19. April 2012

Zitat des Tages: "Wir brauchen eine Steuerbremse im Grundgesetz". Ein bemerkenswerter Vorstoß von Hermann Otto Solms

Aufgrund der guten Konjunktur sind die öffentlichen Einnahmen gestiegen. Das hat den raschen Schuldenabbau erleichtert. Es zeigt aber auch, dass mehr Geld in den Steuerkassen keineswegs zu weniger Ausgaben führt. Im Gegenteil: Es werden unverzüglich neue vermeintliche Gerechtigkeitslücken ge- oder erfunden, die zugunsten von Wählerstimmen, aber auf Kosten der Steuerzahler abgedeckt werden sollen, wie zum Beispiel die Zuschussrente oder das Betreuungsgeld. (...)

Wenn wir nicht wollen, dass im Alltagsgestrüpp des politischen Geschäftes die Notwendigkeit zum Sparen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird, muss die Steuerbremse ins Grundgesetz.
Hermann Otto Solms, Vorsitzender des Arbeitskreises für Wirtschaft und Finanzen der FDP im Bundestag, in einem Gastbeitrag für die heutige FAZ. Überschrift: "Wir brauchen eine Steuerbremse im Grundgesetz".

Kommentar: Solms' Argumentation ist stringent: Wenn die Schuldenbremse die Finanzierung von Staatsausgaben über Neuverschuldung begrenzt, dann wird der Staat in seinem Bestreben, dem Bürger neue Wohltaten zukommen zu lassen, verstärkt auf Steuererhöhungen setzen. Das läßt sich nur durch einen gesetzlichen Riegel gegen unbegrenzt steigende Steuern verhindern.

Die vorgeschlagene Steuerbremse, die nach dem Vorbild der Schuldenbremse im Grundgesetz verankert werden soll, könnte nach Solms' Vorstellungen für Arbeitnehmer eine Belastungsobergrenze von 50 Prozent festlegen, für unternehmerische Einkünfte von 30 Prozent. Dort niedriger, weil ja ein großer Teil dieser Einkünfte reinvestiert wird.

Das wäre in der Tat vernünftig; denn ohne eine solche Begrenzung wirkt die Schuldenbremse zugleich als ein Gashebel für immer weiter steigende Steuern. Sie macht es dem Staat schwerer, in den einen Topf zu greifen. Umso begieriger wird er in den anderen, weit geöffneten langen. Aber ist eine solche Forderung auch politisch klug? Ist der jetzige Niedergang der FDP nicht gerade dem Umstand geschuldet, daß sie zu lange, daß sie zu sehr die Steuerpolitik in den Mittelpunkt gestellt hat?

Aus meiner Sicht ist Solms' Vorstoß richtig und kommt auch zum richtigen Zeitpunkt. Was man der FDP nach der Bildung der schwarzgelben Koalition im Jahr 2009 angekreidet hat, das waren ja nicht ihre steuerpolitischen Forderungen, sondern ihre Unfähigkeit, sie durchzusetzen; ihre Halbherzigkeit bei diesem Thema, die damit begann, daß sie bei den Koalitionsverhandlungen von vornherein auf das Finanzministerium verzichtete (siehe Die CDU rückt nach links. Warum verliert sie dadurch nicht Wähler an die FDP? ; ZR vom 17. 11. 2011).

Die damalige Führung der FDP hat dieses Thema vermasselt; auch, indem sie sich nicht erfolgreich gegen eine Diffamierungskampagne zur Wehr setzte, die das Ziel hatte, die Steuerpolitik der FDP mit Gefälligkeiten für Hoteliers und sonstige "Klientel" zu identifizieren. Aber das macht ja diese Steuerpolitik nicht falsch. Und es macht es auch nicht falsch, sie offensiv zu vertreten; zumal, wenn es - wie jetzt beim Vorschlag von Solms - ja nicht einmal um Steuersenkungen geht, sondern nur um eine Grenze für weitere Erhöhungen der Steuern.

Hermann-Otto Solms weist selbst darauf hin, daß steuerpolitische Vernunft nicht leicht ist, weil viele Wähler kein Interesse an ihr haben:
Schließlich treffen Erhöhungen der Einkommensteuer nur eine Minderheit der Wähler. Eine Politik zu Lasten weniger lässt sich gegenüber der Mehrheit viel angenehmer vertreten als kontroverse Ausgaben­kürzungen, die alle treffen können.
Aber die FDP will ja nicht die absolute Mehrheit erlangen. Es war und ist ein Grundfehler eines Teils der FDP-Politiker, ihre Politik an denen zu orientieren, die sie ohnehin nicht wählen werden; von der seinerzeitigen Zustimmung zum "Ausstieg aus der Atomenergie" bis hin zu dem Schmusekurs, wie ihn beispielsweise Christian Lindner unter dem Etikett "mitfühlender Liberalismus" propagiert (siehe Lindner, Rösler und die Wahlen in NRW; ZR vom 3. 4. 2012).

Die Politik der FDP sollte diejenigen überzeugen, die als ihre potentiellen Wähler in Frage kommen; von denen sehr viele sie im September 2009 gewählt haben und von denen die meisten danach das Vertrauen in diese Partei verloren haben. Deren Zustimmung gilt es zurückzugewinnen; und dafür sind Vorstöße wie jetzt der von Solms genau das Richtige.­
Zettel



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