29. Januar 2020

Hurra, hurra, wir fliegen mit Picard

Einige Monate hat es nun gedauert, aber am vergangenen Freitag war dann der große Tag: Amazon veröffentlichte den ersten Teil von "Star Trek-Picard", eine aktuelle Star-Trek Auskopplung, die neben der eigentlich aktuellen Serie Discovery so eben nebenbei läuft. Da es sich kaum um die selben Zeitlinien handelt, ist das vom dramaturgischen Standpunkt ziemlich unproblematisch.

Wie der Name schon sagt ist Star-Trek Picard ziemlich auf eine Person herunter gebogen, den früheren Captain Jean-Luc Picard, der die Enterprise (1701-D) sieben Jahre lang kommandierte und damit die zentrale Figur der TNG gewesen ist. Was an sich nicht unbedingt eine schlechte Idee ist, da Patrick Steward (im Unterschied zu einigen seiner Kollegen) durchaus auch schauspielerisches Talent sein eigen nennt. Es könnte also alles sehr schön sein, und prinzipiell wäre die Serie für jeden Star Trek Fan (oder zumindest Sympathisant) eigentlich ein ziemliches Muss sein. Wenn da nicht ...


Ja, wenn da nicht. Wenn da nicht die Brechstange wäre. Und die ist ein zunehmendes Problem, nicht unbedingt nur mit Picard sondern zunehmend mit Filmen und Serien aus Hollywood, die allesamt meinen ihre Zuschauer möglich schnell und möglichst belehrend so gut und stark wie möglich zu erziehen. 

Star Trek war, wie viele Science-Fiction Visionen, immer sehr stark im Utopischen unterwegs. Es wurde nicht nur eine bessere Technik ersonnen, sondern vielfach werden auch Gesellschaftsentwürfe und damit auch Werte und Normen diskutiert. Das war schon in der ersten Star Trek Serie (heute als TOS bezeichnet, im deutschen als "Raumschiff Enterprise" bekannt) der Fall. Star Trek entstand Mitte der sechziger Jahre, eine Zeit in der Rassismus durchaus noch gesellschaftlich verbreitet war und sich durchaus auch in Gesetzen fand. So war beispielsweise 1967 (drei Jahre nach dem ersten Star Trek Pilotfilm) in 16 amerikanischen Bundesstaaten noch ein Verbot von Mischehen Gesetz (heute wäre schon der Begriff ein Affront). Star Trek selbst war aber nie rassistisch, im Gegenteil:  1968 fand einer der ersten Filmküsse zwischen einer schwarzen Frau und einem weißen Mann (die Gelehrten dürfen sich gerne darüber den Schädel einschlagen, ob es der erste oder nur einer der ersten war) in Star Trek statt. Und das in einer Zeit wo es viel Ärger deswegen gab. Aber es lag in der Logik der Utopie, die sich Roddenberry vorgestellt hatte. Insofern war Star Trek auch immer politisch. Aber es war visionär politisch. Es wurde eine Vision in den Raum gestellt wie die Zukunft sein könnte (oder sollte). Nicht im Erziehungsauftrag sondern eher im Stil von: So isses eben. 
Das Konzept wurde in Star Trek lange verfolgt und in der von Picard angeführten zweiten (oder eben  "nächsten") Generation noch deutlich vertieft. Zwar gab es auch in dieser Vision wieder eine allzu schablonenhafte Diskriminierung in schwarz und weiß (die größte Schwäche von Star Trek), aber das Ganze wurde zumindest subtil vorgetragen. Bezüge zum großen Ganzen waren immer vorhanden (die Russen als Klingonen, die Cardassianer als die Nazis, die Bayoranen als die Juden, etc. pp.) aber zum einen war Star Trek nicht tagespolitisch, zum anderen wurden die Akzente nicht mit der Brechstange gesetzt. Um es auf die ganz simple Schiene zu stellen, der oben genannte Kuss war zwar durchaus vorhanden, aber er wurde einem nicht permanent ins Gesicht gedrückt mit der festen Absicht einen zu belehren.  

Nach einer Serienfolge ist es noch schwer zu beurteilen, aber es entsteht der Eindruck als würde diese Zurückhaltung zumindest für Star-Trek Picard nicht mehr gelten, was es leider(!) mit vielen modernen Produktionen gemein hat. Das derzeit Hollywood am meisten beherrschende Thema "Diversität" hängt schon über der ersten Folge. Aber auch Flüchtlingspolitik und eine scheinbar despotische, vor allem aber empathielose Administration wird thematisiert. Man darf sich fragen ob das 23. Jahrhundert unbedingt ein Zerrspiegel der aktuellen Gesellschaft sein muss und was das noch mit der ursprünglichen Vision von Roddenberry zu tun hat.
Und das Problem ist weit verbreitet: Solo wäre eigentlich ein schöner Star-Wars gewesen, aber muss einem unbedingt die (aus der ursprünglichen Filmen absurde Idee) "Pansexualität" von Lando Calrissian permanent ins Gesicht geworfen werden? Valerian hatte gute Tricktechnik, einen sehr guten Regisseur, ein Riesenbudget und eine erfolgreiche Comicvorlage. Muss einem da unbedingt dieses billige Zeitgeist-Anbeetungsnummer rauskommen? Von Nullnummer wie Ghostbusterinnen nicht einmal angefangen.

Dabei könnte man durchaus mit ein wenig(!) Subtilität leben. In der aktuellen Star-Trek Verfilmung von Abrams wird in einer kleinen Szene gezeigt das Sulu eben einen Ehemann hat. So what? Das ist eine kleine Verbeugung (im englischen würde man sagen "nod") an George Takei, der ursprünglich den Sulu spielte und im realen Leben eben tatsächlich schwul ist. Kein Problem. Teil der ganz normalen Realität und da Sulus Sexualität im ursprünglichen Star Trek nicht thematisiert wurde, auch dramaturgisch kein Problem. Aber es ist eben nicht: In your face!
Aber vielleicht kommt es ja anders und ich irre mich. Und Star Trek Picard will doch nur unterhalten. Man soll ja immer positiv denken. Aber ich werde mich nicht irren.

Llarian

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