In diesem Blog wurde vor einigen Tagen die Behauptung
aufgestellt, Angela Merkel sei die wahre Gewinnerin der Einigung von Union und
SPD auf einen Koalitionsvertrag. Eine solche Lesart wird vom Gros der Medien offenbar
nicht geteilt: Die communis opinio geht dahin, dass Gabriel angesichts der
schlechten Ausgangsposition seiner Partei doch recht gut verhandelt habe.
Diese Einschätzung verkennt jedoch, dass die SPD-Führung
eher einen Pyrrhussieg als einen ungetrübten Triumph errungen hat. Handlungsspielräume
eröffnet dieses Ergebnis nämlich nicht, es engt sie vielmehr ein. Wenig
überraschend dürfte diese Feststellung für den nicht ganz auszuschließenden
Fall anmuten, dass die Basis der Alten Tante das Bündnis mit der Union ablehnt.
Gabriel und Co. wären bei diesem Ausgang des Mitgliedervotums desavouiert und
wohl auch in der Verlegenheit, über ihre Rolle in der Partei nachzudenken.
Ein Placet zur Großen Koalition würde Gabriel zwar in
gewisser Weise in seiner Funktion bestätigen, ihn aber zugleich – materiell und
formell – in eine Zwangsjacke stecken: Solange der Geist beziehungsweise
Ungeist der Vereinbarung mit der Union in reale Politik umgesetzt wird, hat die
SPD keinerlei ideologische Beschwer. Denn – und insoweit hat der Meinungsmainstream
ja durchaus Recht – für eine Partei, die sich wirklich nicht als Gewinnerin der
Bundestagswahl fühlen darf, haben die Sozialdemokraten nicht wenige ihrer
Essentialia im gemeinsamen Papier festschreiben können. Hinsichtlich eines
Bruchs mit dem nominell konservativen Seniorpartner würde sich außerdem die Verfahrensfrage
stellen, ob dazu – im Sinne eines contrarius
actus – nach der Gabriel’schen Führungslogik nicht auch wieder ein
Mitgliederentscheid erforderlich wäre.
Wie viel freier kann sich indessen Angela Merkel über die
politische Bühne der Berliner Republik bewegen: Findet das Agieren der Großen
Koalition bei der Bevölkerung Anklang, so wird dieser Erfolg zuallererst auf
dem Konto der Kanzlerin verbucht werden. Das Lob für die vom sozialdemokratischen
Koch zubereitete Umverteilungsmahlzeit ginge dann an die schwarz livrierte
Kellnerin. Dieses Feuer sollten die gebrannten Kinder der SPD eigentlich scheuen.
Wenn hingegen das Programm des Volksparteienbündnisses zu
Unmut in der Wählerschaft führt, etwa weil sich der Mindestlohn – wie
befürchtet – als Jobkiller erweist und arbeitslos gewordene Beschäftigte im
Niedrigentgeltsektor lautstark mit dieser Verschlechterung ihrer Situation hadern,
ja dann kann die erste Frau im Staate völlig ungezwungen eine legistische
Nachbesserung aufs Tapet bringen und Gabriel vor die Wahl stellen, ob er sich
bei seiner Parteibasis oder beim Rest der Bundesbürger unbeliebt machen möchte.
Die SPD-Führung wirkt derzeit wie der minderbegabte Schachspieler, der
sich unbändig darüber freut, dass er der Großmeisterin einen Läufer abgejagt
hat, dabei aber übersieht, dass diese ihn in nur noch zwei Zügen schachmatt
setzen könnte. Was auch immer kommen mag: Merkels König wird nicht fallen.
Noricus
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