1. November 2019

PRO: Warum eine schwarz/blau/gelbe Koalition Sinn machen würde

Ab und zu gibt es in Zettels Raum die Kategorie Pro & Contra, in der zwei Autoren in einer bestimmten Frage gegensätzliche Ideen diskutieren. Aufgrund der aktuellen Situation in Thüringen haben ich und Meister Petz uns entschieden einen solchen Beitrag zu verfassen. Im folgenden Beitrag lesen Sie die von mir verfasste Pro Seite, kurzfristig wird die Contra Seite zugefügt.

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Zugegeben: Ich glaube nicht wirklich daran, dass eine solche Koalition wirklich zustande kommen könnte, es gibt sehr gute Gründe anzunehmen, dass eine solche für CDU und auch die FDP verheerend ausgehen würde. Die FDP würde in den Medien systematisch bespuckt, gevierteilt, gehängt und erschlagen werden (und anschließend würde es unangenehm werden) und die Karriere von Mohring wäre mit dem Merkelschen Bannstrahl auch beendet, bevor sie eigentlich so richtig begonnen hätte. 

Dennoch wäre eine solche Koalition nicht die dümmste aller Ideen für das Land selber. Und es spricht weit mehr dafür als nur das dumme Gesicht eines Lars Klingbeil (der es auch vorgestern wieder nicht lassen konnte, angesichts eines weiteren, desaströsen SPD-Absturzes gegen die FDP zu hetzen), wobei das sicher schon ein sehr guter Grund wäre. 

Zunächst ganz simpel: Die AfD ist eine Tatsache. Da kann man sich noch so sehr vor verstecken wie Angela Merkel das tut (die noch auf ihrem Totenbett nicht begreifen wird, was sie vielleicht falsch gemacht haben könnte), aber die AfD ist keine vorübergehende  Modeerscheinung sondern eines handfeste politische Größe. Und nicht deswegen weil sie streng an ihrem Rand riecht, sondern obwohl(!) sie an ihren Rändern streng riecht. Das ganze unter "Alles Nazi" abzulegen, wie es derzeit die SPD (und das enorm(!) erfolgreich) betreibt ist nicht nur nicht allzu hilfreich, es bewirkt tatsächlich eher das Gegenteil. Die AfD wächst unter dieser Zuschreibung, weil sie am Ende nicht mehr als die Hilflosigkeit derjenigen aufzeigt, die außer solchen Zuschreibungen nichts zu bieten haben. Wenn also die AfD in dem Sinne weiter ignoriert wird, dann führt das vor allem zu einem: Einer stärkeren AfD. Vor allem und primär deswegen, weil die Existenz und der Erfolg derselben ja einen simplen Grund hat: Ein politisches Anliegen. Und dieses Anliegen ist eben nicht permanent den rechten Arm heben zu wollen und mehr Sauerkraut auf dem Teller haben zu wollen. 

Um es noch weiter zu simplifizieren: Weniger die AfD sondern der politische Grund, warum die AfD so erfolgreich ist, muss(!) adressiert werden. Weder die SED noch die Grünen oder die SPD sind dazu in der Lage, die ganze Problematik kann nur von Leuten gelöst werden, die in er Lage sind den Elefanten im Raum auch nur zu sehen. 

Wenn es nun wirklich eine Neuauflage der Regierung Ramelow gibt (und das steht bei Licht betrachtet an, eben mit oder ohne die direkte Beteiligung der CDU) ist das am Ende nichts weiter als ein weiteres Konjunkturprogramm für die AfD. Denn Ramelow (so "pragmatisch" er am Ende auch sei (erstaunlich wie sehr sich die Presse abmüht, ihn permanent so zu bezeichnen)) wird den Elefanten nicht adressieren. 

Das kann einem aus politischer Sicht eigentlich egal sein, aber es gibt zwei triftige Gründe die dagegen sprechen lange zu warten: 1. Das Problem wird nicht kleiner. Es wird größer. Und so lange es nicht adressiert wird, wird es stärker, völlig unabhängig davon ob es der AfD nützt oder nicht. 2. Noch(!) ist die AfD vergleichsweise schwach aufgestellt. Auch ein Björn Höcke kann nicht real nach dem Ministerpräsidentenmantel verlangen, er ist schlicht nicht vermittelbar. Das wird sich ändern. Wenn die AfD bei 30% steht (wenn die CDU sich offiziell an die SED bindet, dann wird es noch deutlich mehr), wird die Welt noch einmal anders aussehen. Es ist davon auszugehen, dass die AfD in ihrer jetzigen Verfassung nicht mehr umsetzen will, als das, was in ihrem Wahlprogramm steht (und das ist ziemlich undramatisch), das wird kaum mehr der Fall sein, wenn sie sich wirklich anschickt Richtung absoluter Mehrheiten zu marschieren. Und, man vertue sich da nicht, das kann schneller passieren, als einem lieb ist, die Zeiten werden rauer und unlustiger und den deutschen Medien entgleitet ihre jahrelange Kontrolle langsam aber doch sicher.
Oder noch anders: Wer die Interessen eines wachsenden Teiles der Bevölkerung nicht endlich ernst nimmt, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann die Völkischen tatsächlich dominieren. 

Ein weiterer Grund sei auch nicht zu verachten: Was ist die Alternative? Die Alternative hat einen Namen und der Name ist SED. Man kann viel Böses über die AfD sagen, aber sie hat nicht ein Volk 40 Jahre eingesperrt (davon 28 Jahre ganz real) und knappe 1000 von diesen Menschen ermordet. Sie hat auch keine Gefängnisse für politische Gefangene unterhalten und tausende von Kindern ihren Eltern weggenommen. Sie hat ebenso keine Wahlen gefälscht, Menschen beraubt und unterdrückt, sie hat keinen Terrorismus unterstützt. All das (und noch viel mehr) hat die SED alles getan. Und sie hat dafür bis heute(!) keine Wiedergutmachung geleistet (sondern sitzt immer noch dick auf ihrem geraubten Geld), sie ist nicht einmal bereit die Dinge wirklich beim Namen zu nennen und obendrein versucht sie alles um genau diesen Zustand wiederherzustellen. Man sollte nicht vergessen, dass die meisten Schweinereien, die man der AfD erst einmal nur unterstellt zu wollen, von der SED bereits tausendfach umgesetzt wurden. Und genau diese Partei soll nun ausgerechnet dort weiterregieren, wo noch etliche ihrer Opfer leben? 
Der Vergleich SED/AfD lohnt sich. Man schaue mal in die Programme rein, in die Grundsätze, in die Bekenntnisse. Dann stellt man nämlich fest, dass es mit der angeblich so demokratischen Partei SED nicht allzu weit her ist. Die AfD stellt die Systemfrage nicht. Die SED dagegen stellt sie nicht nur, sie hat sie bereits eindeutig und einschlägig beantwortet.

Und da komme auch keiner mit: Ein Demokrat muss sich von allen Radikalen fernhalten, sowohl links wie auch rechts. Das ist schlicht realpolitischer Blödsinn und führt am Ende nur in einen sehr, sehr einsamen Elfenbeinturm, der mit der Realität so gar nichts zu tun hat. Die Wähler haben nun einmal genau so gewählt und man muss sich damit abfinden, obs einem passt oder nicht. Und wem die AfD zu blöde, doof, rechts, braun, spiessig oder was auch immer ist, der muss sich darüber klar sein, welche Alternative dann bleibt. Nichts tun ("das geht mich alles nichts an, ich setze mich hin und mache gar nichts") ist KEINE Alternative. 

Letzter Gedanke: Es wird immer gerne argumentiert, man mache damit die AfD "salonfähig". Ja, herrschaftszeiten, warum denn bitte nicht? Glaubt denn noch irgendjemand die Verteufelungstaktik, die seit Jahren nun gefahren wird, hält heute noch irgendjemanden davon ab die AfD zu wählen? Glaubt denn wirklich jemand, ein Wähler brauche die "Adelung" durch eine Koalition, um damit endlich sein Kreuz bei der AfD machen zu dürfen? Das ist die selbe, absurde Logik, die bei der SPD derzeit dafür sorgt, dass man nach dem erfolgreichen Umsetzen des Projektes 18, jetzt das Projekt 8 in Angriff genommen hat. Ein Viertel der Wähler will nicht hören, dass sie nicht stubenrein sind, extrem blöde und ansonsten eigentlich alles Nazis. Und eben auch nicht, dass sie nicht "salonfähig" wären. Die AfD ist genauso salonfähig wie die SED, die CDU oder die Grünen.
Und legen wir das bitte wenigstens einen Moment auf die tatsächliche Goldwaage: Glaubt denn irgendjemand, mal ab von Ralf Stegner oder Claudia Roth, dass in Thüringen wirklich die Bevölkerung zu einem Viertel aus Nazis besteht oder daran glaubt Nazis zu wählen? Merkt eigentlich irgendjemand wie unglaublich unverschämt das eigentlich ist? 

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Llarian

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