16. September 2012

Marginalie: Wie begann die Affäre um den Mohammed-Film "The Innocence of Muslims?"

Der Film The Innocence of Muslims (man kann ihn sich im Internet ansehen; ein übles Machwerk und filmisch miserabel) wurde am 1. Juni an die Öffentlichkeit gebracht. Wie kommt es, daß er erst jetzt die Aufmerksamkeit erfährt, die zu den aktuellen Krawallen und Gewalttaten führte? Am Freitag hat Stratfor den Hintergrund analysiert.

Der Film war außerhalb der USA so gut wie unbekannt geblieben, bis am 8. September der ägyptische Talkshow-Moderator Sheikh Khalid Abdullah ihm sein zweistündiges Programm Masr al Jadida widmete und ihn dabei auch zeigte. Sheikh Khalid Abdullah ist ein Salafist und damit ein politischer Gegner der jetzt herrschenden Moslem-Bruderschaft.

Diese Sendung wurde von einer salafistischen WebSite über YouTube verbreitet. Das Video hatte innerhalb von zwei Tagen 300.000 Aufrufe. (Der Film selbst hatte vom 1. Juni bis zum 12. September gerade einmal 10.000 Aufrufe gehabt).

Innerhalb der Tage nach der Sendung befaßten sich mindestens drei ägyptische TV-Sender mit dem Thema. Die dadurch ausgelöste Empörung in Ägypten breitete sich schnell über die arabische Welt aus.

Sheikh Khalid Abdullah ist für reißerische Sendungen berüchtigt. Eine Schauspielerin, die er angegriffen hatte, strengte einen Prozeß gegen ihn an. Selbst Sheikh Hazem Abd Ismail, ebenfalls ein Salafist, wurde von ihm attackiert. (Er kandidierte ursprünglich für die Präsidentschaft, wurde dann aber disqualifiziert; siehe Die Lage in Ägypten vor den Präsidentschaftswahlen; ZR vom 10. 4. 2012).

Es ist nicht zu beweisen - aber einiges spricht dafür, daß Sheikh Khalid Abdullah mit dieser Sendung bewußt Unruhen herbeiführen wollte. Er stellte beispielsweise ausdrücklich eine Verbindung zwischen dem Film und koptischen Christen her, die in Ägypten eine religiöse Minderheit sind.

Seit der Wahl Morsis haben sich die Spannungen zwischen der Moslem-Bruderschaft und den Salafisten verschärft. Wiederholt haben Salafisten Unruhen geschürt. Das Ziel, so Stratfor, sei es vor allem, Morsi an einer Zusammenarbeit mit dem Westen zu hindern.

Morsi braucht diese aber, denn mit der Wirtschaft Ägyptens geht es derzeit abwärts. Die Preise der Lebensmittel steigen, es gibt einen Treibstoffmangel. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Zugleich haben viele Ägypter mit der Wahl Morsis die Erwartung verbunden, nun werde alles besser werden.

Vergangene Woche war eine Delegation amerikanischer Geschäftsleute in Kairo. Ägypten sucht amerikanische Investments und ein Entgegenkommen bei seinen Schulden. Am 24. September wird Morsi nach New York und Washington reisen.

Die Affäre um The Innocence of Muslims kommt den Salafisten, die diese Hinwendung zum Westen verhindern wollen, sehr gelegen.­
Zettel



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