28. April 2012

Zettels Meckerecke: Gegen die Unverfrorenheit, Erziehung als Sache des Staats zu definieren, hilft vielleicht wirklich nur noch das Betreuungsgeld

Von der Sache her ist das Betreuungsgeld aus meiner Sicht eine zwiespältige Angelegenheit: Einerseits ist es wünschenswert, die Wahlfreiheit der Eltern zu stärken, was die Erziehung von Kleinkindern angeht. Wenn die Erziehung in einer Kita mit dem Geld des Steuerzahlers gefördert wird; warum dann nicht auch die Erziehung zu Hause? Andererseits sollte sich der Staat aus dem einen wie dem anderen besser ganz heraushalten.

Die Eltern und nicht der Staat sind für die Erziehung der Kinder zuständig. Sie sollten sie bezahlen; und sie könnten es auch, wenn der Staat ihnen nicht erst das Geld als Steuern wegnehmen würde, welches er ihnen dann als soziale Wohltaten teilweise zurückgibt (siehe "Das Recht der Eltern gerät unter Verdacht, das Gemeinwohl zu schädigen". Zur Ideologisierung der Debatte um das Betreuungsgeld; ZR vom 18. 4. 2012).

Was inzwischen zu diesem Thema zu lesen ist, bringt mich aber zunehmend zu der Überzeugung, daß es wohl doch richtig ist, das Betreuungsgeld durchzusetzen; so, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Deutlich werden nämlich Bestrebungen, die Kindererziehung schon von den ersten Lebensmonaten an als eine Aufgabe des Staates zu definieren; einer Aufgabe, an der dieser allenfalls die Eltern großzügig mitbeteiligt. Ein wesentlicher Unterschied zur DDR besteht, falls diese Bestrebungen sich durchsetzen sollten, durchaus nicht mehr.



In FAZ.Net findet man gegenwärtig einen Artikel mit der Überschrift: "Hannelore Kraft: Alle Kinder müssen in die Kita".

Müssen. Und das ist so gemeint; nicht nur von Hannelore Kraft, die ja im linken Spektrum noch eine der Moderaten ist. FAZ.Net:
Hannelore Kraft (SPD) will sicherstellen, dass alle Kinder in Kindertagesstätten kommen. (...) Der Bundesvor­sitzende der Grünen, Cem Özdemir, befürwortete es gegenüber der F.A.S., eine allgemeine "Kitapflicht sachlich zu diskutieren". (...) Norbert Bischoff (SPD), Minister für Arbeit und Soziales von Sachsen-Anhalt, sprach sich für eine Kindergarten­pflicht aus. (...) Diese Kindergartenpflicht müsse dann der Schulpflicht entsprechend gestaltet sein.
Was also im Extremfall bedeuten würde, daß die Polizei ein einjähriges Kind seinen Eltern wegnimmt und in die Kita verbringt, falls diese es nicht freiwillig herausgeben wollen.

Ein einjähriges Kind? Die Bildung beginne ab dem zweiten Lebensmonat, das hätte die "Hirnforschung festgestellt", sagte der SPD-Landesminister der F.A.S. Allerdings solle man in diesen Fragen "die Eltern einbinden".

Die Eltern einbinden. Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen. Für den SPD-Mann steht die Zuständigkeit des Staats für die Erziehung und Betreuung schon der Kleinsten so außer Frage, daß er gar nicht auf den Gedanken kommt, die Eltern könnten ein Recht haben, ihre Kinder selbst zu erziehen. Immerhin können sie froh sein, wenn der Staat in seiner Großzügigkeit sich bereitfindet, sie bei der Erziehung ihrer eigenen Kinder "einzubinden".



DDR light? Wo ist denn da das "light"?­

Wenn es darum geht, diesem unmittelbar dem Sozialismus entnommenen Bestreben des Staats entgegenzutreten, buchstäblich von Geburt an Zugriff auf "seine" Bürger zu haben, dann sollte eigentlich jeder Liberale an der Seite der Konservativen stehen, die das Betreuungsgeld wollen.




Nachtrag um 23.30 Uhr: Inzwischen hat Rayson in B.L.O.G. zu diesem Thema einen Artikel publiziert, der - differenzierter argumentierend als ich in dieser Meckerecke - zu einer ähnlichen Beurteilung kommt. Sehr lesenswert.
Zettel



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