3. April 2012

Deutschland im Öko-Würgegriff (30): Alarmstufe "gelb". Die "Energiewende" bringt das Stromnetz an den Rand des Zusammenbrechens

Das, was da am Sonntag Nachmittag in "Welt-Online" zu lesen war, hätte eigentlich von den Agenturen verbreitet werden und gestern ein Hauptthema in allen Medien sein müssen. Aber nichts geschah. Gestern Nachmittag zog "Bild.de" nach. Vielleicht findet der Vorfall jetzt doch noch die Aufmerksamkeit, die ihm zukommt.

Es trug sich am Mittwoch vergangenener Woche zu; Daniel Wetzel, der Autor des "Welt-Online"-Artikels, hat es recherchiert und beschreibt es so:
Nach Informationen von "Welt Online" konnte die Netzstabilität in Norddeutschland am vergangenen Mittwoch nur mit Hilfe drastischer Maßnahmen gerade noch aufrechterhalten werden. (...)

"Aufgrund des starken Windes und eines Ausfalls der Systeme auf der Übertragungsnetz-Leitung nach Helmstedt kam es bei 50Hertz zu einer kritischen Netzsituation", sagte ein Sprecher des Energiekonzerns Vattenfall dem Nachrichtenportal "Welt Online". (...)

Nach Angaben des Unternehmens 50Hertz wurden kurz nach dem Zusammenbruch der Helmstedt-Leitung gegen 21 Uhr über das europäische Warnsystem TSC die Netzbetreiber in den Nachbarstaaten über die "akute Stress-Situation" in Kenntnis gesetzt. Die Ampel des "Real-time Awareness und Alarm Systems" (RAAS) der europäischen Netzbetreiber sei darüber hinaus unverzüglich auf "gelb" gesetzt worden.
Wie kam es zu dieser kritischen Situation? Wenn Sie ZR regelmäßig lesen und die Diskussionen in Zettels kleinem Zimmer verfolgen, dann werden Sie von der Antwort nicht überrascht sein: Es liegt am Wahnwitz der "Energiewende".

Vor einem Jahr habe ich das Szenario ausführlich beschrieben, das jetzt Wirklichkeit geworden ist (Deutschland im Öko-Würgegriff (26): Zusammenbruch erwartet. Das Stromnetz als Mastgans. Wie man aus Glauben Geld macht; ZR vom 28. 2. 2011):

Es kommt zu einer Wetterlage, bei der in Teilen Deutschlands zu viel und in anderen Teilen zu wenig "erneuerbare Energie" produziert wird. Die Kapazität des Leitungsnetzes reicht nicht aus, um das ausgleichen zu können; es droht zusammen­zubrechen. Wenn man Glück hat, kann man dies - wie letzte Woche - durch Notmaßnahmen gerade noch abwenden. Wenn das schief geht, dann erleben wir den Blackout.

Anfang dieses Jahres habe ich in verschiedenen Beiträgen auf die absehbaren katastrophalen Folgen der "Energiewende" für die Stromversorgung aufmerksam gemacht; R. A. hat das in einem weiteren Artikel getan. Ich möchte Ihnen vor allem auch die Diskussionen zu diesen Artikeln in Zettels kleinem Zimmer empfehlen, an denen sich Fachleute aus der Energiewirtschaft mit professionellem Einblick in die Lage beteiligt haben:
  • Zitat des Tages: "Verblendet". Der solare Gau. Nebst einer Erinnerung an den 30. Juni 2011; ZR vom 15. 1. 2012

  • Zettels Meckerecke: Nach der kollektiven Besoffenheit der Kater. Die Folgen der "Energiewende" werden allmählich greifbar; ZR vom 24. 1. 2012

  • Wenn es dunkel wird; ZR vom 10. 2. 2012 (von R. A.)

  • Zitat des Tages: "Das Risiko von Stromausfällen ist gewachsen". Ein Vabanquespiel. Vorschlag für einen Deutschen Schamanischen Dienst; ZR vom 11. 2. 2012
  • Einen ausgezeichneten Überblick findet man auch im ScienceSkepticalBlog:
    Die Energiewende ist schon gescheitert; ScienceSkepticalBlog vom 29. 12. 2011 (von Günter Keil)



    Am vergangenen Mittwoch war es so, wie ich es in dem Artikel vom Februar 2011 beschrieben hatte:

    Es kam zu einem Wetterumschwung; das Hoch "Harry" wurde durch das Tief "Ellen" verdrängt. Der Wind drehte auf, und die Produktion von Windenergie stieg damit. Am frühen Abend des Mittwoch wuchs allen die Strommenge, die ostdeutsche Windparks im Bereich des Netzbetreibers 50Hertz in das Netz einspeisten, auf das Dreifache. Zugleich ging die Stromproduktion aus Solarenergie in West- und Süddeutschland im Lauf des Nachmittags drastisch zurück und versiegte mit dem Sonnenuntergang gegen 18.30 Uhr ganz.

    Damit war exakt diejenige Lage da, die bei den "erneuerbarer Energien" systembedingt immer wieder eintreten wird: Da Strom nicht nach Bedarf produziert wird, sondern nach Wetterlage, gibt es in der einen Region zu viel davon und in der anderen zugleich zu wenig.

    Das Stromnetz, welches das ausgleichen soll, wird an die Grenze seiner Kapazität belastet - oder eben irgendwann über diese Grenze hinaus. Dann kommt es zu einem Zusammenbruch, wie ihn beispielsweise Teile der USA und Kanadas im August 2003 erlebten. Was dann eintritt, hat R.A. in dem Artikel "Wenn es dunkel wird" eingehend geschildert.

    Wie immer bei Katastrophen verketten sich "unglückliche Umstände". Am vergangenen Mittwoch kam hinzu, daß etwa zeitgleich mit der geschilderten Lage auch noch das AKW Brokdorf vom Netz ging, weil Defekte entdeckt worden waren. Zusammen bewirkte dies, daß zwei Leitungen der Ost-West-Trasse zusammenbrachen.

    Das Netz konnte schließlich durch radikale Maßnahmen wieder stabilisiert werden: Schnellabschaltung von konventionellen Kraftwerken; Trennung von ostdeutschen Windparks vom Netz; Umschaltung der beiden Pumpspeicherkraftwerke Goldisthal und Markersbach von Stromerzeugung auf Stromverbrauch.

    Es ging noch einmal gut. Diesmal. Ein Vabanquespiel, das man immer wieder spielt, geht selten immer auch gut aus.

    Was kann getan werden? Im Prinzip zweierlei. Erstens kann man weitere Pumpspeicherkraftwerke bauen. Oberirdisch sind solche Kraftwerke allerdings nur im Gebirge realisierbar, wohin der nicht benötigte Strom aber erst einmal transportiert werden muß. Diese Lösung kann daher die zweite Lösung nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen: Den gigantischen Ausbau des Stromnetzes, damit die Kapazität zur Verfügung steht, solche plötzlichen Gefälle sowohl in Ost-West-Richtung als auch in Nord-Süd-Richtung auszugleichen.

    Die gegenwärtigen Planungen sehen, wie es die "Financial Times Deutschland" (FTD) erst kürzlich dargelegt hat, gegenwärtig 1807 Kilometer neue Stromtrassen vor; nach einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (Dena) werden bis 2020 doppelt so viele Kilometer benötigt werden. Auch das wird nach Informationen der FTD noch zu wenig sein. Die Kosten werden bei mindestens 50 Milliarden Euro liegen. Gebaut sind seit 2009, als der Ausbau beschlossen worden war, gerade einmal 214 Kilometer.

    Es geht vor allem deshalb so langsam voran, weil Anwohner, die Gesundheitsschäden befürchten, Einwendungen erheben und Bürgerinitiativen gegen den Bau neuer Hoch­spannungs­leitungen protestieren.

    Im Prinzip könnte man die Leitungen unter die Erde legen, aber Erdkabel sind noch kaum getestet; es ist wenig darüber bekannt, wie störanfällig sie sind. Darüber hinaus sind sie um ein Vielfaches teurer als Hochspannungsleitungen. Die Folgen der "Energiewende" durch den Bau von Erdleitungen zu bewältigen, würde hunderte von Milliarden Euro kosten; ein wahrhaft bombastisches Opfer der Deutschen für den von ihnen angebeteten Moloch "Energiewende".



    Was wir jetzt erleben, das ist in der Tat ein Beispiel für die Macht des Irrationalen, des Pseudoreligiösen.

    Seit Jahrzehnten hat sich bei uns eine Vergötterung der Natur als Religionsersatz entwickelt (siehe Klimaschutz als Religionsersatz. Und die Kirchen machen mit. Ein Gastbeitrag von Herr; ZR vom 8. 12. 2009). Im Frühsommer letzten Jahres kam in Deutschland die kollektive Besoffenheit nach dem Unfall von Fukushima hinzu.

    Ein maßvoller Ausbau der Solar- und Windenergie als Ergänzung zu den anderen Formen der Energieversorgung wäre vermutlich sinnvoll gewesen. Es ist immer gut, Energie aus verschiedenen Quellen zur Verfügung zu haben; schon um die Abhängigkeit vom Ausland in Grenzen zu halten. Hätte man das rational geplant, und nicht vom religiösen Eifer getrieben, dann hätte das Stromnetz entsprechend allmählich ausgebaut, dann hätten schrittweise im erforderlichen Umfang Pumpspeicherwerke gebaut werden können; vielleicht auch unterirdische in stillgelegten Bergwerken.

    Man hätte damit, bei gleichzeitigem Ausbau der Nuklearenergie, die Abhängigkeit von Wind und Wetter in Grenzen halten können. Das jetzige quasireligiöse Zelotentum führt uns zurück in diese Abhängigkeit. Eine Regression; ein zivilisatorischer Rückschritt.

    Die Geschichte der Zivilisation ist dadurch gekennzeichnet, daß der Mensch sich von der Natur zunehmend unabhängig gemacht hat - von Kälte durch die Erfindung der Kleidung und die Nutzung des Feuers, von Dunkelheit durch Beleuchtung, vom Zyklus der Jahreszeiten durch die Konservierung von Lebensmitteln; und so fort. Daß wir Deutschen das jetzt umkehren und einen Weg eingeschlagen haben, der uns bei der Energie wieder stärker von der Natur abhängig macht, ist grotesk; freilich bezeichnend.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen bisherigen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Schiffe sinken im Sturm. Gemälde von Ludolf Backhuysen (ca 1630). Mit Dank an Thomas Pauli.