15. Juli 2010

Marginalie: Schönes neues Nordrhein-Westfalen. Das seltsame Kabinett Kraft

Wenn Sie bis vor ein paar Minuten zu "Welt-Online" gingen, dann sahen Sie unter der Überschrift "Das neue Kabinett in Nordrhein-Westfalen" dieses Bild.

Nun, ganz so schlimm ist es nicht. Aber einige Seltsamkeiten weist dieses Kabinett Kraft doch auf.

Arbeitsminister (kurioserweise auch zuständig für "Integration") wird Guntram Schneider, bisher Vorsitzender des DGB-Landesbezirks NRW. Ein lupenreiner Lobbyist, nämlich seit 1974 hauptamtlicher Gewerkschafts-Funktionär.

Kaum jemanden wird diese Personalie vermutlich aufregen. Gewerkschafter gelten ja auch, anders als die Interessenvertreter der Arbeitgeber, nicht als Lobbyisten, seltsamerweise.

Man stelle sich aber die öffentliche Erregung vor, wenn eine CDU-geführte Regierung den, sagen wir, Präsidenten der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen zum Wirtschafts- oder gar zum Arbeitsminister gemacht hätte!

Unter der CDU-FDP-Regierung war das Arbeitsministerium auch für Gesundheit zuständig gewesen; man kann seinen Internetauftritt noch im Google-Cache sehen. Die neue Regierung leistet sich hingegen ein eigenes Gesundheitsministerium. Freilich ist dessen Chefin, Barbara Steffens, nicht nur für Gesundheit zuständig, sondern für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter.

Eine aparte Zusammenstellung von Aufgaben, finden Sie nicht? Es gibt nämlich auch noch ein Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, geleitet von Ute Schäfer. Bis gestern hieß es Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Im Augenblick ist dessen alte WebSite noch hier zu sehen.

Jetzt also hat man dieses Ministerium (Motto: "Den Zusammenhalt der Gesellschaft im demografischen Wandel aktiv gestalten") zerschlagen. Familie, Kinder und Jugend sind ihm geblieben, aber aus "Frauen" wurde "Emanzipation", und aus "Generationen" wurde "Alter" und "Pflege". Beides gehört nun zur Gesundheit.

Besser läßt sich die Ideologie dieser neuen Regierung kaum illustrieren: Frauenpolitik wird mit Emanzipationspolitik gleichgesetzt, und von den Generationen bleiben Familie, Kinder und Jugend zusammen im einen Ministerium, während die Alten der "Pflege" zugeschlagen und ins Gesundheitsministerium befördert werden.

Und da wir bei Ideologie sind: Bis gestern gab es in Düsseldorf ein Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (der Link führt zu dem alten Internet-Auftritt, der im Augenblick noch nicht aktualisiert ist). Künftig wird dieses Ministerium anders heißen, nämlich Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.

Die Reihenfolge in der Amtsbezeichnung eines Ministeriums gibt an, welchen Rang die Regierung den einzelnen Aufgaben zuweist. Der "Klimaschutz", was immer das sein mag (wie und wovor schützt man ein Klima?) rangiert jetzt vor der Umwelt und der Landwirtschaft, vor dem Naturschutz und dem Schutz der Verbraucher.

Schönes neues Nordrhein-Westfalen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.