22. Oktober 2009

Marginalie: Henryk M. Broder als Präsident des Zentralrats der Juden? Das wäre eine schöne Fehlbesetzung!

Daß Henryk M. Broder der nächste Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland werden wird, halte ich für ungefähr so wahrscheinlich, wie daß Angela Merkel demnächst das Training der deutschen Fußball- Nationalmannschaft der Frauen übernimmt.

Es ist wahr, Broder hat gestern seine Kippa in den Ring geworfen, wie er es formuliert. Er will, schreibt er, Präsident des ZdJ werden.

Es ist auch wahr, daß Broder ein ausgezeichneter Journalist ist; nach meinem Dafürhalten einer der besten in Deutschland. Ein Mann der treffenden, der oft entlarvenden Ironie. Das hat er mit Karl Kraus gemeinsam, wie auch die meisterliche Beherrschung der deutschen Sprache.

Noch dazu ein Journalist, den der Zeitgeist nicht kümmert. Oder sagen wir: der ihn mehr selbst geprägt hat, also daß er ihm hinterherlaufen würde. Das Wort von den Gutmenschen hat er populär gemacht, vielleicht sogar erfunden. Kaum einer hat mehr zur Entlarvung des Links- Philistertums beigetragen; kaum jemand hat uns mehr dazu verholfen, einen realistischen Blick auf den Konflikt im Nahen Osten zu gewinnen.

Auch was er gestern zur Begründung seiner Kandidatur über ZdJ geschrieben hat, finde ich ausgezeichnet. Lesen Sie es! Lesen Sie, was Broder zu der lächerlichen Attacke Kramers auf Sarrazin schreibt, zu der Neigung des ZdJ unter seiner heutigen Leitung, "sich als das gute Gewissen Deutschlands aufzuführen". Ausgezeichnet.



Nur - macht das Broder geeignet, einen Verband zu führen? Wäre er wirklich der richtige Nachfolger von Werner Nachmann, Heinz Galinski, Ignatz Bubis, Paul Spiegel; sie alle Männer des Ausgleichs? Leise, sich selbst zurücknehmende Männer, die diese nicht eben sehr homogene Gemeinschaft von ungefähr 120.000 Menschen zusammenzuhalten, die sie nach Außen hin mit Würde und Zurückhaltung zu vertreten wußten.

Glaubt Henryk M.Broder wirklich, daß er selbst - der geborene Maverick, ein Feuerkopf und manchmal ein Hitzkopf, ein Individualist kat exhochen, ein begnadeter Polemiker vor dem Herrn - daß so jemand der Richtige ist, um diese Aufgaben wahrzunehmen?

Ich kann das nicht glauben. Viel eher denke ich, daß Broder, dieser alte Medienfuchs, einmal einige Wahrheiten unter die Leute bringen wollte; und zwar so, daß sie auch gehört werden.

Hätte er einfach nur einen Artikel im "Tagesspiegel" geschrieben, dann wäre seine Kritik vermutlich auf allenfalls moderaten Widerhall gestoßen. Indem er den Text mit der Ankündigung seiner Kandidatur verband, hat er eine Nachricht produziert, die jetzt durch die Agenturen geht, die überall gemeldet werden wird.

Und wenn sie ihn dann am Ende wirklich wählen sollten, den Broder - dann kann er sich ja immer noch überlegen, ob er es machen will.

Er hätte intellektuell das Zeug zum Chefredakteur einer erstklassigen Zeitschrift gehabt; er ist beim "Spiegel" nicht einmal Ressortleiter geworden. Ich nehme an, weil ihn das Nichtjournalistische, das Administrative, der ganze Wust an Routine, der mit solchen Funktionen verbunden ist, nicht interessierte.

Und da soll er ernsthaft vorhaben, sich ins Büro im Leo- Baeck- Haus in Berlin zu setzen und über Etatberatungen zu präsidieren, Streitigkeiten zu schlichten, Mittel einzuwerben, Besucher zu empfangen, Ausstellungen zu eröffnen, auf dieser und jener Veranstaltung die jüdischen Gemeinden zu repräsentieren und die Honneurs zu machen?

Ich kann's mir nicht vorstellen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Calimero.