Eigentlich ist das ganze doch ein Koalitionsvertrag des dreifachen Vorbehaltes. Einmal unter dem der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, dem des Verschiebens in Kommissionen und schließlich noch dem der angespannten Haushaltslage. So gesehen ist die Koalitionsvereinbarung deshalb auch gar kein richtiger Vertrag. Ein Vertrag muss ja rechtsgültige und nachprüfbare Positionen haben. Hier haben wir es mehr mit einem Scheingebilde zu tun, das mehr den Charakter einer Absichtserklärung hat.
Wolfgang Schroeder, Professor für Politik an der Universität Kassel, gestern gegenüber der Tagesschau zum Koalitionsvertrag.
Kommentar: Der Professor aus Kassel steht mit seiner Kritik nicht allein. Von der taz genannten "Tageszeitung" ("vage Absichtserklärungen") bis zu "Bild" ("vage formulierte Absichtserklärung") findet man diesen Vorwurf in den Reaktionen auf den Koalitionsvertrag.
Es stimmt, der Koalitionsvertrag enthält Absichtserklärungen. Oft sind sie allgemein gehalten; wenn man so will, sind sie vage. Auch das stimmt.
Zum Glück stimmt es. Denn das, was man so "Koalitionsvertrag" nennt, ist kein Vertrag. Wie sollte er es auch sein?
Das Grundgesetz kennt weder einen Koalitionsvertrag noch einen Koalitionsausschuß. Beides gab es auch in der Bundesrepublik zunächst nicht; bis zu den Wahlen zur Vierten Legislaturperiode 1961.
Damals hatte die FDP unter Erich Mende mit dem Versprechen Wahlkampf gemacht, sie wolle mit der Union koalieren, aber nicht unter Adenauer (der seit 1957 mit absoluter Mehrheit regiert hatte). Adenauers Verzicht auf das Kanzleramt konnte sie aber in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen; denn Adenauer brachte schlitzohrig die Möglichkeit ins Spiel, er könne ja auch mit der SPD koalieren.
Mende mußte den Kanzler Adenauer akzeptieren, wollte er überhaupt mitregieren. Um nach diesem "Umfallen", das der FDP bis heute anhängt, nicht vollends von Adenauer über den Tisch gezogen zu werden, beharrte Mende darauf, Adenauers Zusagen zur Politik der neuen Regierung schriftlich zu fixieren.
Wie chaotisch es dabei zuging - wie zum Beispiel Adenauer in einer Phase die Verbindlichkeit des Papiers schlicht in Abrede stellte ("Dat is ne FDP-Papier, ein schlechtes Papier") - , das kann man im "Spiegel" vom 1. 11. 1961 nachlesen. Sehr amüsant.
Der Koalitionsvertrag war damals als ein internes Papier gedacht; ein Ergebnisprotokoll der Verhandlungen. Angefertigt wurde es aufgrund von handschriftlichen Protokollnotizen und anderen Materialen vom damaligen Fraktionsanwalt der FDP, einem gewissen Hans-Dietrich Genscher; danach mehrfach überarbeitet, bis auch die Union es akzeptierte.
Daß dies der Keim zu den mehr als hundert Seiten umfassenden "Verträgen" sein würde, wie sie heute wochenlang ausgehandelt und anschließend triumphierend der Öffentlichkeit übergeben werden, das konnte sich damals vermutlich niemand vorstellen.
Am Charakter eines solchen Protokolls, das eben nur dieses ist und kein Vertrag, hat sich damit aber nichts geändert. Gesetze werden - man muß wohl daran erinnern, daß das Grundgesetz es so vorsieht - vom Bundestag beschlossen, unter Mitwirkung des Bundesrats.
Niemand kann die frei gewählten Abgeordneten verpflichten, gar vertraglich verpflichten, auch nur eines der in dem Koalitionsvertrag genannten Ziele in Gesetzesform zu gießen. Die Führungen der beteiligten Parteien haben in dem Protokoll festgehalten, was sie in den kommenden vier Jahren anstreben; sie haben Absichtserklärungen abgegeben. Mehr nicht.
Jetzt konstituiert sich erst einmal der Bundestag, und dann wählt er den Kanzler, der eine Kanzlerin sein wird. Die Kanzlerin wird dann eine Regierungserklärung abgeben. Diese legt fest, welche Ziele die Regierung unter der Richtlinienkompetenz dieser Kanzlerin in dieser Legislaturperiode verfolgen wird. Und nicht das Verhandlungsprotokoll, das den irreführenden Namen "Koalitionsvertrag" trägt.
Wolfgang Schroeder, Professor für Politik an der Universität Kassel, gestern gegenüber der Tagesschau zum Koalitionsvertrag.
Kommentar: Der Professor aus Kassel steht mit seiner Kritik nicht allein. Von der taz genannten "Tageszeitung" ("vage Absichtserklärungen") bis zu "Bild" ("vage formulierte Absichtserklärung") findet man diesen Vorwurf in den Reaktionen auf den Koalitionsvertrag.
Es stimmt, der Koalitionsvertrag enthält Absichtserklärungen. Oft sind sie allgemein gehalten; wenn man so will, sind sie vage. Auch das stimmt.
Zum Glück stimmt es. Denn das, was man so "Koalitionsvertrag" nennt, ist kein Vertrag. Wie sollte er es auch sein?
Das Grundgesetz kennt weder einen Koalitionsvertrag noch einen Koalitionsausschuß. Beides gab es auch in der Bundesrepublik zunächst nicht; bis zu den Wahlen zur Vierten Legislaturperiode 1961.
Damals hatte die FDP unter Erich Mende mit dem Versprechen Wahlkampf gemacht, sie wolle mit der Union koalieren, aber nicht unter Adenauer (der seit 1957 mit absoluter Mehrheit regiert hatte). Adenauers Verzicht auf das Kanzleramt konnte sie aber in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen; denn Adenauer brachte schlitzohrig die Möglichkeit ins Spiel, er könne ja auch mit der SPD koalieren.
Mende mußte den Kanzler Adenauer akzeptieren, wollte er überhaupt mitregieren. Um nach diesem "Umfallen", das der FDP bis heute anhängt, nicht vollends von Adenauer über den Tisch gezogen zu werden, beharrte Mende darauf, Adenauers Zusagen zur Politik der neuen Regierung schriftlich zu fixieren.
Wie chaotisch es dabei zuging - wie zum Beispiel Adenauer in einer Phase die Verbindlichkeit des Papiers schlicht in Abrede stellte ("Dat is ne FDP-Papier, ein schlechtes Papier") - , das kann man im "Spiegel" vom 1. 11. 1961 nachlesen. Sehr amüsant.
Der Koalitionsvertrag war damals als ein internes Papier gedacht; ein Ergebnisprotokoll der Verhandlungen. Angefertigt wurde es aufgrund von handschriftlichen Protokollnotizen und anderen Materialen vom damaligen Fraktionsanwalt der FDP, einem gewissen Hans-Dietrich Genscher; danach mehrfach überarbeitet, bis auch die Union es akzeptierte.
Daß dies der Keim zu den mehr als hundert Seiten umfassenden "Verträgen" sein würde, wie sie heute wochenlang ausgehandelt und anschließend triumphierend der Öffentlichkeit übergeben werden, das konnte sich damals vermutlich niemand vorstellen.
Am Charakter eines solchen Protokolls, das eben nur dieses ist und kein Vertrag, hat sich damit aber nichts geändert. Gesetze werden - man muß wohl daran erinnern, daß das Grundgesetz es so vorsieht - vom Bundestag beschlossen, unter Mitwirkung des Bundesrats.
Niemand kann die frei gewählten Abgeordneten verpflichten, gar vertraglich verpflichten, auch nur eines der in dem Koalitionsvertrag genannten Ziele in Gesetzesform zu gießen. Die Führungen der beteiligten Parteien haben in dem Protokoll festgehalten, was sie in den kommenden vier Jahren anstreben; sie haben Absichtserklärungen abgegeben. Mehr nicht.
Jetzt konstituiert sich erst einmal der Bundestag, und dann wählt er den Kanzler, der eine Kanzlerin sein wird. Die Kanzlerin wird dann eine Regierungserklärung abgeben. Diese legt fest, welche Ziele die Regierung unter der Richtlinienkompetenz dieser Kanzlerin in dieser Legislaturperiode verfolgen wird. Und nicht das Verhandlungsprotokoll, das den irreführenden Namen "Koalitionsvertrag" trägt.
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