21. November 2017

Zitat des Tages: Die Schönheit des Scheiterns

Die Jamaika-Unterhändler haben also bewiesen, dass man sich trotz ideologischer Differenzen annähern kann, gleichzeitig die eigenen Grundüberzeugungen nicht verlieren muss – und am Ende auch zum eigenen Misslingen stehen sollte. Schöner ist noch keine Koalition gescheitert.
Ferdinand Otto, DIE ZEIT

Kommentar:

Ich weiß ja nicht, welche Sondierungsgespräche Herr Otto von der ZEIT verfolgt hat. Ich bin nicht einmal sicher, über welches Land er berichtet, was die politische Kultur angeht.

Lesen Sie sich den ganzen Text durch und helfen Sie mir dabei. Herr Otto beschreibt da einen "liberalen Grundkonsens" der politischen Mitte, in dem sich "jeder vertreten fühlen kann", selbst Zuwanderungs- und Homoehengegner, Dieselfreunde und Wirtschaftsliberale. Im "konstruktiven Streit" und "Wettbewerb der Ideen" werden dann Entscheidungen herbeigeführt.

Diese Beschreibung ist zu schön, um wahr zu sein. Und sie ist es auch nicht. Otto verdrängt geradezu die in den letzten Jahren gerade in den Bereichen Zuwanderung, Energie und Umwelt, aber auch Ehe und Familie immer geringer werdende Vielfalt an als diskutabel angesehenen Positionen. Man muss auch sagen, dass sein Arbeitgeber, die ZEIT, gemeinsam mit anderen Medien dazu erheblich beigetragen hat. Und deshalb ist es natürlich wohlfeil, den "Zauber der lebendigen Bürgergesellschaft und des Parlamentarismus" gegen die "Rechtspopulisten" ins Feld zu führen und den "Einheitsbrei"  (im ZR-Jargon: "Mehltau") zu bestreiten, der diese erst groß gemacht hat.

Ich will Ottos Ansatz gar nicht kritisieren und finde ihn wunderbar - wenn bei ZEIT, SPIEGEL, taz und co. lauter Ottos unterwegs wären, hätten wir ein großes Problem weniger. Aber er gibt halt nicht die Realität wieder, und ein großer Teil seiner Zunft nutzt leider ihre Redakteursposition dazu aus, um genau seine Position journalistisch zu bekämpfen. 

Trotzdem hat es gut getan, in einer ex-liberalen Zeitung, die ich seit 20 Jahren abbestellt habe, mal wieder eine liberale Stimme zu lesen. Auch wenn sie an Naivität nicht zu toppen ist... 
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Meister Petz

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