Durch eine Kuriosität ist der Wahlkampf zur Wahl des ägyptischen Präsidenten jetzt in Deutschland in die Schlagzeilen geraten: Die Facebook-Seite von Präsident Obama, so meldet es die französische Nachrichtenagentur AFP, sei mit Beiträgen von Ägyptern angefüllt, die ihn auffordern, etwas zugunsten des Kandidaten Hasim Salah Abu Ismail zu unternehmen.
Diesem droht die Ablehnung durch die Wahlkommission, weil seine verstorbene Mutter, wie es heißt, Bürgerin der USA gewesen war. Der Fall ist, wie man in der New York Times lesen kann, aber nicht ganz klar. Offenbar hoffen viele in Ägypten, der mächtigste Mann der USA könne da eingreifen.
So wird man jetzt in Deutschland auf eine Wahl aufmerksam, die freilich nicht wegen dieser Randnote Beachtung verdient, sondern weil sie von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung im Nahen Osten ist; damit auch für die Sicherheit Israels, die durch eine andere Kuriosität - die lyrische Wortmeldung von Günter Grass - im Augenblick in Deutschland diskutiert wird.
Es sieht nämlich so aus, als könne die Lage in Ägypten den nach wie vor herrschenden Militärs des SCAF (Supreme Council of the Armed Forces; Oberster Rat der Streitkräfte) aus der Hand gleiten, die bisher als ein Garant dafür gegolten hatten, daß Ägypten nicht den Weg des Iran geht.
Als Anfang 2011 die Unruhen begannen, die zu Mubaraks Sturz führten, herrschten im Westen idyllische Vorstellungen von einem künftigen demokratischen Ägypten. Besonders Präsident Obama tat sich durch - tatsächliche oder gespielte - Naivität hervor. Unmittelbar nach dem Sturz Mubaraks trat er vor die Kameras und hielt eine Rede, aus der ich damals einen Auszug übersetzt habe:
Daß eine echte Demokratie in Ägypten den Sieg davontragen würde, war schon damals eine ganz unrealistische Hoffnung; für einen US-Präsidenten eine unglaubliche Fehleinschätzung. Wenn Sie die Serie "Aufruhr in Arabien" verfolgt haben, dann wissen Sie, daß allenfalls in Tunesien die Chance auf eine demokratische Entwicklung bestand und besteht; dank des traditionellen französischen Einflusses.
Was man aber für Ägypten realistischerweise erhoffen konnte, das war eine Teilung der Macht zwischen dem SCAF und den Moslembrüdern. Das Militär, das Mubarak gestürzt hatte und das jedenfalls damals noch im Volk viel Ansehen genoß, würde - so war die Erwartung - ein Gegengewicht zum Islamismus bilden und so das Abgleiten Ägyptens in eine Theokratie à la Iran verhindern.
Als Mubarak noch regierte und als im Westen der säkulare Demokrat Dr. Mohammed ElBaradei als der kommende Mann Ägyptens galt, konnte Sie in ZR lesen:
Überraschend kündigten die Moslembrüder aber am 31. März an, doch einen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 23. und 24. Mai (Stichwahl am 16. und 17. Juni) aufstellen zu wollen. Es ist Khairat el-Shater, der stellvertretende Vorsitzende der Moslem-Bruderschaft, ihr Chefstratege und ihr Hauptfinanzier.
Über die Hintergründe hat Ende vergangener Woche Stratfor berichtet. Danach konnte el-Shater seine Kandidatur nur mit Billigung des SCAF anmelden; denn zuvor mußten zwei gegen ihn verhängte Gerichtsurteile durch Begnadigung aus der Welt geschafft werden. Das Militär entschloß sich zu diesem Schritt, weil keiner der säkularen Kandidaten, die der SCAF vorgezogen hätte, eine Chance hat und man das Risiko einer Wahlfälschung scheut.
Das Militär hatte nur noch die Wahl, welchen der Islamisten es unterstützen wollte. Es entschied sich offenbar für denjenigen, den man kennt und den man für einen berechenbaren Politiker hält, Khairat el-Shater.
Ob er aber das Rennen macht, ist inzwischen völlig offen.
Neben ihm, dem offiziellen Kandidaten der Moslem-Bruderschaft, tritt der Arzt Abdel Moneim Aboul Fotouh als Unabhängiger an. Er war aus der Moslem-Bruderschaft ausgeschlossen worden, weil er seine Kandidatur zu einem Zeitpunkt angekündigt hatte, als diese noch auf eine Kandidatur hatte verzichten wollen.
Der Dritte der kandidierenden Islamisten ist jener Hasim Salah Abu Ismail, dessentwegen jetzt Präsident Obamas Facebook-Seite mit Einträgen gefüllt wird. Er ist der bei weitem Radikalste; ein Salafist. Stratfor räumt ihm geringere Chancen ein als el-Shater, aber die New York Times sieht in bereits als den Favoriten.
Abu Ismail sieht den Iran als Vorbild und hat angekündigt, den Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen. Die Lage ist jetzt so, daß man in der US-Regierung - so die New York Times - inzwischen heilfroh wäre, wenn wenigstens der Moslembruder el-Shater und nicht der Salafist Abu Ismail der nächste Präsident Ägyptens werden würde. Paradoxerweise könnte der Umstand, daß dessen Mutter Bürgerin der USA war, dabei behilflich sein.
Diesem droht die Ablehnung durch die Wahlkommission, weil seine verstorbene Mutter, wie es heißt, Bürgerin der USA gewesen war. Der Fall ist, wie man in der New York Times lesen kann, aber nicht ganz klar. Offenbar hoffen viele in Ägypten, der mächtigste Mann der USA könne da eingreifen.
So wird man jetzt in Deutschland auf eine Wahl aufmerksam, die freilich nicht wegen dieser Randnote Beachtung verdient, sondern weil sie von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung im Nahen Osten ist; damit auch für die Sicherheit Israels, die durch eine andere Kuriosität - die lyrische Wortmeldung von Günter Grass - im Augenblick in Deutschland diskutiert wird.
Es sieht nämlich so aus, als könne die Lage in Ägypten den nach wie vor herrschenden Militärs des SCAF (Supreme Council of the Armed Forces; Oberster Rat der Streitkräfte) aus der Hand gleiten, die bisher als ein Garant dafür gegolten hatten, daß Ägypten nicht den Weg des Iran geht.
Als Anfang 2011 die Unruhen begannen, die zu Mubaraks Sturz führten, herrschten im Westen idyllische Vorstellungen von einem künftigen demokratischen Ägypten. Besonders Präsident Obama tat sich durch - tatsächliche oder gespielte - Naivität hervor. Unmittelbar nach dem Sturz Mubaraks trat er vor die Kameras und hielt eine Rede, aus der ich damals einen Auszug übersetzt habe:
Es gibt sehr seltene Augenblicke in unserem Leben, in denen es uns vergönnt ist, Zeuge eines geschichtlichen Ereignisses zu sein. Dies ist einer jener Augenblicke. Dies ist eine jener Zeiten. Die Menschen Ägyptens haben gesprochen, ihre Stimme ist gehört worden, und Ägypten wird nie mehr sein wie zuvor. (...) Denn die Ägypter haben klargestellt, daß nicht weniger als eine echte Demokratie den Sieg davontragen wird.Den englischen Originaltext und einen Link zu der ganzen Rede finden Sie in meinem damaligen Artikel (Der schönste Militärputsch, den es je gab? Mubarak, Obama und Mohamed Hussein Tantawi; ZR vom 12. 2. 2011).
Daß eine echte Demokratie in Ägypten den Sieg davontragen würde, war schon damals eine ganz unrealistische Hoffnung; für einen US-Präsidenten eine unglaubliche Fehleinschätzung. Wenn Sie die Serie "Aufruhr in Arabien" verfolgt haben, dann wissen Sie, daß allenfalls in Tunesien die Chance auf eine demokratische Entwicklung bestand und besteht; dank des traditionellen französischen Einflusses.
Was man aber für Ägypten realistischerweise erhoffen konnte, das war eine Teilung der Macht zwischen dem SCAF und den Moslembrüdern. Das Militär, das Mubarak gestürzt hatte und das jedenfalls damals noch im Volk viel Ansehen genoß, würde - so war die Erwartung - ein Gegengewicht zum Islamismus bilden und so das Abgleiten Ägyptens in eine Theokratie à la Iran verhindern.
Als Mubarak noch regierte und als im Westen der säkulare Demokrat Dr. Mohammed ElBaradei als der kommende Mann Ägyptens galt, konnte Sie in ZR lesen:
Wenn es stimmen sollte, daß Mubarak heute seinen Rückzug ankündigt, dann werden von den ... relevanten politischen Kräften vermutlich nur zwei bleiben: Das Militär und die Moslem-Bruderschaft. Zwischen ihnen wird der Kampf um die Macht in Ägypten ausgetragen werden (Die "Einigkeit" der Demonstranten und das Machtspiel in Ägypten; ZR vom 1. 2. 2011).So ist es gekommen. Bis vor wenigen Wochen sah es danach aus, daß diese beiden Kräfte sich vorerst auf eine Teilung der Macht verständigen würden: Die Moslembrüder beherrschen das Parlament; sie erlauben aber die Wahl eines Präsidenten, der dem SCAF nahesteht. Das sollte dadurch ermöglicht werden, daß die Moslem-Bruderschaft auf die Aufstellung eines Kandidaten verzichtete.
Überraschend kündigten die Moslembrüder aber am 31. März an, doch einen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 23. und 24. Mai (Stichwahl am 16. und 17. Juni) aufstellen zu wollen. Es ist Khairat el-Shater, der stellvertretende Vorsitzende der Moslem-Bruderschaft, ihr Chefstratege und ihr Hauptfinanzier.
Über die Hintergründe hat Ende vergangener Woche Stratfor berichtet. Danach konnte el-Shater seine Kandidatur nur mit Billigung des SCAF anmelden; denn zuvor mußten zwei gegen ihn verhängte Gerichtsurteile durch Begnadigung aus der Welt geschafft werden. Das Militär entschloß sich zu diesem Schritt, weil keiner der säkularen Kandidaten, die der SCAF vorgezogen hätte, eine Chance hat und man das Risiko einer Wahlfälschung scheut.
Das Militär hatte nur noch die Wahl, welchen der Islamisten es unterstützen wollte. Es entschied sich offenbar für denjenigen, den man kennt und den man für einen berechenbaren Politiker hält, Khairat el-Shater.
Ob er aber das Rennen macht, ist inzwischen völlig offen.
Neben ihm, dem offiziellen Kandidaten der Moslem-Bruderschaft, tritt der Arzt Abdel Moneim Aboul Fotouh als Unabhängiger an. Er war aus der Moslem-Bruderschaft ausgeschlossen worden, weil er seine Kandidatur zu einem Zeitpunkt angekündigt hatte, als diese noch auf eine Kandidatur hatte verzichten wollen.
Der Dritte der kandidierenden Islamisten ist jener Hasim Salah Abu Ismail, dessentwegen jetzt Präsident Obamas Facebook-Seite mit Einträgen gefüllt wird. Er ist der bei weitem Radikalste; ein Salafist. Stratfor räumt ihm geringere Chancen ein als el-Shater, aber die New York Times sieht in bereits als den Favoriten.
Abu Ismail sieht den Iran als Vorbild und hat angekündigt, den Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen. Die Lage ist jetzt so, daß man in der US-Regierung - so die New York Times - inzwischen heilfroh wäre, wenn wenigstens der Moslembruder el-Shater und nicht der Salafist Abu Ismail der nächste Präsident Ägyptens werden würde. Paradoxerweise könnte der Umstand, daß dessen Mutter Bürgerin der USA war, dabei behilflich sein.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.