Dambisa Moyo ist eine bemerkenswerte Frau. Sie wurde in Sambia geboren und ist dort aufgewachsen. Studiert hat sie in Oxford und dort ihr Studium der Volkswirtschaft mit der Promotion abgeschlossen; in Harvard, wo sie einen Mastergrad erwarb; und in Washington, wo sie einen weiteren Master in Ökonomie machte, und noch dazu den Bachelor in Chemie.
So ausgebildet, arbeitete sie bei der Weltbank und sieben Jahre im Bankhaus Goldman Sachs. Das freilich hätte nicht dafür ausgereicht, daß sie vom Time Magazine in diesem Jahr unter die hundert einflußreichsten Menschen der Welt gewählt wurde.
Das verdankt sie einem Buch, das in diesem Frühjahr erschien und schnell zu einem Bestseller wurde: Dead Aid ("Tote Hilfe"; eine Übersetzung ins Deutsche ist bisher nicht erschienen). Darin vertritt Moyo eine ebenso simple wie provokative These: Entwicklungshilfe ist nicht nur nicht hilfreich, sondern sie ist schädlich.
Aufmerksam geworden bin ich auf Dambisa Moyo erst jetzt, und zwar durch ein Interview im aktuellen Nouvel Observateur (Nr. 2345 vom 15. Oktober 2009). Mir scheint, daß ihre Thesen es zumindest verdienen, ernst genommen und diskutiert zu werden.
Moyos Ausgangspunkt ist ein empirischer: Sie notiert nüchtern, daß es in Afrika in dem Maß bergab ging, in dem es mit Entwicklungshilfe überhäuft wurde:
Aber diese Kritik greift zu kurz. Moyo weist nicht nur auf den Sachverhalt hin, daß Jahrzehnte massiver Entwicklungshilfe Afrika keinen Schritt aus der Armut herausgebracht haben, sondern sie nennt auch plausible Gründe, warum das so ist:
Warum drängen die reichen Länder dennoch den Ländern Afrikas diese für sie nur schädliche Entwicklungshilfe auf? Moyo nennt zwei Gründe: Zum einen sei das für die reichen Länder günstiger, als ihre Märkte für afrikanische Agrarprodukte zu öffnen, was die Landwirtschaften der Reichen gefährden würde. Und zweitens sei die Entwicklungshilfe ein Anliegen wohlmeinender linker Wähler, dem die Regierungen nachgeben würden.
Was also tun? Moyo lehnt keineswegs Hilfen pauschal ab. Zum einen ist sie, was sich versteht, nicht gegen humanitäre Hilfe bei Katastrophen, Hungersnöten, bei der Bekämpfung von AIDS und dergleichen. Dies ist ja etwas anderes als Entwicklungshilfe.
Zweitens hält sie auch wirtschaftliche Hilfe für nicht grundsätzlich kontraproduktiv. Aber es müßten zeitlich begrenzte, zielgerichtete Hilfen sein, deren Funktion es ist, die Infrastruktur zu verbessern und die Wirtschaft in Gang zu bringen; in der Art des Marshallplans.
Eine einmalig gegebene Spritze also; nicht ein Tropf, an dem der Patient auf unbestimmte Zeit hängt. Entscheidend ist, meint Moyo, daß der Empfänger weiß, wann es mit der Hilfe vorbei sein wird. Entweder er hat sie dann genutzt, um sich selbst zu helfen, oder er muß die Folgen seiner Untätigkeit tragen.
Solche punktuellen Hilfen können nützlich sein. Als entscheidend aber sieht Dambisa Moyo es an, daß die Bedingungen für Investitionen und für den Handel in Afrika verbessert werden. Es fehlen mit wenigen Ausnahmen (Südafrika zum Beispiel) große Wirtschaftsräume. Viele Kleinstaaten (ihr eigenes Land Sambia hat zehn Millionen Einwohner) existieren abgeschottet nebeneinander, mit jeweils eigenen Währungen und hohen Zollschranken; mit Visapflicht, wenn man von einem Land ins andere reisen will.
Am ehesten seien die Chinesen bereit, trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen in Afrika zu investieren. Und umgekehrt sei China für Afrikas Exporte interessant, weil es - anders als die USA und Europa - keine Landwirtschaft hat, die eine Selbstversorgung ermöglicht und die ein Interesse daran hat, sich der afrikanischen Konkurrenz zu entziehen.
Mir leuchten Moyos Thesen ein, weil sie am Beispiel der Entwicklungshilfe für Afrika etwas benennen, was ja ein allgemeines, übergreifendes Phänomen ist: Wenn man jederzeit auf Hilfe rechnen kann, statt sich selbst anzustrengen, dann fehlt der Anreiz zur Anstrengung.
Das ist beim einzelnen Bürger, der in der sozialen Hängematte ruht, nicht anders als bei ganzen Staaten und Gesellschaften. Die Geschicklichkeit wird dann daran gewendet, die Hilfe weiter fließen zu lassen und möglichst viel davon zu ergattern; nicht darauf, sich auf eigene Beine zu stellen und damit die Hilfe überflüssig zu machen.
Ein instruktives Beispiel hat Thilo Sarrazin gegeben; siehe Der "Fall" Thilo Sarrazin: Einige Fakten und Materialien; ZR vom 6. 10. 2009:
In meiner am Wahlsonntag skizzierten schwarzgelben Kabinettsliste (ZR vom 27. 9. 2009) gibt es kein Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe; dessen Aufgaben können gut zwischen dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium aufgeteilt werden. Im Außenministerium hätte man zu prüfen, die Förderung welcher Länder im deutschen außenpolitischen Interesse liegt. Die Fachleute des Wirtschaftsministeriums hätten zu befinden, mit welchen gezielten und zeitlich begrenzten Maßnahmen die Wirtschaft dieser Länder am besten vorangebracht werden kann.
So ausgebildet, arbeitete sie bei der Weltbank und sieben Jahre im Bankhaus Goldman Sachs. Das freilich hätte nicht dafür ausgereicht, daß sie vom Time Magazine in diesem Jahr unter die hundert einflußreichsten Menschen der Welt gewählt wurde.
Das verdankt sie einem Buch, das in diesem Frühjahr erschien und schnell zu einem Bestseller wurde: Dead Aid ("Tote Hilfe"; eine Übersetzung ins Deutsche ist bisher nicht erschienen). Darin vertritt Moyo eine ebenso simple wie provokative These: Entwicklungshilfe ist nicht nur nicht hilfreich, sondern sie ist schädlich.
Aufmerksam geworden bin ich auf Dambisa Moyo erst jetzt, und zwar durch ein Interview im aktuellen Nouvel Observateur (Nr. 2345 vom 15. Oktober 2009). Mir scheint, daß ihre Thesen es zumindest verdienen, ernst genommen und diskutiert zu werden.
Moyos Ausgangspunkt ist ein empirischer: Sie notiert nüchtern, daß es in Afrika in dem Maß bergab ging, in dem es mit Entwicklungshilfe überhäuft wurde:
... l'octroi à l'Afrique de milliards de dollars chaque année aggrave la pauvreté - entre 1970 et 1998, quand le flux de l'aide était à son maximum, le taux de pauvreté sur le continent africain est passé de 10 à 66% - et favorise le sous- développement par bien des aspects.Nun besagt eine Korrelation für sich genommen noch nichts über die Richtung der Kausalität. Wenn Entwicklungshilfe mit wachsender Armut einhergeht, dann könnte es ja auch so sein, daß mehr Armut mehr Entwicklungshilfe verlangte; diese aber nicht ausreichend war. Kevin Watkins von der UNO meinte, Moyos Argumentation sei so, als würde man den Löschzug für das Feuer verantwortlich machen, weil er sich nah bei diesem aufhält.
... das Aufdrängen von Milliarden von Dollar jedes Jahr verschlimmert die Armut - zwischen 1970 und 1998, als der Fluß der Hilfe sein Maximum erreichte, ist die Armutsrate auf dem afrikanischen Kontinent von 10 auf 66 Prozent gestiegen - und begünstigt die Unterentwicklung in einer Reihe von Hinsichten
Aber diese Kritik greift zu kurz. Moyo weist nicht nur auf den Sachverhalt hin, daß Jahrzehnte massiver Entwicklungshilfe Afrika keinen Schritt aus der Armut herausgebracht haben, sondern sie nennt auch plausible Gründe, warum das so ist:
L'aide encourage la corruption, génère de l'inflation, crée une dette massive et retarde la croissance. Elle accroît l'instabilité politique dans des pays où des factions rivales se battent pour prendre le pouvoir et ainsi accéder à cette manne financière.Das sei, sagt Moyo, den Fachleuten bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfond und in den internationalen Organisationen wohlbekannt. Aber niemand traue sich, es auszusprechen.
Die Hilfe lädt zur Korruption ein, erzeugt Inflation, schafft massive Schulden und verlangsamt das Wachstum. Sie verstärkt die politische Instabilität in Ländern, in denen rivalisierende Fraktionen einander bekämpfen, um an die Macht zu gelangen und damit Zugang zu diesem finanziellen Manna zu erlangen.
Warum drängen die reichen Länder dennoch den Ländern Afrikas diese für sie nur schädliche Entwicklungshilfe auf? Moyo nennt zwei Gründe: Zum einen sei das für die reichen Länder günstiger, als ihre Märkte für afrikanische Agrarprodukte zu öffnen, was die Landwirtschaften der Reichen gefährden würde. Und zweitens sei die Entwicklungshilfe ein Anliegen wohlmeinender linker Wähler, dem die Regierungen nachgeben würden.
Was also tun? Moyo lehnt keineswegs Hilfen pauschal ab. Zum einen ist sie, was sich versteht, nicht gegen humanitäre Hilfe bei Katastrophen, Hungersnöten, bei der Bekämpfung von AIDS und dergleichen. Dies ist ja etwas anderes als Entwicklungshilfe.
Zweitens hält sie auch wirtschaftliche Hilfe für nicht grundsätzlich kontraproduktiv. Aber es müßten zeitlich begrenzte, zielgerichtete Hilfen sein, deren Funktion es ist, die Infrastruktur zu verbessern und die Wirtschaft in Gang zu bringen; in der Art des Marshallplans.
Eine einmalig gegebene Spritze also; nicht ein Tropf, an dem der Patient auf unbestimmte Zeit hängt. Entscheidend ist, meint Moyo, daß der Empfänger weiß, wann es mit der Hilfe vorbei sein wird. Entweder er hat sie dann genutzt, um sich selbst zu helfen, oder er muß die Folgen seiner Untätigkeit tragen.
Solche punktuellen Hilfen können nützlich sein. Als entscheidend aber sieht Dambisa Moyo es an, daß die Bedingungen für Investitionen und für den Handel in Afrika verbessert werden. Es fehlen mit wenigen Ausnahmen (Südafrika zum Beispiel) große Wirtschaftsräume. Viele Kleinstaaten (ihr eigenes Land Sambia hat zehn Millionen Einwohner) existieren abgeschottet nebeneinander, mit jeweils eigenen Währungen und hohen Zollschranken; mit Visapflicht, wenn man von einem Land ins andere reisen will.
Am ehesten seien die Chinesen bereit, trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen in Afrika zu investieren. Und umgekehrt sei China für Afrikas Exporte interessant, weil es - anders als die USA und Europa - keine Landwirtschaft hat, die eine Selbstversorgung ermöglicht und die ein Interesse daran hat, sich der afrikanischen Konkurrenz zu entziehen.
Mir leuchten Moyos Thesen ein, weil sie am Beispiel der Entwicklungshilfe für Afrika etwas benennen, was ja ein allgemeines, übergreifendes Phänomen ist: Wenn man jederzeit auf Hilfe rechnen kann, statt sich selbst anzustrengen, dann fehlt der Anreiz zur Anstrengung.
Das ist beim einzelnen Bürger, der in der sozialen Hängematte ruht, nicht anders als bei ganzen Staaten und Gesellschaften. Die Geschicklichkeit wird dann daran gewendet, die Hilfe weiter fließen zu lassen und möglichst viel davon zu ergattern; nicht darauf, sich auf eigene Beine zu stellen und damit die Hilfe überflüssig zu machen.
Ein instruktives Beispiel hat Thilo Sarrazin gegeben; siehe Der "Fall" Thilo Sarrazin: Einige Fakten und Materialien; ZR vom 6. 10. 2009:
In den USA müssen Einwanderer arbeiten, weil sie kein Geld bekommen, und werden deshalb viel besser integriert. Man hat Studien zu arabischen Ausländergruppen aus demselben Clan gemacht; ein Teil geht nach Schweden mit unserem Sozialsystem, ein anderer Teil geht nach Chicago. Dieselbe Sippe ist nach zwanzig Jahren in Schweden immer noch frustriert und arbeitslos, in Chicago hingegen integriert. Der Druck des Arbeitsmarktes, der Zwang des Broterwerbs sorgen dafür.So ist es bei Individuen; so ist es bei Staaten. Die wohlmeinenden Helfer erreichen als einzig Positives, daß sie selbst sich gut und selbstlos fühlen dürfen. Den Empfängern ihrer Wohltaten schaden sie.
In meiner am Wahlsonntag skizzierten schwarzgelben Kabinettsliste (ZR vom 27. 9. 2009) gibt es kein Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe; dessen Aufgaben können gut zwischen dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium aufgeteilt werden. Im Außenministerium hätte man zu prüfen, die Förderung welcher Länder im deutschen außenpolitischen Interesse liegt. Die Fachleute des Wirtschaftsministeriums hätten zu befinden, mit welchen gezielten und zeitlich begrenzten Maßnahmen die Wirtschaft dieser Länder am besten vorangebracht werden kann.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Public Domain, durch Wikimedia OTRS bestätigt.