17. April 2012

Zitat des Tages: Breivik, der Wahn, die Gesellschaft

Was aber ist, wenn Breivik weiß, was in der Gesellschaft als Recht und Unrecht gilt, er sich selbst aber eben aufgrund seines Wahns nicht für einen Vertreter der "Bösen" hält, sondern für einen der Größten unter den "Guten"? Wenn er sich für jemanden hält, der besser als die Gesellschaft weiß, was richtig und was falsch ist, und sich in seinem Wahn berufen fühlt, seine Ziele mit brutaler Gewalt durchzusetzen? (...)

Anders Behring Breivik könnte als Fall in die Geschichte der Justiz eingehen, der demonstriert, dass das Wissen darum, was Unrecht ist und die Fähigkeit, gezielt vorzugehen, noch keine ausreichenden Argumente sind, um einem Straftäter für zurechnungsfähig zu halten.
Markus C. Schulte von Drach heute in "Süddeutsche.de" zur Frage der Schuldfähigkeit von Anders Behring Breivik.

Kommentar: Setzen Sie an die Stelle des Namens von Anders Breivik den von Christian Klar, Uwe Mundlos, Osama bin Laden oder auch Heinrich Himmler. Dann sehen Sie die Problematik, die in diesem Zitat angesprochen wird.

Ist es ein Beleg oder jedenfalls ein Indiz für eine geistige Erkrankung, wenn jemand von sich meint, daß er "besser als die Gesellschaft weiß, was richtig und was falsch ist" und darüber zum Massenmörder wird?

Wenn man diese Position einnimmt, - wie will man dann der Konsequenz entgehen, daß jeder Revolutionär, daß jeder Terrorist geistig krank ist? Will man politische Kategorien wie links- vs. rechtsextrem oder antisemitisch vs. antiislamisch anlegen, um den politischen Verbrecher vom Psychotiker zu unterscheiden?

Schulte von Drach, übrigens ein promovierter Biologe, vertritt die in dem Zitat zum Ausdruck kommende Position nicht, scheint sie aber für bedenkenswert zu halten. Aus meiner Sicht ist sie das nicht. Geisteskrankheit ist eine psychiatrische Kategorie, keine politische. Daß Breivik seinen mörderischen Antiislamismus für gut und nicht verwerflich hält, macht ihn ebenso wenig zu einem Schizophrenen, wie das bei Himmlers möderischem Antisemitismus und Klars mörderischem Antikapitalismus der Fall ist.

Siehe auch:
  • Propaganda der Tat. Die mörderische Logik des Terrorismus, von der RAF über die Kaida bis zu Behring Breivik; ZR vom 25. 7. 2011

  • Stratfors Analysen: Tätertyp "Einsamer Wolf". Breivik und sein "Manifest" im Kontext des Internationalen Terrorismus; ZR vom 30. 7. 2011

  • Marginalie: Ist Anders Behring Breivik schuldunfähig?; ZR vom 30. 11. 2011

  • Ist Anders Breivik schuldunfähig? Über den Unterschied zwischen einer paranoiden Schizophrenie und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung; ZR vom 13. 1. 2012

  • Marginalie: Warum ist es so schwer, zu beurteilen, ob Anders Breivik schuldfähig ist? Eine Anmerkung zu dem neuen psychiatrischen Gutachten; ZR vom 10. 4. 2012
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    Zettel



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