26. April 2012

Marginalie: Mineralien auf Asteroiden schürfen - sind das nur "wahnwitzige Pläne"? Kann sich das rechnen? Eine überraschende Antwort

Die Meldung ging vorgestern und gestern durch die Medien: Das US-Unternehmen Planetary Resources plant, auf Asteroiden nach Metallen zu graben. "Spiegel-Online" über den Firmengründer Eric Anderson:
Seltene Metalle wie Platin will Andersons Team auf den Asteroiden gewinnen und dann zur Erde schaffen, wo sie extrem knapp und teuer sind. Nach Angaben von Planetary Resources kann ein 30 Meter großer Asteroid Platin im Wert von 25 bis 50 Milliarden Dollar enthalten, berechnet nach heutigen Preisen.
Als ich das las, erschien es mir als eine der vielen spinnerten Phantasien, die gerade in den USA sozusagen im Raum zwischen Science Fiction und naiver Raumfahrtbegeisterung schweben. Auch die Redaktion von "Zeit-Online" hatte offenbar diesen Eindruck, als sie im Vorspann ihres gestrigen Artikels zu diesem Thema von "wahnwitzigen Plänen" sprach.

Den Artikel hatte "Zeit-Online" aus dem vorgestrigen "Handelsblatt" übernommen; und dort lautete der Vorspann allerdings sachlicher:
Die Ausbeutung von Asteroiden werde zu einem Billionen-Dollar-Geschäft, sagt eine junge Firma aus Seattle. Der Traum vom Bergbau im Weltall wird von Google-Chef Larry Page und Titanic-Regisseur James Cameron unterstützt.
Wer sich ein wenig mit dem Stand der bemannten Raumfahrt und deren immensen Kosten auskennt, der wird wohl eher der Meinung der Redaktion von "Zeit-Online" zuneigen. Ein Blick auf die WebSite von Planetary Resources verstärkt den Eindruck, daß es sich hier um ein recht windiges Unternehmen zu handeln scheint, das im Wortsinn das Blaue vom Himmel verspricht.

Gewiß sind solche profitablen Raumfahrt-Unternehmungen für eine ferne Zukunft nicht ausgeschlossen. Aber welcher private Investor wird jetzt Millionen in ein Geschäft stecken, das in vielleicht einem Jahrhundert, oder einem halben, die erste Rendite abwerfen könnte? Ich erwartete meine Skepsis bestätigt zu sehen, als ich dazu im Discover Magazine einen Artikel von Phil Plait zu lesen begann, einem wissenschaftlich ausgewiesenen Astronomen und Wissen­schafts­­journalisten, der vor allem als Skeptiker hervor­getreten ist. Beispielsweise hat er sich die Mühe gemacht, die Verschwörungstheorie vom Moon Hoax Punkt für Punkt zu widerlegen (siehe Verschwörungstheorien (6): Spiegel-Leser und Internauten; ZR vom 22. 9. 2006).

Aber es gab eine Überraschung. Plait berichtet ausführlich über ein Gespräch, das er mit dem Präsidenten und Chefingenieur von Planetary Resources, Chris Lewicki, geführt hatte. Gewiß - Lewicki strotzt von dem Optimismus, wie er die Gründer zahlloser amerikanischer start ups kennzeichnet. Aber es schälte sich doch heraus, warum ein solches Unternehmen den langen finanziellen Atem haben könnte, der erforderlich ist, um über Jahrzehnte zu investieren, bis endlich vielleicht einmal Gewinne fließen.

Die Antwort ist einfach: Die Investoren sind Leute, die nicht (mehr) darauf angewiesen sind, daß alle ihre Investitionen in absehbarer Zeit Gewinne abwerfen. Es sind, mit anderen Worten, Begeisterte, Idealisten vielleicht - Menschen, die eine Vorstellung, eine Aussicht für die Zukunft als solche reizt. Vielleicht erweist sich ihre Investition ja am Ende als Glücksgriff. Und wenn nicht, dann hatte man doch wenigstens seinen Spaß; und vielleicht das gute Gefühl, etwas für den Fortschritt getan zu haben.

Plait fragte Lewicki danach, wie es denn mit den zu erwartenden Profiten bestellt sei:
In other words, what's the incentive for profit for the investors? This is probably the idea over which most people are skeptical, including several people I know active in the asteroid science community.

I have to admit, Lewicki's answer surprised me. "The investors aren't making decisions based on a business plan or a return on investment," he told me. "They're basing their decisions on our vision."

Mit anderen Worten, was ist der Gewinnanreiz für Investoren? Das ist wahrscheinlich die Idee, in Bezug auf welche die meisten Menschen skeptisch sind, auch etliche Leute aus meiner Bekanntschaft, die aktiv an der Erforschung von Asteroiden arbeiten.

Ich muß gestehen, daß mich die Antwort Lewickis überraschte. "Die Investoren treffen ihre Entscheidungen nicht auf der Grundlage eines Geschäftsplans oder des Ertrags von Investitionen", sagte er mir. "Sie gründen ihre Entscheidungen auf unserer Vision".
Der amerikanische Traum also; der ja nicht nur der Traum vom eigenen Aufstieg ist, sondern auch der Traum, daß bisher Unvorstellbares machbar ist. Der Traum, der die USA noch immer zur führenden wissenschaftlichen und auch technologischen Nation macht, wenn es nicht um das Umsetzen bestehender Technologien geht und das Forschen in ausgefahrenen Bahnen, sondern um Innovation und mutige Ideen.

Anders als in Europa wird in den USA von den Reichen und sehr Reichen ein Engagement für die Gesellschaft erwartet; für die Gesellschaft, die es ihnen ermöglicht hat, so reich zu werden. Sie erfüllen diese moralische Verpflichtung in Form von Stiftungen, von Spenden an Museen, Universitäten und dergleichen. Und einige tun es eben auch dadurch, daß sie in ein aufregendes Unternehmen investieren, das zwar sehr teuer ist und ganz und gar unsicher, das aber die Tür zu bisher noch unerschlossenen Wegen in die Zukunft aufstoßen könnte.



Erst einmal soll dieser Weg kleinteilig, sozusagen mit Tippelschritten begonnen werden. Planetary Resources baut bereits an einer Flotte von kleinen Teleskopen, die in eine niedrige Erdumlaufbahn geschossen werden sollen, um gezielt nach geeigneten Asteroiden (Himmelskörpern unterschied­licher Größe, die wie die Planeten um die Sonne kreisen) Ausschau zu halten. Der nächste Schritt sollen dann Flüge von Sonden zu solchen Asteroiden sein, die dort landen und den Boden analysieren. Oder ihn auch schürfen und zur Erde zurückbringen. Das wäre relativ leicht zu bewerkstelligen, denn wegen der geringer Masse von Asteroiden wäre zum Rückstart in Richtung Erde nur wenig Treibstoff erforderlich.

Eine derartige Unternehmung hat es vor einigen Jahren sogar - freilich ohne bergbaulichen Hintergrund - schon einmal gegeben: Den Flug der japanischen Raumsonde Hayabusa zu dem Asteroiden Itokawa. Ich habe damals darüber berichtet; es war einer der ersten Artikel in ZR: Warum ist Itokawa nicht rund?; ZR vom 7. 6. 2006.

Damals war die Sonde Hayabusa noch unterwegs gewesen. Es dauerte noch vier Jahre, bis sie zur Erde zurückkehrte. Das war am 13. Juni 2010; und sie hatte tatsächlich einige Staubkörner an Bord, geschürft auf Itokawa. Deren Analyse allerdings lieferte keine Spuren von Platin oder Palladium, sondern genau die Zusammensetzung, die man von zur Erde gelangten Meteoriten einer bestimmten Kategorie (S-Meteoriten) seit langem kennt.­
Zettel



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