16. Dezember 2021

Randbemerkung: Omikron und der Zeitgeist

Es gab eine Zeit, da war die westliche Welt eine optimistisch positive. Die Älteren von uns werden das noch erinnern, aber die sechziger und siebziger Jahre, vielleicht auch noch die achtziger waren eine Zeit großer Hoffnung auf den Fortschritt, man strengte sich an, damit es die Kinder einmal besser haben würden und irgendwo war der Zeitgeist ein fast Jugendlicher, der zunächst mal die positiven Dinge betont hat und Gefahren und Ängste zumindest nicht in den Vordergrund stellte.

Das fand ein zwar nicht jähes aber doch schleppendes Ende mit dem grundsätzlichen Politikwechsel, der in der gesamten westlichen Welt Anfang der siebziger Jahre begann und dann mehrere Jahrzehnte später zunehmend dominant wurde und irgendwo da raus kam, wo wir heute sind. Würde man polemisieren wollen würde man hier den "Marsch durch die Institutionen" erwähnen, die 68er, die Grünen und die Umweltbewegung an sich, aber darum soll es ausnahmsweise hier gar nicht gehen. Was man beobachten kann ist ein genereller Wechsel der Betrachtung des Lebens an und für sich, und gerade dieser Tage wird uns in Deutschland eindrucksvoll klar gemacht, wie stark dieser Wandel sich inzwischen in die Gesellschaft gegraben hat.

So gibt es eine "neue" (naja, was ist schon neu? Ein paar Wochen ist das ganze zumindest in Fachkreisen wohl bekannt) Mutation von Corona, aufgrund der Angst der WHO vor China nicht Xi sondern jetzt eben Omikron Variante genannt. Diese Variante soll wohl zuerst in Südafrika beobachtet worden sein und verbreitet sich derzeit über den ganzen Planeten (trotz vieler ganz toller Maßnahmen, die ungefähr so erfolgreich sind wie in Deutschland die Gesetze zur Schuldenbremse). Dabei hat Omikron zwei recht interessante Eigenschaften, bzw. mindestens eine ziemlich gesicherte und eine mögliche Eigenschaft. Als eher gesichert gilt das Omikron ziemlich erfolgreich ansteckend ist, seine Verbreitungsgeschwindigkeit ist hoch und zeigt die üblichen exponentiellen Wachstumsraten die man von "erfolgreichen" Viren kennt. Die zweite Eigenschaft ist dagegen noch nicht gesichert, scheint aber nun eher erfreulicher Natur zu sein: Omikron scheint recht gut dem Menschen angepasst zu sein, d.h. seine bisherige Tödlichkeit erinnert eher an eine Erkältung als an eine Grippe. Berichte aus Südafrika beschreiben einen mehrere Tage andauernden Müdigkeitszustand, aber bis dato nahezu keine Todesfälle und auch bei den bisher in die Welt exportierten Omikron-Varianten scheint dieses Muster sich zu bestätigen. Selbst den Hobby-Virologen kann dieses Verhalten nicht unbedingt überraschen, so tendieren Viren generell dazu sich ihrem Wirt mehr und mehr anzupassen und damit ansteckender aber deutlich weniger tödlich zu werden. Der Mechanismus dahinter ist einfach wie er Banane ist: Für eine Virenmutation sind beide Eigenschaften ein evolutionärer Vorteil gegenüber anderen Varianten. 

Und jetzt betrachte man eine solche Variante mal aus einem optimitischen Blickwinkel: Ist doch super! Da kommt eine Virusvariante, die allem Anschein nach keine dramatischen Folgen nach sich zieht und tut gleich zweierlei: Sie verdrängt die gefährlicheren Varianten und immunisiert gleichzeitig gegen diese. Besser geht doch gar nicht. Das ist wie eine Gratisimpfung mit dem Nebeneffekt, dass sie nur Leute immunisiert, die nicht schon durch irgendeine andere Art bereits immun sind, sei es natürliche Immunität, eine durchlebte Corona-Infektion oder eine frische tatsächliche "Impfung". Wenn Omikron eins tun sollte dann Hoffnung verbreiten. Das heißt nicht, dass es so harmlos bleiben muss, aber ein positiver Mensch würde doch erst einmal das Potential und die Chance betrachten, die deutlich bessere Aussichten hat als die sich als inzwischen immer schlechter herausstellenden Impftstoffe. 

Aber in Deutschland ist es genau umgekehrt: Die Angst geht um. Oh, oh, es kommt Omikron. Besser nochmal nachboostern. Am besten im Monatsabstand. Oder gleich ein neuer Impfstoff und den dann dreimal. Wobei ich verstehen kann, dass den Lauterbachs, Drostens, Wielers und Söders der Popo auf Grundeis geht. Wenn sich das Corona Problem so lösen würde, sind alle vier in absehbarer Zeit wieder so unwichtig wie sie vorher waren. Auch Pfizer, bzw. Biontech hat natürlich Grund zur Sorge, das Geschäftsmodell ist in Gefahr. Und wir reden hier von Milliardenumsätzen in Deutschland und weltweit im Bereich von mehreren zehn Milliarden Euro. 

Aber es sind eben nicht nur die vier oder eben Pfizer, es ist auch nahezu der gesamte öffentliche Betrieb der Angst hat. Und ich vermute gute Teile der Bevölkerung auch. Weil, und jetzt schließe ich den Kreis, ein Umdenken stattgefunden hat. Und nicht durch Corona. Deutschland ist im sprichwörtlichen Sinne massiv gealtert, aber eben nicht nur im Bezug auf das tatsächliche Alter der Bevölkerung sondern auch die Mentalität ist gealtert. Angst gibt den Vorrang. Und neue Dinge erzeugen bei vielen alten Menschen eben Angst und nicht Hoffnung. In der Jugend ist es umgekehrt, neue Dinge machen Hoffnung und Appetit auf das unbekannte. 

Thilo Sarrazin hat mal in einem Interview erzählt, dass einer der Arbeitstitel seines Bestsellers "Deutschland schafft sich ab" einmal "Deutschland im Abendlicht" gewesen ist. Das Bild hat mich seither nicht mehr losgelassen, denn es drückt das Problem dieses Landes viel besser aus als das doch eher schnöde abschaffen. Deutschland ist müde, Deutschland ist alt, aber eben nicht nur in Personen sondern in der Mentalität. Und das ist ein viel besserer Ansatz für den Niedergang als die ganzen Problemchen, die man sonst dafür diskutiert. Es ist die Hoffnung die fehlt, die Lust auf das Unbekannte, der Wille zum Risiko um etwas zu gewinnen, der Wille nach mehr, all die Eigenschaften, die man mit einer funktionalen Jugend assoziieren möchte. 

Letzter Nachgedanke: Alterung der Bevölkerung hat es schon immer gegeben. Schon bei den alten Griechen hiess es Sokrates verderbe die Jugend. Ich glaube die Besonderheit an der heutigen Situation ist eine andere: Heute verlassen die Jugendlichen vielfach schon "alt" die Schule. Sie sind brav domestiziert, sie haben Angst vor dem Unbekannten, suchen safe-spaces, fürchten den Konflikt, betrachten Technologie mit Sorge und sind generell wegen allem verunsichert, dass sie nicht kennen. Als Berufswunsch geben sie lieber Beamter als Selbstständiger an, Verantwortung nehmen sie als kollektives und nicht als individuelles Konzept war. Dazu passt Corona ganz hervorragend. 

Und es wäre, unabhängig davon, dass es schön wäre, wenn die ganze Krise sich von alleine löst, lustig zu sehen mit welchen Verrenkungen man in Deutschland die eigene Haltung versucht schön zu reden. 

Aber gut, dass wir geboostert haben. 

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Llarian

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