26. August 2011

Marginalie: Die Amazon-Revolution. Kindle und das Einkaufserlebnis im einundzwanzigsten Jahrhundert

Gerade habe ich in der Washington Post gelesen, daß nächste Woche die Memoiren von Dick Cheney erscheinen werden, eines der interessantesten amerikanischen Politiker der letzten Jahrzehnte.

Wie es in der seriösen Presse der USA üblich ist, handelt es sich um einen sorgfältigen, informativen und unpolemischen Artikel. In Deutschland kannte man Cheney, als er George W. Bushs Vizepräsident war, ja nur als einen "Scharfmacher". Die deutschen Medien teilen in Gut und Böse ein, und natürlich war Dick Cheney einer der Bösen; der Leibhaftige sozusagen. In den USA wird er wie ein Mensch behandelt, weil dort ein Konservativer nicht automatisch ein Bösewicht ist.

Diese Memoiren eines Insiders der Regierung Bush möchte ich gern lesen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich sie bei Amazon.de für den Kindle bestellt hatte. Ich bekomme sie auf das Gerät; und zwar nächste Woche im selben Augenblick, in dem sie in den USA erscheinen.

Ich werde sie dann so bequem lesen können wie alles auf dem Kindle; mit der Möglichkeit, Begriffe nachzuschlagen, die mir vielleicht nicht geläufig sind. Ich brauche in keine Buchhandlung zu gehen, auch kein Paket auszupacken. Ich muß mich auch nicht der quälenden Frage stellen, wo denn in unserem von Büchern überquellenden Haus noch Platz für dieses neue Buch sein soll.



Der Kindle hat mich zum Amazon-Fan gemacht (siehe Ab Montag wird der Kindle nach Deutschland ausgeliefert; ZR vom 17. 10. 2009, sowie die aktuelle Diskussion in Zettels kleinem Zimmer). Aber der Kindle ist ja nur ein Beispiel.

Ich habe "Versandhandel" à la Neckermann, Quelle und Otto immer gehaßt. Ein "Katalog" mit Artikeln, deren Technik und/oder deren Preise oft schon bei der Drucklegung überholt waren. Vor 1989 viel Ramschware aus der DDR und dem sonstigen Ostblock. Unbestimmt lange Lieferfristen. Meist keine Möglichkeit, vor der Bestellung objektiv die Qualität dessen zu ermitteln, was man bestellte.

Mit diesem "Versandhandel" hat Amazon kaum noch etwas zu tun.

Erstens ist das Angebot ungleich reichhaltiger. Ich habe beispielsweise vor ein paar Tagen eine Hunderampe gekauft, weil unser Hund alt geworden ist und nicht mehr in den Kofferraum des Vans springen kann. Nicht eben ein Alltagsartikel - aber was es auf dem deutschen Markt an Hunderampen gibt, kann man sich bei Amazon ansehen und dort kaufen.

Meist mit Erfahrungsberichten von Käufern. Immer mit einer genauen, detaillierten Beschreibung des Produkts. Wenn ich bei Amazon einkaufe, dann habe ich eine klarere Vorstellung von dem Produkt, als wenn ich in ein Kaufhaus gehen und es mir von einem eifrigen oder mürrischen Verkäufer erklären lassen würde. Das tue ich schon lange nicht mehr. Das Angebot von Amazon ist nicht nur ungleich umfassender, sondern man erhält auch erheblich mehr Informationen über die Produkte als im klassischen Versandhandel; oder beim Besuch eines Kaufhauses oder einer Ladenzeile.

Drittens erhalte ich das Produkt schnell geliefert; mit dem Premium-Service meist am Tag nach der Bestellung. Amazon arbeitet mit verschiedenen Logistik-Unternehmen zusammen. Sie sind nach meiner bisherigen Erfahrung alle pünktlich und zuverlässig. Wenn wir einmal nicht zu Hause sind, wenn geliefert wird, und das Produkt beim Nachbarn abgegeben wird, habe ich sofort eine Mail, die mir das mitteilt. Wenn sich einmal eine Lieferung verzögert, dann erfahre ich das umgehend.



Nur Lebensmittel kaufe ich bisher noch ohne Internet ein. Aber da hat ja Amazon inzwischen auch ein reichhaltiges Sortiment. Wenn ich Schinken kaufen will, kann ich zwischen 594 Angeboten wählen. Ich kann, wenn ich will, meine Lieblingskäse ordern; einen Roquefort, einen Gruyère, einen alten Gouda. Das einzig Störende ist, daß Bio-Produkte stark dominieren, die ich grundsätzlich nicht kaufe. Denn sie sind fast immer überteuert und selten wohlschmeckend.

Aber nun gut; nichts ist perfekt. Das "Einkaufserlebnis" besteht für mich jedenfalls heutzutage nicht mehr darin, daß ich in eine Innenstadt fahre und durch Kaufhäuser und Boutiquen wandere; sondern in der Freude, am Rechner aussuchen, vergleichen und bestellen zu können.
Zettel



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