12. Mai 2016

Marginalie: Die Merkel-Matrix

Der Kollege nachdenken_schmerzt_nicht hat gestern in diesem Blog einen Beitrag veröffentlicht, dessen Quintessenz er selbst in dem folgenden Satz zusammenfasst:


Die AfD besetzt in einer aufgeladenen, politischen Stimmung viele der alternativlosen, politischen Positionen der vergangenen Jahre mit der exakten Gegenposition und genau dieser einfache Schachzug treibt ihnen immer mehr Wähler zu.


Die komplette Lektüre dieses exzellenten Artikels lohnt und sei der geneigten Leserschaft hiermit nachdrücklich anempfohlen.  

Mich haben die Ausführungen von nachdenken_schmerzt_nicht und die dazu ergangene Diskussion zu einer völlig spekulativen, eher intuitiv im Sinne eines Schauens als empirisch durch Zahlen belegten These angeregt: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist derzeit so erfolgreich, weil in der sogenannten Flüchtlingsfrage die beiden wesentlichen Parameter der Merkel-Matrix mit einem negativen Vorzeichen versehen sind.
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Diese vorderhand dunkle Behauptung soll im Folgenden näher erläutert werden, und zwar an drei für die Kanzlerschaft der gebürtigen Hamburgerin überaus prägenden Ereignissen: der Atomkraftvolte infolge des Fukushima-Schocks; der Griechenlandrettung; und der sogenannten Flüchtlingskrise.

Zunächst ist klarzustellen, dass die vielzitierte „Alternativlosigkeit“ der Merkel’schen Entscheidungen (für jedermann erkennbar) reine Rhetorik darstellt. In den drei vorerwähnten Angelegenheiten waren die Wahlmöglichkeiten auch für den politisch weniger Interessierten greifbar: Natürlich hätte man nach Fukushima den energiepolitischen Status quo beibehalten, die griechische Tragödie mit der Katharsis einer Staatsinsolvenz auf die Bühne bringen und den in Ungarn wartenden Migranten ein unfreundliches Gesicht bzw. die verschlossene Tür zeigen können.

Aber freilich waren und sind die jeweiligen Varianten nicht gleichwertig. Für die Bevölkerungsmehrheit ist eine der beiden Lösungen mit weniger Angst besetzt und/oder scheint sie politisch-moralisch korrekter. Genau dies sind die beiden Parameter der Merkel-Matrix.

Beim zweiten Ausstieg aus der Kernenergie standen beide Kriterien im Gleichklang. Der Michel empfand die Atomkraftvolte als die vergleichsweise weniger furchterregende und zugleich politisch-moralisch richtigere Lösung. Eine AfD im Sinne von „Atomkraft für Deutschland“ wäre seinerzeit sang- und klanglos in der Mottenkiste der Splitterparteien verschwunden.

Das Griechenland-Desaster bot ein etwas anderes Bild: Die meisten Bundesbürger hielten die Subventionierung der hemmungslos auf Pump lebenden Hellenen in politisch-moralischer Hinsicht für den falschen Weg, bevorzugten es dann aber doch, den mediterranen Patienten nicht von den Schläuchen zu nehmen, weil ein kalkulierbarer Schrecken ohne Ende letztlich weniger angsteinflößend ist als ein Ende mit unbekanntem Schrecken. Der kollektive Seelenfriede war durch dieses Dilemma freilich nachhaltig gestört, weshalb es zu den ersten Achtungserfolgen der AfD im Sinne von „Austritt aus dem Euro für Deutschland“ kam.

In der sogenannten Flüchtlingskrise war Merkels Entschluss, die Schleusen bzw. den Schleusern zu öffnen, für das Gros der Menschen zwischen Berchtesgaden und Buxtehude von Anfang an die mit größerer Angst besetzte Möglichkeit. Umso heftiger appellierte der consensus bonorum an unser aller Gewissen. Seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln dürfte sich bei einer Majorität der Bürger dieses Landes die Ansicht breitgemacht haben, dass die unkontrollierte Migration überwiegend junger Männer in politisch-moralischer Hinsicht nicht die richtige Lösung ist. Verwundert es, dass die AfD im Sinne von „Abschiebung für Deutschland“ nunmehr Urnentriumphe in ungeahntem Ausmaß feiert?

Der besseren Übersicht halber darf ich die Merkel-Matrix in einem Diagramm darstellen:
 

Merkels Entscheidung …
Atomkraftvolte
Griechenlandrettung
Flüchtlingskrise
... für die Mehrheit mit weniger Angst besetzt als die Alternative

 +

+

-
... in politisch-moralischer Hinsicht von der Mehrheit als richtiger empfunden als die Alternative


+


-


-

Abb.: Merkel-Matrix
 
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Noricus

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