In Deutschland passieren täglich Verbrechen, das ist soweit nichts besonderes. Und die Justiz, die ja blind ist, bemüht sich des Öfteren zu betonen, wie neutral sie versucht damit umzugehen, so dass jedem Verbrechen seine gerechte Strafe folgt und jedes Opfer gleich behandelt wird. Und die deutsche Öffentlichkeit, auch wenn sie sich nicht so blind wähnt, will dem natürlich nachfolgen. Wie schwierig das ist, und wie gut das funktioniert, möchte ich anhand von zwei Beispielen aufzeigen, die sich in den vergangenen Tagen ereignet haben. Natürlich sind zwei Taten nie gleich, aber man kann doch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen:
Die erste Tat ereignete sich am frühen Sonntagmorgen in Oberhausen. Die meisten Leser werden davon nichts wissen, weil es die Berichterstattung, mit wenigen Ausnahmen, kaum über die Lokalpresse geschafft hat. Es gerieten zwei Gruppen in einem Bus in Streit, der Streit eskalierte und beide Gruppen wurden vor die Tür gesetzt. Die eine Gruppe, bestehend aus drei Personen, zogen anschließend Messer, woraufhin die andere Gruppe, bestehend aus neun Personen, flüchtete. Auf der Flucht kamen zwei der flüchtenden Personen zu Fall, woraufhin beide mit Messern am Boden attackiert wurden. Beide Personen wurden schwer verletzt, die eine liegt immer noch im Krankenhaus (und ist inzwischen wieder außer Lebensgefahr), die andere im Leichenschauhaus.
Die zweite Tat werden die allermeisten Leser kennen: Der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, wurde am Montag abend das Opfer eines Messerangriffs. Der Täter überfiel ihn an einer Imbissbude, nahm ihn in den Schwitzkasten und drückte ihm ein Messer an den Hals. Er erlitt eine leichte Schnittwunde und konnte das Krankenhaus am Montag abend verlassen.
Interessant sind vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Fällen:
- In Fall eins findet die Medienberichterstattung im Wesentlichen in der Lokalpresse statt. Wesentlicher Berichterstatter ist "Der Westen", einzelne Artikel findet man auch in Focus, Welt & Bild.
- In Fall zwei gibt es nahezu keine deutsche Zeitung, die nicht in dicken Artikeln darüber berichtet.
- In Fall eins ist bisher unbekannt, ob sich ein Politiker dazu geäussert hat.
- In Fall zwei ist inzwischen die ganze Riege beschäftigt, bis zur Frau Bundeskanzler.
- In Fall eins liegt ein Opfer im Krankenhaus und wurde "nur" lebensgefährlich verletzt, das andere ist tot.
- In Fall zwei liegt eine leichte Schnittwunde vor.
- In Fall eins ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen und die lokale Polizei.
- In Fall zwei ermittelt inzwischen der Leiter der Haagener Mordkommission, der Oberstaatsanwalt und der Staatsschutz.
- In Fall eins wurden inzwischen Haftbefehle ausgestellt. Wegen vollendetem und versuchtem Totschlag.
- In Fall zwei liegt ebenso ein Haftbefehl vor. Wegen versuchten Mordes.
- In Fall eins sind die Täter wohl eine Gruppe von "Südländern" marokkanischer Herkunft. Näheres ist nicht bekannt und wird auch nicht berichtet.
- In Fall zwei ist der Täter mit Vornamen, Initialen und Bild in der Presse zu finden, die Konfettikanone der Demokratie veröffentlicht bereits den Stand seines Bankkontos, seiner sozialen Lage und diverse andere Personendaten.
- In Fall eins ist das Motiv bisweilen unklar.
- In Fall zwei handelte der Täter wohl aus Wut über die Flüchtlingspolitik von Herrn Hollmann.
Jetzt mag Justitia wirklich blind sein. Aber selbst wenn sie dies ist, wie kann sie zu einem guten Urteil kommen, wenn ihre Waage schon so befüllt wird? Es geht mir nicht darum einen Bekloppten zu verteidigen, aber unter einem irren Mörder stelle ich mir etwas anderes vor, als jemanden, der es gerade einmal schafft seinem Opfer eine so leichte Wunde zu verpassen, dass der ein paar Stunden später wieder zuhause ist. Und dieser Mann wird jetzt mit aller Härte des Gesetzes verfolgt, vom Oberstaatsanwalt, ja sogar dem Staatsschutz. Und auf der anderen Seite müssen irgendwo im Ruhrgebiet ein paar Eltern oder eine Ehefrau ein Begräbnis organisieren. Weil ihr Junge oder Ehemann das Pech hatte sich mit den falschen "Jugendlichen" anzulegen und dann auch noch gestolpert ist, als er vor ihnen davon lief. Das ist im heutigen Deutschland Totschlag. Und die Jugendstrafe dafür schon abzusehen.
Ich bin kein Jurist. Und ich bestreite nicht einmal, dass das am Ende alles irgendwo eine Logik hat, die man aus dem StGB irgendwie herleiten kann. Experten und Schwätzer vom Schlage Thomas Fischer können sicher ganze Tage darüber schwätzen, dass das so und nur so sein kann und muss (sie sind ja bekanntlich im Recht). Aber es ist nicht meine Vorstellung von Gerechtigkeit. Der Täter von Altena wird, so er keine Biege in die Psychiatrie macht, eine mehrjährige Haftstrafe erhalten, die mit sich mit aller Sicherheit am oberen Bereich des Strafrahmens abspielen wird. Die Täter von Oberhausen werden dagegen Jugendstrafen erhalten, irgendwo um die zwei bis fünf Jahre (fünf für den Haupttäter, Bewährung für die anderen beiden), raus nach 2/3 der Zeit, vielleicht noch mit einer Ausbildung in der Tasche. Für die "Tötung" eines jungen Mannes der weglief.
Ein Thomas Fischer mag das in seiner Abgebrühtheit können, aber können Sie sich, lieber Leser, vorstellen, sich eine Stunde mit den Eltern des Opfers von Oberhausen zusammen zu setzen und ihnen zu erklären, dass das so richtig ist?
Nachtrag: Ich habe diesen Artikel gestern abend geschrieben und nach der heutigen Tageslektüre festgestellt, dass nicht wenige andere Autoren auf genau den selben Vergleich gekommen sind. Ich werde den Artikel dennoch jetzt deswegen nicht umschreiben, zumal er deswegen nicht falsch geworden ist. Aber einen Gedanken möchte ich noch zusetzen: Es liegt auf der Hand, und wurde auch schon von anderen geschrieben, dass der Grund für die Ungleichbehandlung im Wesentlichen darin zu suchen ist, dass es sich bei dem einen Täter um einen vermeintlich oder echten "Rechten" handelt, während es sich bei den anderen Tätern um "Südländer" handelt. Mann beisst Hund ist eben immer noch ein gängiges Prinzip (sagt allerdings in dem Kontext auch viel über die Republik aus.). Der Grund für den extremen "Aufschrei" nach Altena scheint mir aber ein anderer zu sein: Es ist das Aufjaulen eines politischen und medialen Establishments, dass sich in seiner Gesamtheit angegriffen fühlt und Sorge davor hat für ihre letzten zwei Jahre verantwortlich gemacht werden zu können. Die Wahl der Mittel des Täters von Altena ist in sich völlig indiskutabel, das Motiv und die Ursache dagegen sind es ganz und gar nicht. Ein Mann, der jahrzehntelang geschafft hat (zumindest so viel, um ein eigenes Haus zu besitzen), verliert seine Existenz, was in der Politik außer einem Schulterzucken keine Reaktion hervorruft, während gleichzeitig eine Gruppe von kulturfremden Personen, um nicht zu sagen Fremden, vom Staate nahezu alles gestellt bekommt. Und Herr Hollmann, so sehr er das Opfer einer brutalen und unentschuldbaren Straftat wurde, ist ein Vertreter genau DIESER Politik. Hier steht, wenn auch sehr indirekt, dass Establishment als solches unter Angriff, und genau dieses heult wie ein Schlosshund auf. Es ist diesmal sozusagen weniger Pegida, die mitgestochen haben ((c) Pöbel-Stegner), es ist eher das Establishment das mit angestochen wurde. Und sich derzeit ungeheuer bedroht und verletzt fühlt.
Was realistisch betrachtet völlig unsinnig ist. Auf jeden verletzten Politiker kommen tausende Nichtpolitiker die Opfer von Gewalt werden, die heutige Bedrohungslage ist verglichen mit dem deutschen Herbst geradezu grotesk niedrig und die einzigen Terroranschläge von "Rechts" der jüngeren Geschichte waren so ungeheuer erfolgreich, dass sie jahrelang nicht entdeckt wurden (ein Politiker war nicht unter den Opfern). Aber es gibt ja neben der tatsächlichen Bedrohung auch eine gefühlte Bedrohung.
Die erste Tat ereignete sich am frühen Sonntagmorgen in Oberhausen. Die meisten Leser werden davon nichts wissen, weil es die Berichterstattung, mit wenigen Ausnahmen, kaum über die Lokalpresse geschafft hat. Es gerieten zwei Gruppen in einem Bus in Streit, der Streit eskalierte und beide Gruppen wurden vor die Tür gesetzt. Die eine Gruppe, bestehend aus drei Personen, zogen anschließend Messer, woraufhin die andere Gruppe, bestehend aus neun Personen, flüchtete. Auf der Flucht kamen zwei der flüchtenden Personen zu Fall, woraufhin beide mit Messern am Boden attackiert wurden. Beide Personen wurden schwer verletzt, die eine liegt immer noch im Krankenhaus (und ist inzwischen wieder außer Lebensgefahr), die andere im Leichenschauhaus.
Die zweite Tat werden die allermeisten Leser kennen: Der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, wurde am Montag abend das Opfer eines Messerangriffs. Der Täter überfiel ihn an einer Imbissbude, nahm ihn in den Schwitzkasten und drückte ihm ein Messer an den Hals. Er erlitt eine leichte Schnittwunde und konnte das Krankenhaus am Montag abend verlassen.
Andreas Hollstein
Andreas
Andreas Hollstein
Interessant sind vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Fällen:
- In Fall eins findet die Medienberichterstattung im Wesentlichen in der Lokalpresse statt. Wesentlicher Berichterstatter ist "Der Westen", einzelne Artikel findet man auch in Focus, Welt & Bild.
- In Fall zwei gibt es nahezu keine deutsche Zeitung, die nicht in dicken Artikeln darüber berichtet.
- In Fall eins ist bisher unbekannt, ob sich ein Politiker dazu geäussert hat.
- In Fall zwei ist inzwischen die ganze Riege beschäftigt, bis zur Frau Bundeskanzler.
- In Fall eins liegt ein Opfer im Krankenhaus und wurde "nur" lebensgefährlich verletzt, das andere ist tot.
- In Fall zwei liegt eine leichte Schnittwunde vor.
- In Fall eins ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen und die lokale Polizei.
- In Fall zwei ermittelt inzwischen der Leiter der Haagener Mordkommission, der Oberstaatsanwalt und der Staatsschutz.
- In Fall eins wurden inzwischen Haftbefehle ausgestellt. Wegen vollendetem und versuchtem Totschlag.
- In Fall zwei liegt ebenso ein Haftbefehl vor. Wegen versuchten Mordes.
- In Fall eins sind die Täter wohl eine Gruppe von "Südländern" marokkanischer Herkunft. Näheres ist nicht bekannt und wird auch nicht berichtet.
- In Fall zwei ist der Täter mit Vornamen, Initialen und Bild in der Presse zu finden, die Konfettikanone der Demokratie veröffentlicht bereits den Stand seines Bankkontos, seiner sozialen Lage und diverse andere Personendaten.
- In Fall eins ist das Motiv bisweilen unklar.
- In Fall zwei handelte der Täter wohl aus Wut über die Flüchtlingspolitik von Herrn Hollmann.
Jetzt mag Justitia wirklich blind sein. Aber selbst wenn sie dies ist, wie kann sie zu einem guten Urteil kommen, wenn ihre Waage schon so befüllt wird? Es geht mir nicht darum einen Bekloppten zu verteidigen, aber unter einem irren Mörder stelle ich mir etwas anderes vor, als jemanden, der es gerade einmal schafft seinem Opfer eine so leichte Wunde zu verpassen, dass der ein paar Stunden später wieder zuhause ist. Und dieser Mann wird jetzt mit aller Härte des Gesetzes verfolgt, vom Oberstaatsanwalt, ja sogar dem Staatsschutz. Und auf der anderen Seite müssen irgendwo im Ruhrgebiet ein paar Eltern oder eine Ehefrau ein Begräbnis organisieren. Weil ihr Junge oder Ehemann das Pech hatte sich mit den falschen "Jugendlichen" anzulegen und dann auch noch gestolpert ist, als er vor ihnen davon lief. Das ist im heutigen Deutschland Totschlag. Und die Jugendstrafe dafür schon abzusehen.
Ich bin kein Jurist. Und ich bestreite nicht einmal, dass das am Ende alles irgendwo eine Logik hat, die man aus dem StGB irgendwie herleiten kann. Experten und Schwätzer vom Schlage Thomas Fischer können sicher ganze Tage darüber schwätzen, dass das so und nur so sein kann und muss (sie sind ja bekanntlich im Recht). Aber es ist nicht meine Vorstellung von Gerechtigkeit. Der Täter von Altena wird, so er keine Biege in die Psychiatrie macht, eine mehrjährige Haftstrafe erhalten, die mit sich mit aller Sicherheit am oberen Bereich des Strafrahmens abspielen wird. Die Täter von Oberhausen werden dagegen Jugendstrafen erhalten, irgendwo um die zwei bis fünf Jahre (fünf für den Haupttäter, Bewährung für die anderen beiden), raus nach 2/3 der Zeit, vielleicht noch mit einer Ausbildung in der Tasche. Für die "Tötung" eines jungen Mannes der weglief.
Ein Thomas Fischer mag das in seiner Abgebrühtheit können, aber können Sie sich, lieber Leser, vorstellen, sich eine Stunde mit den Eltern des Opfers von Oberhausen zusammen zu setzen und ihnen zu erklären, dass das so richtig ist?
Nachtrag: Ich habe diesen Artikel gestern abend geschrieben und nach der heutigen Tageslektüre festgestellt, dass nicht wenige andere Autoren auf genau den selben Vergleich gekommen sind. Ich werde den Artikel dennoch jetzt deswegen nicht umschreiben, zumal er deswegen nicht falsch geworden ist. Aber einen Gedanken möchte ich noch zusetzen: Es liegt auf der Hand, und wurde auch schon von anderen geschrieben, dass der Grund für die Ungleichbehandlung im Wesentlichen darin zu suchen ist, dass es sich bei dem einen Täter um einen vermeintlich oder echten "Rechten" handelt, während es sich bei den anderen Tätern um "Südländer" handelt. Mann beisst Hund ist eben immer noch ein gängiges Prinzip (sagt allerdings in dem Kontext auch viel über die Republik aus.). Der Grund für den extremen "Aufschrei" nach Altena scheint mir aber ein anderer zu sein: Es ist das Aufjaulen eines politischen und medialen Establishments, dass sich in seiner Gesamtheit angegriffen fühlt und Sorge davor hat für ihre letzten zwei Jahre verantwortlich gemacht werden zu können. Die Wahl der Mittel des Täters von Altena ist in sich völlig indiskutabel, das Motiv und die Ursache dagegen sind es ganz und gar nicht. Ein Mann, der jahrzehntelang geschafft hat (zumindest so viel, um ein eigenes Haus zu besitzen), verliert seine Existenz, was in der Politik außer einem Schulterzucken keine Reaktion hervorruft, während gleichzeitig eine Gruppe von kulturfremden Personen, um nicht zu sagen Fremden, vom Staate nahezu alles gestellt bekommt. Und Herr Hollmann, so sehr er das Opfer einer brutalen und unentschuldbaren Straftat wurde, ist ein Vertreter genau DIESER Politik. Hier steht, wenn auch sehr indirekt, dass Establishment als solches unter Angriff, und genau dieses heult wie ein Schlosshund auf. Es ist diesmal sozusagen weniger Pegida, die mitgestochen haben ((c) Pöbel-Stegner), es ist eher das Establishment das mit angestochen wurde. Und sich derzeit ungeheuer bedroht und verletzt fühlt.
Was realistisch betrachtet völlig unsinnig ist. Auf jeden verletzten Politiker kommen tausende Nichtpolitiker die Opfer von Gewalt werden, die heutige Bedrohungslage ist verglichen mit dem deutschen Herbst geradezu grotesk niedrig und die einzigen Terroranschläge von "Rechts" der jüngeren Geschichte waren so ungeheuer erfolgreich, dass sie jahrelang nicht entdeckt wurden (ein Politiker war nicht unter den Opfern). Aber es gibt ja neben der tatsächlichen Bedrohung auch eine gefühlte Bedrohung.
Llarian
© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.