"'Wer rausgeht, muss auch wissen, wie er wieder reinkommt', sagte die Kanzlerin kürzlich.
Und wer gegen eine Tür tritt, muss darauf achten, sie funktionsfähig zu halten; will er in dem Zimmer dahinter Platz nehmen, möchte ich hinzufügen.
Angela Merkel ist nicht naiv, aber den Anschein erweckt sie schon ganz gern. Das ist aber nur so (m)ein Eindruck wenn sie von Freunden redet und von dem was gar nicht geht.
Deutschland ist ein Freund Amerikas, aber nur ein ziemlicher. Die besten Freunde Amerikas haben weitergehende Vereinbarungen zu ihrer Geheimdienstzusammenarbeit beim Abhören als die ziemlich besten.
Und sie haben dafür 1946 den exklusivsten Club für den Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse gegründet der inzwischen unter dem Namen "Five Eyes" bekannt ist.
Selbstverständlich war damals Deutschland nicht mit von der Partie.
Es klopft als tertiärer Partner schon seit Jahren an die Tür dieses Clubs, was bei Obama bislang Heiterkeit auslöste, so die New YorkTimes:
In the past, Germany has pushed for an agreement similar to the understanding that the United States has with Britain and three other English-speaking allies that prohibits spying on one another. Until now the Obama administration has been loath to broker such a deal with the Germans, who have publicly stated their interest in a nonspying pact, partly because other nations would demand a similar arrangement.
Das Lachen dürfte dem Präsidenten mittlerweile vergangen sein. Die Kanzlerin dagegen nutzt die Gunst der Stunde und versucht es jetzt ein weiteres Mal – sagt Professor Wesley Wark von der Universität von Ottawa, so der Tagesspiegel Anfang Juli dieses Jahres.
Doch auch Angela Merkel, ganz Pragmatikerin, äußerte sich auf dem EU-Gipfel zur NSA-Affäre zu dieser These nicht gerade zurückweisend, sondern laut der Financial Times zweideutig:
“Since I don’t know the details [of ‘five eyes’] I couldn’t tell you we’re looking for exactly that quality of relationship,” she said. “We need something clear-cut that is also in the spirit of an alliance.”
Deswegen schlagen die Wogen so hoch. Ob die Kanzlerin erreichen will, was bisher kein deutsches Staatsoberhaupt geschafft hat, den letzten Schritt in den engsten Kreis der westlichen Kernmächte zu gehen, oder ihr ein Drittparteienabkommen, wie es Frankreich vor einiger Zeit abgeschlossen hat, (wie auch Israel, Schweden und Italien) ausreicht, wird man sehen."
Diese Zeilen schrieb ich am 27.10. 13. Seitdem lagen sie bei den Entwürfen. Ich nahm aufgrund der Reaktionen in GB und den USA nicht an, dass die Verhandlungen der Anfang November nach Washington reisenden Geheimdienstmitarbeiter Deutschland näher an "Five Eyes" bringen werde. Deshalb und weil ich nicht rausbekam warum, schrieb ich den Artikel nicht zu Ende.
Nun hat Clemens Wergin das Rätsel gelöst. Kenntnisreich wie immer und glasklar in der Analyse legt er in der "Welt" dar, warum Deutschland nicht in diesem Klub Mitglied werden wird.
Auch wenn viele Leser dies womöglich nur wenig bis gar nicht bedauern werden - ich halte eine stärkere und intensivere Beziehung Deutschlands zu den angelsächsischen Staaten für viel bedeutender als die Fokussierung auf Europa.
Auch aus historischer Sicht.
Aber leider sind weder die meisten Politiker, inklusive der alten und neuen Kanzlerin, noch die Bürger schon so weit. Vielleicht ändert sich das eines Tages.
Man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.
Zum Abschluss möchte ich noch aus dem sehr lesenswerten Artikel des m.E. kompetentesten außenpolitischen Journalisten Deutschlands zitieren:
Es ist deshalb wahrscheinlich, dass es mit geringen Korrekturen bei der bisherigen Praxis bleibt: Die Deutschen profitieren weiter von der Aufklärungsarbeit der Five Eyes, ohne sich selbst die Hände allzu schmutzig zu machen und drücken dafür ein Auge zu bei US-Spionagetätigkeit auf deutschem Boden.
Denn gemessen an den Anstrengungen, die Berlin unternehmen müsste, um vollwertiges Mitglied der Five Eyes zu sein, ist dieses Arrangement – gelegentliche Ausbrüche moralischer Entrüstung inbegriffen – für die Deutschen am bequemsten.
Erling Plaethe
© Erling Plaethe. Mit Dank an "Die Welt" und Clemens Wergin.
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