall das Parlament) die Entscheidung für das Volk tragen soll, dass einfach die Unvernunft nicht erkennen kann. Wenn man derart elitär argumentiert, dann müsste man eigentlich sämtliche Wahlen in Frage stellen, denn im Unterschied zum Brexit würde ich vermuten, dass die allermeisten Wähler, beispielsweise bei einer Bundestagswahl, deutlich schlechter über die akuten politischen Zwänge informiert sind. Sieht man sich Kampagnen mancher Parteien an ("wenigstens die Zweitstimme für die xyz"), dann muss man den Eindruck bekommen, dass einige Parteien ihre Wähler nicht nur für dämlich halten, sondern auch keine Skrupel haben genau dieses Manko auszunutzen. Wenn der Bürger aber zu dumm ist eine Entscheidung wie den Brexit zu treffen, dann ist er auch nicht geeignet kompetente Repräsentanten zu wählen. Dann müsste man die Demokratie eigentlich konsequent einstampfen.
Aber auch die Argumentation über die vermeintliche Vernunft halte ich für nicht minder schlecht. Oftmals wird betont wie unvernünftig der Austritt ist. Dazu kann man eigentlich nur sagen: Sagt wer ? Die Vernunft liegt, und da bin ich bei dem Verweis auf meinen alten Artikel, im Auge des Betrachters. Menschen tun eine Menge Dinge, die in den Augen ihrer Mitmenschen richtig dumm sind. Und sie haben nicht nur die Freiheit das zu tun, sie legen auch wert darauf, diese Freiheit wahr zu nehmen. Die selbe Freiheit wie die, eine Zigarette anzuzünden, ist eben auch die Freiheit aus der EU auszutreten. Ist es deswegen weniger dumm ? Das hängt rein von der Betrachtungsweise ab. Wirtschaftlich wird der Austritt sicher massive Folgen für das vereinigten Königreich haben. Und vermutlich nicht im Positiven. Umgekehrt ist es aber ebenso denkbar, dass die restliche EU, durch ihren massenhaften Zuzug von schlecht qualifizierten Neubürgern, massive soziale Probleme im Inneren erzeugt, die die Briten eben nicht haben. Wer kann sagen, was am Ende mehr wiegt ? Heute sicher niemand. Es wird gerne darauf hingewiesen (zurecht), dass Großbritannien sich in den letzten Jahren massiv deindustrialisiert hat und deshalb jetzt sehr schwach alleine da steht. Das stimmt. Aber wäre das in der EU automatisch besser ? Haben Sie sich mal die Wachstumsprognosen der EU angesehen, lieber Leser ? Oder mal überlegt was es bedeuten wird, wenn Leute wie Draghi ihre Staatsfinanzierung per Notenpresse jahrelang etablieren ? Wenn die deutsche Wirtschaft (mit das Rückrat der EU) immer mehr unter dem deutlich schneller wachsenden Sozialstaat ächzt ? Die Deindustrialisierung ist auch der EU nicht fremd. Und auch hier wird man irgendwann merken, dass man nicht davon leben kann, sich gegenseitig die Haare zu schneiden. 
Vorraussagen was die Zukunft betrifft waren schon immer sehr schwierig. Und dennoch meint nahezu jeder "Brexit-Gegner" den Briten heute erklären zu müssen wie unvernünftig der Austritt ist.
Ich halte den Brexit aus meiner Sicht auch nicht für so clever. Aber ich würde es nicht ausschliessen, dass irgendwann die anderen lachen. Und selbst wenn es dumm wäre, würde ich immernoch wert darauf legen, dass meiner vorgeblichen Repräsentanten meinen dummen Willen respektieren, statt für mich zu entscheiden, was für mich vernünftig sein soll. Eigentlich Selbstverständlichkeiten. Eigentlich.


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Llarian

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