18. April 2012

Zitat des Tages: "Das Recht der Eltern gerät unter Verdacht, das Gemeinwohl zu schädigen". Zur Ideologisierung der Debatte um das Betreuungsgeld

Dieses gute Recht jeder Mutter, jedes Vaters [den Nachwuchs in den ersten drei Lebensjahren privat statt im Kindergarten zu betreuen,] gerät plötzlich ... unter Verdacht, das Gemeinwohl zu schädigen, die Anstrengungen für Arbeit, Bildung und Integration zu unterlaufen. Geht’s noch? Indem man das Betreuungsgeld mit gesamtgesellschaftlichen Befürchtungen überfrachtet, wird eine legitime, verfassungsrechtlich verbürgte Ausübung des Elternrechts öffentlich rechtfertigungsbedürftig. Dieser Stil der Betreuungsgeldgegner, mit schwerem Geschütz aufs Ganze zu gehen, lässt für Wahlfreiheit in der Tat kaum Spielraum übrig.
Christian Geyer heute in der FAZ über die Diskussion um das Betreuungsgeld.

Kommentar: Zum Betreuungsgeld habe ich eigentlich keine ausgeprägte Meinung:

Sein Ziel ist es, die Wahlfreiheit der Eltern bei der Entscheidung zu verbessern, ob sie Kleinkinder zu Hause betreuen oder in eine Kinderkrippe geben. Das scheint mir aus liberaler Sicht ein vernünftiges, ein unterstützenswertes Ziel zu sein.

Andererseits sollte aus meiner Sicht kein Steuergeld für etwas ausgegeben werden, das Privatsache ist; wie dies die Erziehung der Kleinkinder darstellt. Statt dem Bürger erst Geld wegzunehmen und es ihm dann in Form von Geschenken wie einem Betreuungsgeld zurückzugeben, sollte der Staat es ihm besser gleich lassen.

Obwohl ich wegen dieses Einerseits-Andererseits zum Betreuungsgeld keine prononcierte, also keine mitteilenswerte Meinung vertreten kann, sind in diesem Blog bereits zwei Artikel zu diesem Thema erschienen. Beide Male ging es mir aber nicht um die Frage der beabsichtigten gesetzlichen Regelung als solcher, sondern um den Umgang mit diesem Thema.

Im einen Fall war der Anlaß zu einem Artikel die Äußerung einer Politikerin, der SPD-Landespolitikerin Manuela Schwesig, die das Betreuungsgeld als ideologisch verdammte und fast im selben Atemzug eine eigene ideologische Position kundtat (Zitate des Tages: Antifamilienpolitik; ZR vom 13. 4. 2010). Kürzlich habe ich mich mit einem Beitrag im gedruckten "Spiegel" befaßt, dessen Autoren es sich offenbar gar nicht vorstellen können, daß der Staat es den Eltern überläßt, wie sie ihr Kind betreuen - oder betreuen lassen - wollen (Zitat des Tages: "Im Reich des Unsinns". Der Staat und das Betreuungsgeld; ZR vom 4. 4. 2012).

In beiden Artikeln ging es also darum, daß dieses Thema zu einer weltanschaulichen Frage hochbefördert wird; wobei diejenigen, die eine bestimmte - nennen wir sie vereinfacht die feministische - Ideologie vertreten, denjenigen mit einer anderen, nämlich einer konservativeren Weltsicht vorwerfen, eine Ideologie zu vertreten.

Das ist abwegig, und es ist offenkundig unehrlich.

Feministinnen haben das Recht, das Ideal der ihr Kind (überwiegend) nicht selbst erziehenden Mutter zu propagieren. Konservative haben das Recht, für das Ideal der häuslichen Erziehung einzutreten. Ich als Liberaler beanspruche für mich das Recht, es jedem Einzelnen überlassen zu wollen, ob er das eine oder das andere bevorzugt.

Man kann jede dieser Positionen "Ideologie" nennen; und man kann diesen überfrachteten Begriff auch vermeiden, was vermutlich die bessere Entscheidung ist. Aber leider wird immer deutlicher, daß die Gegner des Betreuungsgelds auf diesem Feld eine gesellschaftspolitische Schlacht schlagen wollen; daß sie diese Frage in der Tat ideologisieren möchten.

Darauf weist Christian Geyer in der zitierten Passage hin. Es soll nicht in gegenseitigem Respekt debattiert, sondern es soll die eine Seite stigmatisiert werden. Letztlich geht es darum, ob konservatives Denken innerhalb des öffentlichen Diskurses akzeptiert oder ob es aus diesem hinausgedrängt werden soll. Es geht, in anderen Worten, um die linke - hier die feministische - Dominanz der gesellschaftlichen Debatte.

Das ist wohl der Grund dafür, daß die Auseinandersetzung von dieser Seite mit einer bemerkenswerten Unsachlichkeit, manchmal Giftigkeit geführt wird. Ein Beispiel sind persönliche Attacken auf die Familienministerin Kristina Schröder, der die Eignung für ihr Amt abgesprochen wird, nur weil sie nicht linientreu feministisch ist.

Wenn Sie zu "Zeit-Online" gehen, dann finden Sie dort derzeit als den sowohl meistgelesenen als auch den meistkommentierten Artikel (aktuell 318 Kommentare) die Rezension, die Tina Groll zu Kristina Schröders (zusammen mit Caroline Waldeck) Buch "Danke, emanzipiert sind wir selber. Abschied vom Diktat der Rollenbilder" verfaßt hat. Überschrift: "Schröder schreibt ihre eigene Bankrott­erklärung".­ Unsachlicher, gehässiger geht es kaum noch.
Zettel



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