29. Mai 2009

Marginalie: Stell dir vor, es sind Europawahlen und keiner geht hin. Nebst einer Anmerkung zur Lage der FDP

Heute in einer Woche laufen in einigen Ländern schon die Europawahlen; wir in Deutschland wählen dann bekanntlich am Sonntag. Also Endspurt, Wahlfieber? Eine Umfrage nach der anderen?

Ach nein. Stell' dir vor, es sind Europawahlen, und keiner geht hin. Das scheint die allgemeine Stimmung zu sein.

Ein einziges Institut hat eine aktuelle Umfrage publiziert; Infratest dimap für die ARD. Die Werte unterscheiden sich kaum von den Anfang des Monats gemessenen:

Die Union kann auf einen klaren Wahlsieg hoffen (39 Prozent); die SPD ist mit 26 Prozent weit abgeschlagen. Wie schon bei den Umfragen im April, über die ich Anfang des Monats in diesem Artikel berichtet habe, ist das Stärkeverhältnis von FDP und Grünen umgekehrt wie bei Umfragen zur Bundestagswahl: 12 Prozent für die Grünen, nur 9 Prozent für die Liberalen.

Nimmt man allerdings die letzten Europawahlen am 13. 6. 2004 als Vergleichswert, dann dürfte die FDP zulegen (damals nur 6,1 Prozent), während die Grünen sich ungefähr halten würden.

Auch die Werte für die beiden großen Parteien relativieren sich, bezieht man sie auf die letzte Europawahl. Damals war die Regierung Schröder auf einem Tiefpunkt ihrer Popularität. Die SPD erreichte nur 21,5 Prozent, die Union aber traumhafte 44,5 Prozent.

Man kann also unschwer vorhersagen, wie die Kommentare am Wahlabend ausfallen werden: Die Union wird sich freuen, daß sie weit vor der SPD liegt. Die SPD wird argumentieren, daß sie gegenüber 2004 kräftig zugelegt hat, während die Union ebenso deutlich verloren habe.



Und warum liegt die FDP in dieser Umfrage erneut so viel niedriger, als es die national gemessenen Werte weit über 10 Prozent eigentlich erwarten lassen?

Ich habe in dem vorausgehenden Artikel argumentiert, daß unter den Anhängern der FDP besonders viele Euroskeptiker sein dürften, denen die Bevormundung durch Brüssel nicht gefällt.

Vielleicht sollte man die Sache aber auch anders herum sehen: 9 Prozent, das ist für die FDP, betrachtet man Umfragen und Wahlergebnisse über einen längeren Zeitraum, ja eigentlich ein ganz normaler Wert. Vielleicht sollte man sich eher fragen, warum die FDP national im Augenblick deutlich höher liegt.

Dieser Höhenflug begann, wie man hier sehen kann, recht plötzlich im Januar dieses Jahres; bis dahin hatten über viele Monate die Grünen, die Liberalen und die Kommunisten gleichauf bei um die 10 Prozent gelegen. Die Vermutung liegt nahe, daß damals - es begann die Diskussion um staatliche Interventionen, gar um ein Verstaatlichungs- Gesetz - liberal denkende Unions- Wähler zur FDP gewechselt sind.

Aber eben nur auf der nationalen Ebene, aus diesem konkreten Motiv heraus. Sie können ebenso schnell wieder bei der Union sein, wie sie von ihr weg waren. Die Weigerung der FDP, sich auf dem Parteitag in Hannover auf eine Koalition mit der Union festzulegen, könnte das beschleunigen. Wer von der Union zur FDP wechselte, weil die Union ihm nicht mehr liberal genug erschien, der wird schwerlich das Risiko eingehen, mit seiner Stimme indirekt einen Kanzler Steinmeier zu wählen; dazu Minister wie Künast und Trittin.

Sieht man sich die verlinkte Grafik an, dann kann man durchaus den Eindruck gewinnen, daß sich die FDP bereits wieder in Richtung auf ihre traditionellen Werte bewegt. Die nächsten Umfragen werden das genauer zeigen.

In der aktuellen Umfrage zur Europawahl haben Union (39 Prozent) und FDP (9 Prozent) zusammen 48 Prozent. In der letzten nationalen Umfrage desselben Instituts (Infratest dimap vom 15. 5.) hatten Union (35 Prozent) und FDP (13 Prozent) zusammen ebenfalls 48 Prozent. Das bürgerliche Lager ist bemerkenswert stabil. Nur daß Guido Westerwelle es nicht als ein bürgerliches Lager sehen möchte.



Ich habe Anfang des Monats allen Liberalen empfohlen, zur Europawahl zu gehen, um die FDP zu stärken. Ich möchte diese Empfehlung jetzt bekräftigen. Ein Wahlergebnis von 9 Prozent wäre für die FDP ein denkbar schlechter Start in dieses Wahljahr.



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