Günter Wallraff hat also wieder, wie man gern sagt, "zugeschlagen". Er war wieder einmal in der Art eines Hochstaplers unterwegs, der unter falscher Identität auftritt. Früher machte er aus dem, was er dabei erlebte, nur Bücher. Dann wurde auch gefilmt. Das Ergebnis ist, wie im jetzigen Fall, eine Art Dokusoap im Fernsehen; plus ein Text im "Zeit-Magazin", mit dem Wallraff einen Autorenvertrag hat. In dessen Vorabmeldung heißt es:
Der seriöse Journalist würde sich Statistiken besorgen, würde Interviews mit allen Betroffenen machen - mit Fahrern, mit Unternehmern, mit Kunden. Es würde ein Bild entstehen, das ein Stück Realität widerspiegelt; eine Realität mit möglicherweise vielen Schattenseiten.
Aber Günter Wallraff ist kein seriöser Journalist. Er ist - so wird man das nennen dürfen - ein Berufslügner. Seine Masche, die er seit Jahrzehnten benutzt und die ihn berühmt gemacht hat, ist die Reportage auf der Grundlage von Lügen. Er "schleicht sich ein", wie gern gesagt wird. Er bedient sich der klassischen Methoden des Hochstaplers - Angabe eines falschen Namens, Konstruieren einer falschen Identität.
Nicht nur diejenigen, die er ausforschen möchte, werden belogen, sondern beispielsweise auch seine Arbeitskollegen. In seiner berühmtesten Rolle als der Türke "Ali" erfand er eine "Biographie" als der in Griechenland aufgewachsene Levent Sigirlioğlu, um seinen Arbeitskollegen plausibel zu machen, daß er kaum Türkisch konnte.
Als dieses Buch "Ganz unten" 1985 erschien, wurde es noch kontrovers diskutiert. Viele lehnten die Methoden Wallraffs ab. Inzwischen scheint er eine Art Ikone geworden zu sein; selbst FAZ.Net äußert sich heute nachgerade hymnisch über seinen neuesten Coup. Seltsamerweise glaubt man ihm, dem berufsmäßigen Lügner.
Ich kann dieses Wohlwollen für einen Menschen, der systematisch lügt, überhaupt nicht nachvollziehen und habe deshalb wiederholt etwas zu Wallraff geschrieben:
Wallraff hat nicht nur die Lüge als Mittel der Recherche popularisiert; er hat auch die journalistische Form der Reportage zu einem Mittel der Agitation gemacht wie kaum einer vor ihm, noch nicht einmal Egon Erwin Kisch. Wallraff beschreibt nicht die Realität und zieht daraus Folgerungen; sondern er kennt bereits die Folgerungen und sucht sich Schnipsel aus der Realität, die sie bestätigen.
Schon bevor man auch nur ein Wort seines aktuellen Artikels (oder einer Meldung dazu) gelesen hatte, wußte man, was Wallraff "herausgefunden" haben würde: Daß es sich natürlich um "frühkapitalistische Ausbeutung" handelt, daß die Menschen "kaputtgemacht" werden und so fort. Jede andere Facette der Wirklichkeit, jede Relativierung dessen, was er ja ohnehin schon wußte, wäre in Wallraffs Text eine Überraschung gewesen.
Wallraff ein Journalist? Da ist einer am Werk, der vorgeblich Reportagen verfaßt, dem es aber nicht einen Augenblick um das geht, was Aufgabe des Reporters ist: Aufzuschreiben, was ist; die Wirklichkeit in ihrer Vielfalt, ihrer Komplexität darzustellen. Wallraff mit seiner agitatorischen Einseitigkeit verhält sich zu einem Journalisten ungefähr so wie ein Anhänger der Hohlwelt-Theorie zu einem Wissenschafler.
Und wie jeder Agitator will er nicht nur Glauben vermitteln und vorhandenen Glauben stärken, sondern er will zum Handeln aufrufen:
Da ist dann die Katze aus dem Sack. Denn "ermöglicht hat das Preis- und Lohndumping der Gesetzgeber, der die Branche 'zum Nutzen aller' dereguliert und privatisiert hat" (Seite 16).
Günter Wallraff war wieder undercover für das ZEITmagazin unterwegs. (...) Diesmal recherchierte er monatelang verdeckt als Paketfahrer beim Logistikunternehmen GLS. (...)Würde so etwas ein seriöser Journalist schreiben, dann wäre es alarmierend. Aber es ist ja Wallraff, der das schreibt.
"Die Arbeit zehrt an der Gesundheit, auch bei den vorwiegend jungen Fahrern. Sie altern in einem rasanten Tempo", schreibt Wallraff. Häufig hielten Fahrer höchstens zwei, drei Jahre durch. Die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ruinieren ganze Familien, viele Beziehungen zerbrechen daran. (...) Meist halten auch die Subunternehmer nur einige Jahre durch und stehen nicht selten am Ende mit einem großen Schuldenberg da.
Der seriöse Journalist würde sich Statistiken besorgen, würde Interviews mit allen Betroffenen machen - mit Fahrern, mit Unternehmern, mit Kunden. Es würde ein Bild entstehen, das ein Stück Realität widerspiegelt; eine Realität mit möglicherweise vielen Schattenseiten.
Aber Günter Wallraff ist kein seriöser Journalist. Er ist - so wird man das nennen dürfen - ein Berufslügner. Seine Masche, die er seit Jahrzehnten benutzt und die ihn berühmt gemacht hat, ist die Reportage auf der Grundlage von Lügen. Er "schleicht sich ein", wie gern gesagt wird. Er bedient sich der klassischen Methoden des Hochstaplers - Angabe eines falschen Namens, Konstruieren einer falschen Identität.
Nicht nur diejenigen, die er ausforschen möchte, werden belogen, sondern beispielsweise auch seine Arbeitskollegen. In seiner berühmtesten Rolle als der Türke "Ali" erfand er eine "Biographie" als der in Griechenland aufgewachsene Levent Sigirlioğlu, um seinen Arbeitskollegen plausibel zu machen, daß er kaum Türkisch konnte.
Als dieses Buch "Ganz unten" 1985 erschien, wurde es noch kontrovers diskutiert. Viele lehnten die Methoden Wallraffs ab. Inzwischen scheint er eine Art Ikone geworden zu sein; selbst FAZ.Net äußert sich heute nachgerade hymnisch über seinen neuesten Coup. Seltsamerweise glaubt man ihm, dem berufsmäßigen Lügner.
Ich kann dieses Wohlwollen für einen Menschen, der systematisch lügt, überhaupt nicht nachvollziehen und habe deshalb wiederholt etwas zu Wallraff geschrieben:
Der hervorgehobene Artikel enthält meine ausführlichste Auseinandersetzung mit Wallraff und seinen Methoden.Wie man aus Schaumschlägerei Schaum schlägt; ZR vom 14. 7. 2007 Lügt Wallraff?; ZR vom 30. 4. 2008 Wallraff der Lügner, zum zweiten; ZR vom 19. 10. 2009 Günter Wallraff wurde Opfer eines Fake. Darf man lachen?; ZR vom 27. 5. 2010 Günter Wallraff ist einer von "NRWs Besten". Finden Sie das nicht auch lustig?; ZR vom 24. 7. 2010 Wallraff will sich versuchen. Eine Warnung an alle Millionäre; ZR vom 21. 10. 2010
Wallraff hat nicht nur die Lüge als Mittel der Recherche popularisiert; er hat auch die journalistische Form der Reportage zu einem Mittel der Agitation gemacht wie kaum einer vor ihm, noch nicht einmal Egon Erwin Kisch. Wallraff beschreibt nicht die Realität und zieht daraus Folgerungen; sondern er kennt bereits die Folgerungen und sucht sich Schnipsel aus der Realität, die sie bestätigen.
Schon bevor man auch nur ein Wort seines aktuellen Artikels (oder einer Meldung dazu) gelesen hatte, wußte man, was Wallraff "herausgefunden" haben würde: Daß es sich natürlich um "frühkapitalistische Ausbeutung" handelt, daß die Menschen "kaputtgemacht" werden und so fort. Jede andere Facette der Wirklichkeit, jede Relativierung dessen, was er ja ohnehin schon wußte, wäre in Wallraffs Text eine Überraschung gewesen.
Wallraff ein Journalist? Da ist einer am Werk, der vorgeblich Reportagen verfaßt, dem es aber nicht einen Augenblick um das geht, was Aufgabe des Reporters ist: Aufzuschreiben, was ist; die Wirklichkeit in ihrer Vielfalt, ihrer Komplexität darzustellen. Wallraff mit seiner agitatorischen Einseitigkeit verhält sich zu einem Journalisten ungefähr so wie ein Anhänger der Hohlwelt-Theorie zu einem Wissenschafler.
Und wie jeder Agitator will er nicht nur Glauben vermitteln und vorhandenen Glauben stärken, sondern er will zum Handeln aufrufen:
Und welche Rolle spielen wir, die Konsumenten, die Nutznießer dieser viel zu billigen Paketauslieferung? (...) Wir machen uns zu Mittätern, solange wir weiterhin Waren bedenkenlos zu Billigtarifen ordern. Auch der Umwelt werden durch dieses verrückte System Schäden zugefügt.So steht es im "Zeit-Magazin" (23/2012 vom 31. 5. 2012, Seite 23). Und auf derselben Seite: "Wie verblendet ist eigentlich eine Politik, die das zuläßt?".
Da ist dann die Katze aus dem Sack. Denn "ermöglicht hat das Preis- und Lohndumping der Gesetzgeber, der die Branche 'zum Nutzen aller' dereguliert und privatisiert hat" (Seite 16).
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Günter Wallraff auf dem Jugendmedientag 2006. Vom Autor Kurt Jansson gemeinfrei veröffentlicht. Bearbeitet.