10. Juli 2010

Zitat des Tages: "Ideologische Überschneidungen zwischen der Neonazi- Szene und islamistisch geprägten Migranten-Milieus". Antisemitismus und Neid

Nach den Steinwürfen arabischstämmiger Kinder und Jugendlicher auf eine jüdische Tanzgruppe in Hannover hat der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, auf ideologische Überschneidungen zwischen der Neonazi- Szene und islamistisch geprägten Migranten-Milieus in Deutschland hingewiesen. Rechtsextremisten und Islamisten, so Fromm zum SPIEGEL, verbinde "ein gemeinsames Feindbild: Israel und die Juden insgesamt".

Aus einer Vorabmeldung zum "Spiegel" der kommenden Woche.


Kommentar: Es ist zu begrüßen, daß der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz auf die ideologische Nähe zwischen Neonazis und Islamisten aufmerksam macht. Es ist eine Nähe, die weiter reicht als der gemeinsame Haß auf Juden; und es ist eine Gemeinsamkeit, die auch nicht auf Neonazis und Islamisten beschränkt ist.

Die Gemeinsamkeit ist nicht auf diese Gruppen beschränkt, sondern man sollte die dritte Spielart des Totalitarismus einbeziehen, den Linksextremismus (siehe Ch. Knobloch über linken Antisemitismus; ZR vom 12.5. 2010).

Und weiter ist dieser Haß, der das eine Mal Züge eines rassistischen Antisemitismus annimmt, ein anderes Mal als Haß auf das "zionistische Gebilde" in Erscheinung tritt, gewissermaßen eingebettet in eine viel weitergehende ideologische Gemeinsamkeit, die wiederum auch die extreme Linke umfaßt. Oskar Lafontaine hat diese übergreifende Gemeinsamkeit einmal trefflich beschrieben:
Es gibt Schnittmengen zwischen linker Politik und islamischer Religion: Der Islam setzt auf die Gemeinschaft, damit steht er im Widerspruch zum übersteigerten Individualismus, dessen Konzeption im Westen zu scheitern droht.
Gegen "übersteigerten Individualismus" und für die Gemeinschaft sind auch die Neonzis. Mit anderen Worten, sie sind gegen die Freiheit des Einzelnen, welche die Grundlage ist für eine Offene Gesellschaft, die Grundlage für den Wettbewerb in einer freien Wirtschaft und für den liberalen Rechtsstaat.

Die Ablehnung eines "übersteigerten Individualismus" und der Antisemitismus hängen deswegen eng miteinander zusammen, weil eine wesentliche Wurzel des Antisemitismus das Ressentiment ist.

Es ist der Neid einerseits auf diejenigen, die im eigenen Land, in der eigenen Gesesellschaft besser sind; die es weiter gebracht haben als man selbst. Auf alle diese jüdischen Ärzte, Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren, erfolgreichen Geschäftsleute, Intellektuellen. Das ist der klassische Antisemitismus der Nazis, der auch im Kommunismus immer wieder hervorgebrochen ist.

Es ist andererseits heute der Neid auf den Staat Israel, der es seinen arabischen Nachbarn vormacht, wie man im Nahen Osten in Freiheit und Wohlstand leben kann; wie man besser und erfolgreicher sein kann als sie. Das ist die Spielart der Judenfeindschaft, die als "Kritik am Zionismus" in Erscheinung tritt. Auch sie aus Neid und Ressentiment geboren.



Lesen Sie einmal, was Friedrich Nietzsche dazu vor mehr als einem Jahrhundert geschrieben hat, in "Menschliches, Allzumenschliches" (1878):
Beiläufig: das ganze Problem der Juden ist nur innerhalb der nationalen Staaten vorhanden, insofern hier überall ihre Tatkräftigkeit und höhere Intelligenz, ihr in langer Leidensschule von Geschlecht zu Geschlecht angehäuftes Geist- und Willens-Kapital in einem neid- und haßerweckenden Maße zum Übergewicht kommen muß, so daß die literarische Unart fast in allen jetzigen Nationen überhand nimmt – und zwar je mehr diese sich wieder national gebärden –, die Juden als Sündenböcke aller möglichen öffentlichen und inneren Übelstände zur Schlachtbank zu führen. (...)

Überdies: in den dunkelsten Zeiten des Mittelalters, als sich die asiatische Wolkenschicht schwer über Europa gelagert hatte, waren es jüdische Freidenker, Gelehrte und Ärzte, welche das Banner der Aufklärung und der geistigen Unabhängigkeit unter dem härtesten persönlichen Zwange festhielten und Europa gegen Asien verteidigten; ihren Bemühungen ist es nicht am wenigsten zu danken, daß eine natürlichere, vernunftgemäßere und jedenfalls unmythische Erklärung der Welt endlich wieder zum Siege kommen konnte und daß der Ring der Kultur, welcher uns jetzt mit der Aufklärung des griechisch-römischen Altertums zusammenknüpft, unzerbrochen blieb.
Antisemitismus ist eben immer auch ein Stück Anti-Aufklärung; ist Anti-Freiheit, ist Anti-Individuum. Es ist schon kein Zufall, daß diejenigen, die mit Lafontaine den "übersteigerten Individualismus" ablehnen und ergo zum totalitären Denken neigen, auch eine Neigung zum Antisemitismus haben. Ob dieser nun braun, rot, oder islamgrün gefärbt ist.



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