25. Juli 2016

Die Schutzlosigkeit

Ebenso wie das Ritual der Sprechblasen, dass nach jedem mehr oder minder erfolgreichen Anschlag im Bätterwalt aufgeführt wird, gibt es auch ein Ritual, dass sich unweigerlich nach jedem Anschlag oder Verbrechen durch die deutschen Talkshows zieht: Die Frage danach, wie man das "in Zukunft" verhindern kann.


Dieser Autor hatte das fragwürdige Vergnügen in einem Anfall von Langeweile in die letzte Talkshow von "Maischberger" im Archiv des ÖR reinzuschauen (aus dem Hintergrund doch mal zu sehen, wie Frau Künast ihren berüchtigten Tweet wohl aus nüchternen Perspektive zu entschuldigen such, dazu ein anderes mal mehr). Wie (leider) bei solchen Auftritten zu erwarten, waren vor allem die beiden Politiker (Bosbach und Künast) mit ihrer politischen Agenda beschäftigt, aber unterm Strich mussten auch sie sich irgendetwas überlegen, wie sie mit oben besagter Frage umgehen. Während Frau Künast mit Leeraussagen bezüglich dessen glänzte, dass man Polizeiarbeit im Rahmen des "neuen Phänomens" neu denken müsse (wie auch immer das aussehen mag bleibt das selbe Geheimnis wie eine grüne Gesellschaft wohl aussehen würde), versuchten sich andere Gäste vor allem darin, dass die Arbeit der Geheimdienste hier helfen müsse. Man müsse "Gefährder" viel früher erkennen und etwas dagegen tun.
Nun, das klingt natürlich wunderschön. So lange man nicht nachfragt, wie das in der Praxis ausschauen mag. Denn, auch wenns bei Maischberger und ihren Gästen (ebenso wie bei der Bundesregierung) nicht angekommen ist: Es ist nicht verboten ein radikaler, gewaltbereiter Vollidiot zu sein. Es ist nicht verboten die deutsche Konsensgesellschaft zu verachten, es ist nicht verboten sich mit dem Grundgesetz den Allerwertesten abzuputzen und es ist auch nicht verboten sich ein Chemiebuch zu kaufen und mal nachzulesen wie man etwas in die Luft sprengt. Es ist ebensowenig verboten sich eine Axt (oder auch zehn) im nächsten Baumarkt zu kaufen, es ist nicht verboten sich einen LKW zu mieten und es ist auch nicht verboten sich Kaliumpermanganat, Wasserstoffsuperoxid oder Nagellackentferner zu kaufen. Wir leben in einer für potentielle Terroristen erstaunlich freien Gesellschaft in der sehr vieles nicht verboten ist.
Was verboten ist, ist das Zusammenschrauben der Bombe, die Einfahrt mit dem LKW in die Einkaufsstraße, das Auspacken der Axt in der Öffentlichkeit, aber ob an dieser Stelle noch viel gerettet werden kann, darf zurecht bezweifelt werden.
Was also hilft gegen solche Anschläge ? Bei der Antwort erlaube ich mir auf einen der großen Vordenker und Intellektuellen unserer Zeit, Dark Helmet, zu verweisen: "Genau genommen gar nichts."
Der Fehler liegt bereits in der Vorannahme. Nämlich dass ein Polizei- oder Geheimdienstkörper in der Lage ist Anschläge effektiv und immer zu verhindern, wenn er nur effektiv genug ist. 1939 existierte auf deutschem Boden einer der effektivsten und brutalsten Polizeistaaten der Welt. Und dennoch war es nur purer Zufall, dass der Anschlag vom 8.11.39, durchgeführt durch einen mutigen Einzeltäter (Georg Elser), Adolf Hitler nicht getötet hat. Auch der amerikanische Geheimdienst konnte nicht verhindern, dass ein kleiner Einzeltäter 1963 Kennedy in Dallas erschoss. Wenn ein solcher Anschlag schon auf einen Präsidenten oder "Führer" nicht verhindert werden kann, wie sollte man dann eine Bevölkerung von 80 Millionen schützen ? Der Fehler besteht darin, zu meinen, man könne einen Attentäter aufhalten, der in der Nähe seines Zieles operieren kann. Das kann man nicht. Die einzige Möglichkeit einen Attentäter aufzuhalten ist diesen erst gar nicht in der Nähe des Zieles zu haben.
Lassen Sie mich etwas ausholen, lieber Leser: Wie bekämpft man Kriminalität?  Mehr Polizei vielleicht? Drakonische Strafen? Resozialisierung? Nun, all das mag etwas bewirken, aber es gibt ein weit wirkungsvolleres Mittel: Eine Konsensgesellschaft mit einem Sozialsystem. Vergleicht man beispielsweise die USA mit Deutschland, stellt man fest, dass es Amerika deutlich mehr Polizei gibt, deutlich härtere Strafen und eine Justiz, die nicht ein Jahr braucht um ein Urteil zu sprechen. Und dennoch ist die Kriminalität in den USA weit(!) höher als in Deutschland. In Deutschland entsteht sehr viel von der Kriminalität, die wir in den USA beobachten, erst gar nicht. Einerseits weil das Sozialsystem viel abfedert, andererseits weil man bestimmte Sachen "einfach nicht tut".
Der Grund warum es in Deutschland vergleichsweise wenig Kriminalität gibt, liegt einfach daran, dass es einfach weniger Kriminelle gibt (wer hätte das gedacht?). Kriminelle mit der Polizei aufzuhalten ist am Ende nur der zweite Platz, sicher sinnvoll, aber nicht der eigentliche Grund, warum es wenig Kriminalität gibt.
Übertragen wir das ganze auf den Terrorismus: Warum gab es bisher deutlich weniger Terrorismus in Deutschland als beispielsweise in Frankreich oder in Israel? Die Antwort ist ebenso simpel wie trivial: Weil es weniger Terroristen gibt (oder meinetwegen auch angehende Terroristen, die noch daran arbeiten welche zu werden). Es ist nicht die Polizei, die Geheimdienste oder die aufmerksamen Bürger, die Terrorismus großflächig verhindern, es sind die Terroristen, die nicht da sind. 
Und genau da ist das Problem.Denn genau das hat sich im letzten Jahr geändert. Natürlich ist es politisch nicht allzu korrekt davon zu reden, aber in jeder hinreichend großen Gruppe gibt es einen Bodensatz. Das gilt für die urdeutsche Wohnbevölkerung ebenso für die hinreichend große Gruppe der Flüchtlinge. Wie groß der Bodensatz genau ist, ist Anlass von viel Diskussion und Debatte, aber wenn wir nur von einem Promille ausgehen (absurd niedrige Annahme), dann reden wir alleine durch das letzte Jahr von mehr als 1.000 (!) potentiellen Tätern. Da es nahezu unvermeidlich sein dürfte, dass der größte Teil der Flüchtlinge in den nächsten Monaten und Jahren deutliche Frustration erleben werden, wenn sie feststellen, dass man ohne Schulabschluss/Lehre/Studium in Deutschland maximal als Hartz-4-Empfänger endet, dann ist da noch viel Luft nach oben.

Nehmen wir das alles zusammen kommt man zur simplen Antwort auf die Frage: Man schützt sich gar nicht. Das Kind ist in den Brunnen gefallen, als uns Angela Merkel im letzten Jahr die ganze Suppe eingebrockt hat. Seitdem war nie irgendetwas was man großflächig tun konnte. Und auch nicht wird tun können. Wer sich so doll auf die Flüchtlinge gefreut hat, muss eben auch hinnehmen, dass er den Terrorismus nach Deutschland gebracht hat. Zu meinen die Verantwortung liege bei versagenden Geheimdiensten oder Polizeibehörden ist einfach nur dreist: Die Verantwortung dürfen Bosbach und Künast bei sich suchen. Da werden sie dann auch fündig.
Wie schon an anderer Stelle betont: Das ist keine Flüchtlingsschelte. Es ist nur einfach die Konsquenz. Alles im Leben hat einen Preis. Und ein Teil des Preises für die offenen Grenzen und das warme Gefühl im letzten Jahr ist eben, dass wir für die nächsten Jahrzehnte eben auch Terror erleben werden.

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Llarian

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