4. Juli 2010

Marginalie: Striktes Rauchverbot in Bayern - ein Beispiel für die Fragwürdigkeit Direkter Demokratie

Die Bayern haben sich heute in einem Volksentscheid für das strikteste Rauchverbot aller deutscher Länder ausgesprochen.

Die Bayern? Nein. Es waren genau 23 Prozent der wahlberechtigten Bayern, nämlich 61 Prozent von den 37,7 Prozent, die es für Mühe wert hielten, an dieser Volksabstimmung teilzunehmen.

Oder in absoluten Zahlen: Von knapp 9,4 Millionen wahlberechtigten Bayern haben noch nicht einmal 2,2 Millionen heute entschieden, daß diese 9,4 Millionen in Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen nicht mehr rauchen dürfen; auch nicht in Raucherräumen und dergleichen.

Ausgenommen sind, putzigerweise, psychisch Kranke, für die in Kliniken weiter spezielle Raucherräume zur Verfügung stehen dürfen. Soll'n sie doch rauchen, die Depperten; Raucher sind eh deppert. So interpretiere ich das.



So ist das halt mit der Direkten Demokratie. Ich will nicht behaupten, daß sie nicht funktionieren kann. Dort, wo sie historisch verankert ist, wie in der Schweiz und in den USA, scheint sie ja ganz gut zu funktionieren. Aber ihre Gefahr ist heute wieder einmal deutlich geworden.

In Bezug auf das Rauchen in Gaststätten gibt es, grob gesagt, drei Gruppen:
(A) Diejenigen, die weiter gern in ihre Kneipe gehen und dort rauchen möchten; wenn auch unter den eingeschränkten Bedingungen, die bisher in Bayern galten.

(B) Die Eiferer, für die der Tabak ein Teufelszeug ist, so wie einst den Abolitionisten der Alkohol. Unter ihnen gibt es Kneipenbesucher; aber viele sind auch für das Rauchverbot in Kneipen, obwohl sie dort selten oder nie einen Fuß hineinsetzen. Denn es geht ihnen ja ums Prinzip. Ein solcher Zelot ist auch für ein Rauchverbot in Flugzeugen, selbst wenn er wegen Flugangst noch nie ein Flugzeug von innen gesehen hat.

(C) Diejenigen, denen das schlicht egal ist. Es ist ihnen wurscht, weil sie ohnehin kaum in Gaststätten gehen oder weil sie dorthin gehen, es aber nicht störend finden, wenn andere dort ihr Raucherzimmer haben. Diese dritte Gruppe ist offenkundig in Bayern in der Mehrheit; 62,3 Prozent der Wahlberechtigten nahmen nicht an der Abstimmung teil.
Deren Ergebnis hing folglich davon ab, ob sich die Gruppe (A) oder die Gruppe (B) durchsetzen würde; welche der Minderheiten also über die andere siegen würde. Heute in Bayern hat die Minderheit der Eiferer gegen die Minderheit der rauchenden Kneipenbesucher obsiegt.

Das ist Direkte Demokratie. Wünschenswert kann ich das nicht finden.

Es gibt viele Minderheiten, denen andere, eifernde Minderheiten gern das Leben schwer machen würden. Wie würde wohl ein Volksentscheid ausgehen, der den Schießsport verbietet, eine Ehe zwischen Homosexuellen oder die Erzeugung von Strom mittels Nuklearenergie?

Ein grundlegendes Prinzip der Demokratie ist dasjenige der Mehrheitsentscheidung. Ein Grundprinzip des liberalen Rechtsstaats ist aber der Minderheitenschutz. Daß eifernde Minderheiten sich durch geringe Wahlbeteiligung wie Mehrheiten benehmen und damit die Freiheiten von anderen Minderheiten einschränken können, scheint mir weder besonders demokratisch noch gar im Sinn des liberalen Rechtsstaats zu sein.



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