21. März 2017

Dummes, fast unkommentiert: "Voll reinbrettern in Trump"



Noch zu den Genossen von der SPD und ihrer respektvollen, erwachsenen Art, sich auf den kommenden Wahlkampf einzustimmen. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, daß dergleichen nicht von einer Werbeagentur wie etwa Scholz & Friends kommt, sondern von einer - einstmals - großen und respektierten Volkspartei. Zudem: sollte sich hier zeigen, wie unsere Parteien das geistige und geschmackliche Niveau der Leute einschätzen, von denen sie gewählt werden wollen, läßt das tief blicken. Ganz nach der Devise: "Du bist über 18 und passionierter Gamer? Aber Tetris ist viel zu ambitioniert für dich? Dann haben wir für dich in der SPD genau das richtige Level."

In einem heutigen Artikel der Berliner "Morgenpost" liest man dies:
Berlin. Der Schulz-Zug rollt bei der SPD. Hundertprozentig. Und der Zug der Genossen ist nicht zu stoppen – jedenfalls virtuell. Denn beim Onlinespiel "Schulzzug.eu", mit dem die SPD seit dem Wochenende ihren Wahlkampf auf Touren bringen will, gibt es erst gar keine Bremse. Und auch sonst bietet die Fahrt den Mitspielern ein paar Überraschungen....
Plötzlich steht AfD-Chefin Frauke Petry auf dem Gleis. Oder Donald Trump. Oder Wladimir Putin, mit nacktem Oberkörper. Was tun, so ganz ohne Bremspedal? Ganz einfach: Wenn, so die Spielanleitung, "fiese Populisten versuchen, mit ihren rückwärtsgewandten, beschränkten und mauerorientierten Ideologien den Weg zu versperren", muss der Spieler als Lokführer mit dem Zug auf ein anderes Gleis ausweichen oder es überspringen, sonst gibt es Minuspunkte. Mit dem Europastern, den man unterwegs auflesen kann, hat der Zug aber "volle Energie", jetzt gibt es sogar Extrapunkte, wenn die Lok in Schranken kracht – oder in die Mauern mit den Politikern dahinter. Die getroffene Figur fliegt dann zur Seite, virtuelles Blut fließt nicht.
Entstanden ist das in der Anmutung eher bescheidene 8-Bit-Pixelgrafik-Spiel im Willy-Brandt-Haus, und als eine der ersten Testerinnen brachte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley unter Jubel gleich US-Präsident Trump zur Strecke. "Erst einen Stern sammeln und dann voll reinbrettern in Trump", hatte ihr jemand erklärt, ein Video zeigt die Szene."
Von der bodenlosen Geschmacklosigkeit einmal abgesehen: was sagt das über das #neulandverständnis einer Partei, die ein Videospielniveau mit einer Optik für State-of-the-art hält, das die Industrie vor über 30 Jahren hinter sich gelassen hat? Offenkundig dies: daß man bei den Genossen nie über Pacman und Space Invaders hinausgekommen ist.

Und jetzt stellen wir uns, nur ein paar Sekunden lang, vor, die AfD etwa würde sich dergleichen mit Frau Merkel & Co. erlauben.

(Abgelegt unter #infantil #schulzomania #pack-man)

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Nachtrag 1: Mittlerweile hat der Wellenschlag in den sozialen Medien zu einer ersten Reaktion geführt.

SPON, 21.03.2017, 17:35:

Entwickler entfernen Frauke Petry aus Schulzzug-Game 
Martin Schulz ist seit Kurzem ein inoffizielles Videospiel gewidmet. Es ist auf plumpe Art provokant: Mit dem "Schulzzug" kann man politische Gegner umfahren - darunter Frauke Petry. Nun soll diese Funktion entfernt werden. ... In der Rolle des SPD-Zugführers Martin Schulz kann man Figuren, die an Frauke Petry, Wladimir Putin oder Donald Trump erinnern, umfahren. Das gibt zwar meistens Minuspunkte, aber nicht immer. Die Macher des Spiels möchten anonym bleiben. Auf Twitter antworteten sie am Dienstag aber schnell, wenn man sie auf die Crash-Funktion ansprach. "Die Populisten, die dem Schulzzug den Weg versperren und wie von einem Schneepflug zur Seite geräumt wurden, haben zu dem Missverständnis geführt, dass wir es gut finden würden, Menschen zu überfahren", antworteten sie per Direktnachricht. "Dem ist natürlich nicht so - das Spiel zielt nur auf die Ideologien und Weltanschauungen ebendieser Populisten ab." Als Reaktion auf Kritik am Spiel hätten sie sich mittlerweile entschlossen, "bis auf Weiteres auf diese Metapher zu verzichten": Als kurzfristige Lösung nehme man die Figuren, die auf den Gleisen auftauchen, erst einmal aus dem Spiel. Man arbeite an einer Alternative.
Die letzten fünf Worte der Mitteilung scheinen freilich leicht ungeschickt formuliert.

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Nachtrag 2: Es gibt einen, nun, hübschen Soundtrack für dieses Spiel und seinen Protagonisten. Daß dieses Stück für sensible Zeitgenossen den Inbegriff des deutschspezifischen Konzepts "Fremdschämen" darstellt, gibt der Sache erst die rechte ... Entschuldigung ... richtige Würze. 

Zweites Deutsches Fernsehen, 13.05.1972: "Rollt er nach nirgendwo? Es liegt am Ihnen! Er rollte ganz klar auf den ersten Platz."

"Es fährt ein Zug nach nirgendwo / mit mir allein als Passagier ... es fährt ein Zug nach nirgendwo / den es noch gestern gar nicht gab ..."





Ulrich Elkmann

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