29. Oktober 2009

Zettels Meckerecke: Weg mit der Quotitis! Nebst einem Lob für die Kanzlerin

In einem der Interviews, die Angela Merkel gestern gegeben hat, - in der Sendung "Was nun, Frau Merkel?" des ZDF - wurde ihr vorgehalten, daß in ihrem Kabinett außer ihr selbst keine Ostdeutschen vertreten seien. Sie versuchte zuerst auszuweichen, indem sie auf Thomas de Maizière hinwies; Angehöriger der sächsischen CDU und dort langjähriger Minister und zuletzt Spitzenkandidat, aber freilich nur ein Beutesachse westdeutscher Herkunft.

Als ihr das entgegengehalten wurde, sagte die Kanzlerin trotzig: "Wir haben nicht nur nach dem Regionalproporz geguckt".

Wie Recht sie hat, die Kanzlerin! Welch eine Unvernunft liegt darin, zu glauben, ein gutes Kabinett sei eines, in dem Männer und Frauen, Nord- und Süddeutsche, Ost- und Westdeutsche, vielleicht gar noch Junge und Alte in ausgewogenen Proportionen vertreten sind!

Aber es wird gefordert; und wenn derlei Forderungen nicht erfüllt werden, dann rächen sich die Übergangenen. So taten es offenbar - jedenfalls zitiert "Spiegel- Online" entsprechende Äußerungen - ostdeutsche Abgeordnete der CDU, die der Kanzlerin gestern ihre Stimme verweigerten, weil eben keiner der Ihren mit einem Ministeramt bedacht worden war.

Schön immerhin, daß nicht auch die Nichtakademiker der Kanzlerin ihre Stimmen verweigerten, weil sie im neuen Kabinett kraß unterrepräsentiert sind; siehe ein Kabinett der Doktoren, der Christen: ZR vom 28. 10. 2009. Grund dazu hätten sie haben können. Schließlich werden Quotierungen zugunsten von Frauen meist damit begründet, daß sie die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Das gilt auch für Nichtakademiker.



Unter Konrad Adenauer gab es keine Quoten. Sondern es gab den Proporz, und das war dasselbe.

Niemand dachte damals freilich an eine Frauenquote respektive einen Frauenproporz. Der wichtigste Proporz war der konfessionelle; ungefähr wie heute im Irak.

Da der Kanzler katholisch war, mußte der Bundespräsident evangelisch sein. Auch im Kabinett, auch bei der Besetzung anderer Ämter wurde auf den Proporz der Konfessionen geachtet. Von jedem Minister wußte man, ob er katholisch oder evangelisch war, auch wenn man sonst kaum etwas über ihn wußte.

Einen Proporz gab es in den fünfziger und den frühen sechziger Jahren auch in Österreich. Dort teilten sich die Roten und die Schwarzen friedlich die Macht; nachdem sie noch wenige Jahrzehnte zuvor gar nicht sehr friedlich miteinander umgegangen waren. Der Politologe Gerhard Lehmbruch nannte das 1967 die Proporz- Demokratie. Aber als er das schrieb, war es damit gerade vorbei. Ab 1966 regierte die ÖVP mit absoluter Mehrheit; später dann auch die SPÖ unter Bruno Kreisky.

Wenn zwei Parteien miteinander regieren, macht der Proporz zwischen ihnen noch einen gewissen Sinn; denn schließlich geht es dabei um politische Positionen, die entsprechend der Stärke der Partner zu besetzen sind. (Daß das, wie es die Fama behauptet, in Österreich gelegentlich bis zum Pförtner und zum Briefboten ging, mag stimmen oder auch nicht).

Aber für die Politik macht es keinen Unterschied, ob jemand männlich oder weiblich ist, ob er aus Schwaben oder aus Sachsen kommt. Sind in einem Koalitions- Kabinett die Ressorts nach einem parteipolitischen Schlüssel verteilt, dann sollte für das weitere Verfahren der Besetzung allein die Qualifikation bestimmend sein.

Indem sie Ostdeutsche schnöde nicht berücksichtigte, hat Angela Merkel so gehandelt und damit einen wichtigen und richtigen Schritt zur Bekämpfung der Quotitis getan. Glückwunsch, Kanzlerin!



Zu den dummen Vorwürfen, die seit Tagen auf diese noch gar nicht amtierende Regierung niederprasseln, gehört die Kritik, sie betreibe Klientelpolitik. So, als hätten die Sozialdemokraten, als sie an der Regierung waren, nicht mit den Gewerkschaften am selben Strang gezogen, und als hätten die Grünen nicht alles getan, damit es den Herstellern von Windrädern und von Sonnenkollektoren gut ging.

Jede Regierung hat das Gemeinwohl im Auge zu behalten; aber in diesem Rahmen wird sie immer auch diejenigen besonders berücksichtigen, denen sie die Regierungsmacht verdankt. Das ist legitim; und es ist so, seit in Athen und Rom die ersten Demokratien erprobt wurden.

Aber das bedeutet doch nicht, daß diese Wählergruppen sozusagen physisch mit am Kabinettstisch sitzen müssen. Wer sich um die Kranken kümmert, darf selbst durchaus gesund sein. Wer die Interessen der Alten vertritt, braucht kein Greis zu sein. Wer für die Raumfahrt zuständig ist, der muß nicht selbst im All gewesen sein. Und nicht nur Ostdeutsche sind in der Lage, eine vernünftige Politik zu machen, die hilft, in den Ländern, die einmal die DDR waren, die schlimmen Hinterlassenschaften des Kommunismus zu überwinden.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.