19. Oktober 2009

Zettels Meckerecke: Wallraff der Lügner, zum zweiten

Bei "Zeit- Online" steht im Augenblick auf Platz eins in der Liste der meistgelesenen Artikel ein Beitrag aus dem aktuellen "Zeit- Magazin": "In fremder Haut" von Günter Wallraff.

In diesem Artikel schildert Wallraff, wie er sich von einer Maskenbildnerin eine schwarze Haut hatte verpassen lassen (nicht überall; aber dort, wo die Haut aus den Kleidern guckt) und wie er dann als "Schwarzer" in Deutschland umherfuhr. Ein ganzes Jahr lang tat er das. Warum?

Wer Wallraff kennt - mir ist er erstmals als Autor von "Pardon" begegnet, in den siebziger Jahren -, der wird eine starke Vermutung haben: Er war unterwegs, um zu zeigen, wie schlecht Schwarze in Deutschland behandelt werden.

Denn wann immer Wallraff bisher in, wie man so sagt, "eine Rolle schlüpfte", war das Ergebnis ein Artikel oder ein Buch über die Schlechtigkeit der Welt; speziell im Kapitalismus. Man muß nicht sehr kühn extrapolieren, um vorherzusagen, daß er auch in dieser neuen Rolle des Schwarzen nur Schlimmes erlebt hat.

Er selbst sieht das freilich anders. Nein, er recherchierte, weil er eine Frage hatte:
Ich will herausfinden, wie es sich als Schwarzer in Deutschland lebt, ob die Vorstellung vom unverbesserlich fremdenfeindlichen deutschen Wesen nur noch ein Klischee ist – oder ob das von der Boulevardpresse gepflegte Schreckbild vom Schwarzen als Dealer, Asylbetrüger und Kriminellen die Stimmung im Lande kennzeichnet.
Gelacht hätte ich ja, wenn als Ergebnis des einjährigen Feldversuchs herausgekommen wäre, daß alles in allem die Deutschen mit schwarzen Mitbürgern genauso umgehen wie mit anderen Mitbürgern auch.

Aber bei Wallraff gibt es nichts zu lachen. Natürlich reiht er einen Fall von Diskriminierung an den anderen, nur leicht aufgelockert durch eine Episode ausgerechnet im bayerischen Rosenheim. Er, der schwarz angemalte Wallraff, ist in einer Kneipe und ist von einem Betrunkenen geschubst worden. Und dann:
Jetzt geschieht etwas, womit ich nicht mehr gerechnet habe: Ein Kneipenbesucher weist den Schubser zurecht, und ein zweiter Gast blafft den anderen Krakeeler an, er solle jetzt Ruhe geben, "aber ganz schnell!" – und dann ist tatsächlich Ruhe. Zivilcourage am Tresen.
Toll! Allerdings ist der Mann mit Zivilcourage, wir ahnen es, ein Zugereister. Die Welt, die böse Welt Wallraffs, bleibt in Ordnung.

Er hatte Pech, der Wallraff: In einem ganzen Jahr als "Somalier" ist er kein einziges Mal tätlich angegriffen oder gar zusammengeschlagen worden. Zum Schlimmsten, was ihm als "Schwarzer" widerfuhr, gehört, daß man ihn für den Kellner hielt oder daß er Probleme auf einem Campingplatz hatte.

Wenn er denn die Wahrheit schreibt.



Wallraff ist ein Lügner. Er brüstet sich dieses Umstands.

Er belügt die Menschen, mit denen er bei seinen Aktionen Umgang hat. Er belügt sie - wie jeder Hochstapler - über seine Identität, über seine Absichten. Er belügt nicht nur diejenigen, die er als Ausbeuter, Rassisten usw. ansieht. Er belog beispielsweise auch in seiner Verkleidung als der "Türke Ali" die türkischen Kollegen, die sich darüber wunderten, daß er kaum Türkisch sprach. Er stamme aus einer auslandstürkischen Familie in Griechenland, sagte er ihnen.

Das habe ich damals gelesen, in dem Buch "Ganz unten", das ich 1985 wie sehr viele andere so schnell gekauft habe, wie ich konnte; denn es hieß, es würde demnächst verboten oder zensiert werden. Einer der größten deutschen Bestseller wurde es, dieses Buch.

Heute frage ich mich, wie jemand darauf kommen kann, dem Lügner Wallraff auch nur ein einziges Wort zu glauben. Er belügt diejenigen, die während seiner Aktionen mit ihm Umgang haben. Warum sollte er seinen Lesern gegenüber ehrlicher sein?

An diesem Autor ist alles falsch, ist alles unredlich; siehe Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff?; ZR vom 30. 4. 2008.

Seit fast vierzig Jahren hat er eine einzige Masche: Er belügt Menschen, um dadurch angeblich etwas zu erfahren, was man sonst nicht erfahren kann. Was natürlich albern ist; denn jeder ehrliche Journalist braucht ja nur - im jetzigen Beispiel - in Deutschland lebende Schwarze zu befragen, um herauszufinden, welche Erfahrungen sie mit Deutschen gemacht haben. Er bekommt dann ein weit authentischeres und differenzierteres Bild als der angemalte Wallraff auf seiner Suche nach Diskriminierung.

Seine angeblichen Reportagen sind keine, denn jeder weiß, was - um mit Helmut Kohl zu sprechen - "hinten herauskommt". Parteilicher, einseitiger, selektiver kann ein Journalist nicht sein.

Woher also der Erfolg? Mir scheint, daß Wallraff zwei tiefsitzende Bedürfnisse bedient:

Erstens ein voyeuristisches. Seine "Reportagen" sind zwar das Gegenteil informativer Berichterstattung; aber dem Leser wird suggeriert, endlich einmal "Einblicke" zu bekommen, die ihm sonst verwehrt sind. Das Schlüsselloch wird gewissermaßen ganz weit geöffnet. Dem Lügner wird geglaubt, daß er eine Authentizität vermittelt, an die man sonst nicht herankommt.

Zweitens bedient Wallraff das Bedürfnis, sich zu empören. Was viele vor allem im linken Spektrum immer schon zu wissen vermeinten - daß Türken in Deutschland menschenunwürdig behandelt würden, daß es bei der "Bild"- Zeitung zugehe wie bei der Mafia, daß bei McDonalds alles ganz schlimm sei und die Deutschen immer noch Rassisten - dieses ganze Gruselkabinett linker Vorurteile wird von Wallraff ausstaffiert. Mit angeblichen Reportagen, die doch in Wahrheit nur Agitprop sind.

Daß dieser Mann, dieser erbärmlich schlechte Journalist, in Deutschland eine solche Prominenz genießt, sagt viel über Deutschland. Und daß er ausgerechnet bei der einst seriösen "Zeit" anheuern durfte, besagt sehr viel über den sogenannten Linksliberalismus bei uns.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.