6. Juli 2014

Aus der Schwalbenperspektive (3): Wider die Langeweile

Während sich der Fußball ästhetisch von den Höhen der Leichtigkeit, Kombinationsfreude und Eleganz der vergangenen Jahre zum Zufallsfußball der 80er und 90er Jahre zurückentwickelt hat, mit seinen Flanken, Kopfballduellen, Abwehrriegeln, Manndeckungen, Kontern und Eckballtoren, zeigen sich in Brasilien einige Änderungen im Regelwerk, die nicht nur zweckdienlich sind, sondern dem Sport vielleicht sogar neuen Schwung verleihen könnten.

Die Torlinientechnik und der weiße Strich vor der Freistoßmauer sind zweckmäßige Einrichtungen, die dem regelgerechten Spiel dienen. Über diese Neuerungen wurde ein wenig diskutiert, und wie mir scheint, mit überwiegend zustimmender Tendenz.

Eine dritte Neuheit dagegen scheint noch gar nicht in ihrer Tragweite erkannt worden zu sein, es handelt sich bei ihr auch eher um die unbeabsichtigte Folge einer anderen guten Idee. Zur Langsamkeit des Fußballsports hat ja immer die Umständlichkeit beigetragen, mit der ein Ball, der in den Zuschauerrängen gelandet war, wieder zurück auf das Spielfeld kam. Um den Vorgang zu beschleunigen, stehen bei dieser WM zahlreiche Helfer bereit, den Spielern sofort einen Ersatzball zuzuwerfen.

Leider funktioniert dieses Verfahren nicht so recht, da sich meistens zwei Helfer zugleich bemüßigt sehen, einen Ball aufs Feld zu werfen. Dadurch wird das Spiel wieder verlangsamt, da man sich ja erst auf einen Ball einigen und den anderen dann wieder entfernen muß. Gelegentlich mißlingt sogar das und es entsteht eine gewisse Konfusion, welcher Ball denn nun "der Ball" sei.

So weit, so mißlungen. Nun stellt aber andererseits die Forderung, es dürfe nur einen einzigen Ball geben, nicht mehr als eine Engstirnigkeit der hergebrachten Fußballregeln dar. Die Grundidee des Spiels, einen Ball mit dem Fuß in einen Kasten einzuschießen, hängt ja gar nicht an der Zahl der dafür verfügbaren Bälle. Im Gegenteil: je mehr davon auf dem Feld wären, desto weniger Sinn ergäbe es, herumzustehen und die Räume dicht zu machen, das schwerfällige Umschalten von Angriff auf Verteidigung und umgekehrt würde entfallen, die - gerade bei dieser WM - erdrückende Überlegenheit der Torwarte wäre dahin, wenn während einer Parade den Angreifern noch zwei, drei weitere Bälle zur Verfügung stünden. Fußball wäre endlich eine moderne, schnelle Sportart.

Hinzu kommt, aus Zuschauersicht, die praktische Unmöglichkeit, das Spiel zu verfolgen, wenn es am anderen Ende des Spielfelds stattfindet. Der Ausweg, auf die Leinwand zu schauen, stellt jedoch den mühsamen und teuren Weg ins Stadion in Frage. Mit genügend Bällen auf dem Feld würde es hingegen an allen Ecken und Enden zugleich brennen und damit jedem Zuschauer direkt vor der Nase.

Fußballgremien sind konservativ, fast so konservativ wie die Fußballfans. Das breite Publikum, von dem bekanntlich das Geld für all diese Spektakel stammt, will dagegen vor allem seinen Spaß haben. Gebt ihn uns doch!

Kallias

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