Daß Phänomene, die zunächst ein fragwürdiges Dasein am Rande der Wissenschaft fristen, irgendwann in deren Fokus geraten und damit reputierlich werden, ist nichts Ungewöhnliches.
Die Chemie ging aus der Alchemie mit ihrem esoterischen Gehabe hervor. Viele physikalische Erscheinungen wurden, bevor sie wissenschaftlich untersucht wurden, als Wunderlichkeiten, ja als Jahrmarkts- Attraktionen vorgeführt.
Noch der große Georg Christian Lichtenberg (1742-1799), Professor für Physik in Göttingen, ergötzte sich und seine Hörer damit, es in seinen Vorlesungen kräftig knallen und die Funken sprühen zu lassen. Seine Demonstrationen mit der "Elektrisiermaschine" waren nicht unähnlich denen des Schaustellers Martin Berschitz, der damit zur selben Zeit das höfische Publikum in Erstaunen versetzte.
Damals, im 18. Jahrhundert, entwickelte sich aus derlei spektakulären Demonstrationen die wissenschaftliche Lehre von der Elektrizität. Wenn die Hypnose, wie im ersten Teil beschrieben, lange Zeit näher bei Alchemie und Bühnen- Gaukelei verortet war als in der wissenschaftlichen Forschung, dann muß das also nicht bedeuten, daß sie kein Phänomen wäre, das eine ernsthafte wissenschaftliche Befassung verdient.
Bis vor kurzem war diese wissenschaftliche Hypnose- Forschung allerdings auf die Beobachtung des Verhaltens der Versuchspersonen angewiesen. Schon der rigoros wissenschaftlich arbeitende Clark L. Hull, einer der großen Behavioristen, hatte sich 1933 an einer wissenschaftliche Analyse der Hypnose versucht. Seinen objektiven Ansatz haben andere fortgeführt, wie z.B. der kürzliche verstorbene Theodore X. Barber.
Sehr viel ist dabei aber nicht herausgekommen. Den Durchbruch brachten erst die methodischen Fortschritte der Hirnforschung in den vergangenen Jahrzehnten. Im Folgenden stütze ich mich hauptsächlich auf den schon im ersten Teil erwähnten Aufsatz von Susan Gaidos in Science News (Bd. 176, Nr.8, 10. Oktober 2009, S. 26).
In einer früheren Folge dieser Serie habe ich einen Überblick über die Methoden der modernen Hirnforschung gegeben. Von ihnen hat sich für die Hypnose- Forschung vor allem die Kernspin- Tomographie (fMRI) als wichtig erwiesen. Sie erlaubt es, zu messen und in Falschfarben- Bildern darzustellen, welche Regionen des Gehirns in einem gegebenen Zeitraum besonders aktiv sind.
Schauen Sie sich bitte einmal diese Abbbildung an (aus urheberrechtlichen Gründen kann ich sie leider nicht hier hineinkopieren). Sie sehen einen Blick von oben auf die Großhirnrinde; so dargestellt, daß der vordere Teil des Gehirns in der Abbildung unten ist.
Die farbigen Areale zeigen erhöhte Aktivität in einem Experiment, in dem die Versuchspersonen die einfache Aufgabe hatten, eine Taste mit entweder der linken oder der rechten Hand zu drücken, wenn ein Signal dies verlangte. Gemessen wurde die Hirnaktivität u.a. in der Zeit unmittelbar nach dem Signal, wenn die Versuchspersonen dabei waren, die verlangte Reaktion vorzubereiten; diese Daten zeigt die Abbildung.
Es gab drei Gruppen von Versuchspersonen (in den Klammern die Farbe, die für die Darstellung der jeweiligen Ergebnisse in der verlinkten Abbildung verwendet wurde): Hypnotisierte (gelb), nicht Hypnotisierte (rot) und Personen, die man instruiert hatte, zu simulieren, daß ihre Hand gelähmt sei (grün).
Alle drei Gruppen zeigen unmittelbar nach dem Signal, eine Taste zu drücken, Aktivität im motorischen Kortex (die Flecken rechts und links ungefähr in der Mitte). Aber nur bei den Hypnotisierten (die mit der "gelähmten" Hand nicht reagierten) fand sich zusätzlich eine erhöhte Aktivität im Bereich des Scheitel- und Frontalhirns; vor allem in einem bestimmten, tiefliegenden Areal des Scheitellappens, dem Präcuneus.
Dies sind Daten, die im Juni dieses Jahres von einem Team des Zentrums für Neurowissenschaften der Universität Genf publiziert wurden; eine detaillierte Zusammenfassung der im einzelnen komplexen Resultate findet man in Science Blogs.
Was haben diese Befunde zu bedeuten? Offenbar bereiten auf das Signal hin, die Taste zu drücken, auch die Hypnotisierten eine Reaktion vor. Aber sie führen sie mit der "gelähmten" Hand nicht aus. Wieso nicht, das läßt die Aktivität im Präcuneus vermuten: Dies ist ein Areal, in dem der eigene Körper repräsentiert ist und das dann aktiv wird, wenn man sich in Vorstellungen mit seinem Körper beschäftigt.
Die hypnotische Suggestion, der Arm sei gelähmt, scheint also diese interne Repräsentation des eigenen Körpers zu beeinflussen. Die Reaktion auf das Signal hin wird zwar vorbereitet; aber durch diese Aktivierung einer geänderten Repräsentation des eigenen Körpers gelangt sie nicht zur Ausführung. Es sieht so aus, als würde die motorische Steuerung durch die Hypnose neu konfiguriert, schreiben die Autoren.
Vorstellungen spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung unseres Verhaltens. Der Slalomfahrer geht "im Geist" die Strecke durch, bevor er startet. Der Turmspringer steht oben auf seinem Turm und stellt sich, bevor er zum Sprung ansetzt, dessen Ablauf noch einmal vor.
Diese natürliche Funktion, daß Vorstellungen unser Verhalten steuern, wird in der Hypnose, so scheint es, verstärkt. Vermutlich hängt das mit dem zusammen, was ich im ersten Teil geschildert habe: Dem Zustand extremer Konzentration, der "Trance", der beim Hypnotisierten erzeugt wird. Richtet sich seine Konzentration auf den Hypnotiseur ("Rapport" nannte man das früher), dann kann dieser durch sprachliche Anweisungen Vorstellungen erzeugen, die sich dann auf das Verhalten auswirken; etwa, indem sie die interne Repräsentation des eigenen Körpers verändern.
Nichts Geheimnisvolles also. Vieles ist noch ungeklärt - vor allem, auf welchem genauen Weg die Vorstellungen die Motorik beeinflussen -, aber die Erforschung hypnotischer Phänomene hat jetzt eine solide wissenschaftliche Grundlage.
Die Chemie ging aus der Alchemie mit ihrem esoterischen Gehabe hervor. Viele physikalische Erscheinungen wurden, bevor sie wissenschaftlich untersucht wurden, als Wunderlichkeiten, ja als Jahrmarkts- Attraktionen vorgeführt.
Noch der große Georg Christian Lichtenberg (1742-1799), Professor für Physik in Göttingen, ergötzte sich und seine Hörer damit, es in seinen Vorlesungen kräftig knallen und die Funken sprühen zu lassen. Seine Demonstrationen mit der "Elektrisiermaschine" waren nicht unähnlich denen des Schaustellers Martin Berschitz, der damit zur selben Zeit das höfische Publikum in Erstaunen versetzte.
Damals, im 18. Jahrhundert, entwickelte sich aus derlei spektakulären Demonstrationen die wissenschaftliche Lehre von der Elektrizität. Wenn die Hypnose, wie im ersten Teil beschrieben, lange Zeit näher bei Alchemie und Bühnen- Gaukelei verortet war als in der wissenschaftlichen Forschung, dann muß das also nicht bedeuten, daß sie kein Phänomen wäre, das eine ernsthafte wissenschaftliche Befassung verdient.
Bis vor kurzem war diese wissenschaftliche Hypnose- Forschung allerdings auf die Beobachtung des Verhaltens der Versuchspersonen angewiesen. Schon der rigoros wissenschaftlich arbeitende Clark L. Hull, einer der großen Behavioristen, hatte sich 1933 an einer wissenschaftliche Analyse der Hypnose versucht. Seinen objektiven Ansatz haben andere fortgeführt, wie z.B. der kürzliche verstorbene Theodore X. Barber.
Sehr viel ist dabei aber nicht herausgekommen. Den Durchbruch brachten erst die methodischen Fortschritte der Hirnforschung in den vergangenen Jahrzehnten. Im Folgenden stütze ich mich hauptsächlich auf den schon im ersten Teil erwähnten Aufsatz von Susan Gaidos in Science News (Bd. 176, Nr.8, 10. Oktober 2009, S. 26).
In einer früheren Folge dieser Serie habe ich einen Überblick über die Methoden der modernen Hirnforschung gegeben. Von ihnen hat sich für die Hypnose- Forschung vor allem die Kernspin- Tomographie (fMRI) als wichtig erwiesen. Sie erlaubt es, zu messen und in Falschfarben- Bildern darzustellen, welche Regionen des Gehirns in einem gegebenen Zeitraum besonders aktiv sind.
Schauen Sie sich bitte einmal diese Abbbildung an (aus urheberrechtlichen Gründen kann ich sie leider nicht hier hineinkopieren). Sie sehen einen Blick von oben auf die Großhirnrinde; so dargestellt, daß der vordere Teil des Gehirns in der Abbildung unten ist.
Die farbigen Areale zeigen erhöhte Aktivität in einem Experiment, in dem die Versuchspersonen die einfache Aufgabe hatten, eine Taste mit entweder der linken oder der rechten Hand zu drücken, wenn ein Signal dies verlangte. Gemessen wurde die Hirnaktivität u.a. in der Zeit unmittelbar nach dem Signal, wenn die Versuchspersonen dabei waren, die verlangte Reaktion vorzubereiten; diese Daten zeigt die Abbildung.
Es gab drei Gruppen von Versuchspersonen (in den Klammern die Farbe, die für die Darstellung der jeweiligen Ergebnisse in der verlinkten Abbildung verwendet wurde): Hypnotisierte (gelb), nicht Hypnotisierte (rot) und Personen, die man instruiert hatte, zu simulieren, daß ihre Hand gelähmt sei (grün).
Alle drei Gruppen zeigen unmittelbar nach dem Signal, eine Taste zu drücken, Aktivität im motorischen Kortex (die Flecken rechts und links ungefähr in der Mitte). Aber nur bei den Hypnotisierten (die mit der "gelähmten" Hand nicht reagierten) fand sich zusätzlich eine erhöhte Aktivität im Bereich des Scheitel- und Frontalhirns; vor allem in einem bestimmten, tiefliegenden Areal des Scheitellappens, dem Präcuneus.
Dies sind Daten, die im Juni dieses Jahres von einem Team des Zentrums für Neurowissenschaften der Universität Genf publiziert wurden; eine detaillierte Zusammenfassung der im einzelnen komplexen Resultate findet man in Science Blogs.
Was haben diese Befunde zu bedeuten? Offenbar bereiten auf das Signal hin, die Taste zu drücken, auch die Hypnotisierten eine Reaktion vor. Aber sie führen sie mit der "gelähmten" Hand nicht aus. Wieso nicht, das läßt die Aktivität im Präcuneus vermuten: Dies ist ein Areal, in dem der eigene Körper repräsentiert ist und das dann aktiv wird, wenn man sich in Vorstellungen mit seinem Körper beschäftigt.
Die hypnotische Suggestion, der Arm sei gelähmt, scheint also diese interne Repräsentation des eigenen Körpers zu beeinflussen. Die Reaktion auf das Signal hin wird zwar vorbereitet; aber durch diese Aktivierung einer geänderten Repräsentation des eigenen Körpers gelangt sie nicht zur Ausführung. Es sieht so aus, als würde die motorische Steuerung durch die Hypnose neu konfiguriert, schreiben die Autoren.
Vorstellungen spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung unseres Verhaltens. Der Slalomfahrer geht "im Geist" die Strecke durch, bevor er startet. Der Turmspringer steht oben auf seinem Turm und stellt sich, bevor er zum Sprung ansetzt, dessen Ablauf noch einmal vor.
Diese natürliche Funktion, daß Vorstellungen unser Verhalten steuern, wird in der Hypnose, so scheint es, verstärkt. Vermutlich hängt das mit dem zusammen, was ich im ersten Teil geschildert habe: Dem Zustand extremer Konzentration, der "Trance", der beim Hypnotisierten erzeugt wird. Richtet sich seine Konzentration auf den Hypnotiseur ("Rapport" nannte man das früher), dann kann dieser durch sprachliche Anweisungen Vorstellungen erzeugen, die sich dann auf das Verhalten auswirken; etwa, indem sie die interne Repräsentation des eigenen Körpers verändern.
Nichts Geheimnisvolles also. Vieles ist noch ungeklärt - vor allem, auf welchem genauen Weg die Vorstellungen die Motorik beeinflussen -, aber die Erforschung hypnotischer Phänomene hat jetzt eine solide wissenschaftliche Grundlage.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Galileo Galilei, gemalt im Jahr 1605 von Domenico Robusti. Ausschnitt.