13. April 2012

Copy & Waste

Manchmal ist das Leben doch gerecht.
Ausgerechnet die Piraten, mit ihrem internet-affinen "neuen" Politikstil, mit ihrem groß herausgestellten Anspruch auf Transparenz und Ehrlichkeit - ausgerechnet diese Lieblinge der deutschen Medien werden bei massivem Wählerbetrug erwischt. Und noch krasser: Sie werden bei Plagiat ertappt, durch Verwendung eines Internet-Tools.

Wer hätte erwartet, daß ausgerechnet sie nach Guttenberg, Koch-Mehrin et al. die nächsten "Opfer" einer Plagiats-Recherche im Internet sein würden? Für politisch inkorrekte Zeitgenossen ein echter innerer Reichsparteitag.

Und außerdem ein gutes Beispiel für wirklichen Qualitätsjournalismus. Da wurden die Programme aller Parteien sauber überprüft, fair bewertet, alle nötigen Informationen verständlich präsentiert und dann eine durch Belege gut abgesicherte Kommentierung gegeben.
Ja natürlich, das war kein Journalist der deutschen "Leitmedien", nicht von Spiegel oder Neuem Süddeutschland, auch nicht von den GEZ-Sendern. Sondern ein Blogger.

Nun ist eigentlich nicht das Plagiat der eigentliche Skandal. Denn die Schleswig-Holsteiner Piraten haben ja "nur" bei den Parteifreunden in anderen Bundesländern abgeschrieben. Selbst ihre lockeren Vorstellungen vom geistigen Eigentum beiseite genommen - die hätten das Kopieren bestimmt auch explizit erlaubt.

Es ist auch nicht wirklich überraschend, daß die Piraten wenig Ahnung von Inhalten haben und bei allen möglichen Fehlern erwischt werden. Obwohl sie ja immerhin ein Jahr lang dieses Programm mit allen Details beraten und abgestimmt haben. Aber so ein gewisses Amateur-Verhalten macht ja immer noch den Charme dieser Neugründung aus. Jedenfalls bei Wählern, die mehr mit dem Bauch als dem Kopf abstimmen.

Nein, die wirkliche Peinlichkeit ist die Verlogenheit dieses ganzen Manövers. Eine Verlogenheit nicht nur einzelner Mitglieder - sondern eines ganzen Landesverbandes, der bei dieser Programm-Farce mitgemacht hat.

Es war ihnen lästig, daß ihnen ihre Ahnungslosigkeit zunehmend zum Vorwurf gemacht wird. Daß ihnen Inhaltslosigkeit attestiert wird. Also wird ein Potemkin'sches Programm gebaut. Zusammenkopierte politische Forderungen, die mit den Verhältnissen im Lande nicht unbedingt etwas zu tun haben, die sie auch nicht wirklich verstehen - die aber gut klingen sollen und eine professionelle Fassade vortäuschen sollen. Klassischer Wahlbetrug zur Maximierung des Stimmergebnisses.

Normalerweise könnte ein solcher Skandal den Ballon zum Platzen bringen. Heuchelei und Unehrlichkeit in einem solchen Maßstab ist genau das, was eine gegen das angeblich verlogene Altsystem ankämpfende Protestgruppe überhaupt nicht aushalten kann.

Aber es bleibt abzuwarten, wie stark die Medien darauf einsteigen. Ob sie es nur als skurrilen Anfängerfehler abtun oder nun stärker nachhaken, was die Piraten eigentlich zu bieten haben.
Und es bleibt abzuwarten, ob die Wutwähler sich in ihrer Gier nach neuen, einfachen Lösungen von diesem Skandal abschrecken lassen.
R.A.



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