Selten ist ein deutscher Politiker derart abgestürzt wie heute Norbert Röttgen. Er wollte auf zwei Hochzeiten tanzen, und nun ist er auf der einen auf die Nase gefallen und auf der anderen mit einem Knall vor die Tür gesetzt worden.
Ich gestehe ein, daß mich diese Wendung der Dinge völlig überrascht hat. Ich war und bin der Meinung, daß weder die Befähigung Röttgens zur Leitung des Umweltministeriums noch seine Fähigkeit, Entscheidungen durchzusetzen, durch seine Niederlage in NRW auf Dauer gelitten hätte (Norbert Röttgen, Hannelore Kraft. Wundersame, nein wunderlich absurde Folgen von Sieg und Niederlage; ZR vom 14. 5. 2012).
Fast jeder Politiker erfährt einmal einen solchen Rückschlag. Zumal einen so smarten, einen so machtbewußten Mann wie Röttgen hätte das, was am Sonntag in NRW passierte, nicht daran gehindert, weiter so zu arbeiten wie bisher; wenngleich vielleicht nach einer kleinen Phase der Regeneration.
Was also ist passiert? Die Spekulationen haben zu blühen begonnen. Vielleicht wird man die Hintergründe in den kommenden Tagen und Wochen erfahren. Hier, nur als kleine Übung zur Lockerung der Assoziationen, drei Möglichkeiten:
Die Kanzlerin ist dafür bekannt, daß sie Entscheidungen reifen läßt. Heute hat sie sich so benommen, wie man es von ihrem Amtsvorgänger kannte: Nachgerade brutal entscheidungsfreudig. "Basta!" ist dafür ein zu schwaches Wort; so etwas wie "Rrrraus!" mag es eher treffen.
Das Bemerkenswerte an der Erklärung Merkels war, daß sie nichts erklärte. Kein Wort über das Motiv für die Entlassung; noch nicht einmal eine Andeutung. Sie hätte Röttgen, wenn sie ihn schon nicht mehr im Amt des Umweltministers haben wollte, mit einer anderen Aufgabe betrauen können. Nichts. Ich kann mich an keinen Fall in der Geschichte der Bundesrepublik erinnern, in dem ein Minister in dieser Weise abserviert wurde.
Sein Nachfolger Peter Altmaier hat Röttgen, im Stil eines Arbeitgebers, Erfolg für seine Zukunft gewünscht - beruflich und politisch. In dieser Reihenfolge.
Ich gestehe ein, daß mich diese Wendung der Dinge völlig überrascht hat. Ich war und bin der Meinung, daß weder die Befähigung Röttgens zur Leitung des Umweltministeriums noch seine Fähigkeit, Entscheidungen durchzusetzen, durch seine Niederlage in NRW auf Dauer gelitten hätte (Norbert Röttgen, Hannelore Kraft. Wundersame, nein wunderlich absurde Folgen von Sieg und Niederlage; ZR vom 14. 5. 2012).
Fast jeder Politiker erfährt einmal einen solchen Rückschlag. Zumal einen so smarten, einen so machtbewußten Mann wie Röttgen hätte das, was am Sonntag in NRW passierte, nicht daran gehindert, weiter so zu arbeiten wie bisher; wenngleich vielleicht nach einer kleinen Phase der Regeneration.
Was also ist passiert? Die Spekulationen haben zu blühen begonnen. Vielleicht wird man die Hintergründe in den kommenden Tagen und Wochen erfahren. Hier, nur als kleine Übung zur Lockerung der Assoziationen, drei Möglichkeiten:
Mehr als Szenarien sind das nicht. Jedes kann falsch sein, alle können falsch sein; sind es wahrscheinlich. Gedankenspiele.Szenario 1 (nennen wir es das Lukrezia-Borgia-Szenario): Die Kanzlerin hat wieder einmal einen Konkurrenten aus dem Weg geräumt, so wie man das im Rom der Borgias zu tun pflegte. Irgendwie schafft sie das immer - Merz, Guttenberg, Wulff, jetzt also Röttgen. Politische Leichen pflastern ihren Weg.
Ich halte das für, gelinde gesagt, abwegig. Denn nach seinem Desaster in NRW war ja Röttgen eben kein potentieller Konkurrent mehr. Für das Amt des Umweltministers disqualifizierte ihn sein Versagen in einem so wichtigen Wahlkampf nicht; wohl aber für das Amt eines CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlers.
Gerade nach seiner Niederlage wäre Röttgen für die Kanzlerin ein pflegeleichter Minister gewesen. Einen besseren hätte sie sich kaum wünschen können.Szenario 2 (das Psycho-Szenario): Möglicherweise hat es zwischen Kanzlerin und Minister ein tiefgreifendes Zerwürfnis gegeben. Vielleicht etwas, das schon lange schwelte. Vielleicht eine Auseinandersetzung, in der sich Röttgen unverschämt oder sonst unmöglich benahm. So etwas kommt vor; den Hamburger Senator Ronald Schill hat es 2003 sein Amt gekostet.
Röttgen hat sich am Wahlabend eigenartig verhalten; nicht nur, indem er der "Elefantenrunde" des WDR fernblieb. Ich habe selten nach einer verlorenen Wahl einen Politiker derart konsterniert gesehen; er war kaum zu kohärenten Sätzen fähig. Extrem karriereorientierte Menschen reagieren oft so, wenn an die Stelle des Erfolgs, den sie gewohnt sind, unerwartet ein massiver Rückschlag tritt. Jürgen Möllemann war ein extremes Beispiel, mit einer extremen Reaktion auf eine solche Situation.
Es ist denkbar, daß Röttgen dadurch gegenüber der Kanzlerin ein Verhalten gezeigt hat, das zu seinem Rausschmiß führte; denkbar - aber durch nichts an Fakten gestützt, jedenfalls, soweit sie bisher bekannt sind.Szenario 3 (das Agenda-2010-Szenario): Des Kanzlers Schröder Agenda 2010 war die Reaktion darauf, daß gut vier Jahre nach seinem Beginn das "rotgrüne Projekt" gescheitert war. Ähnlich wie François Mitterand, dessen Projekt des programme commun von Sozialisten und Kommunisten zwanzig Jahre zuvor zu ähnlich katastrophalen Folgen geführt hatte, blieb ihm nur die Wahl, entweder das Ruder herumzureißen oder zu scheitern. Er riß das Ruder herum, scheiterte dann allerdings doch. Aber nur knapp; die Volte hätte auch gelingen können.
Die Energiepolitik, die von der Kanzlerin Merkel vor einem Jahr eingeleitet wurde, ist zwar noch nicht gescheitert; aber es türmen sich die Hindernisse (siehe zum Beispiel Alarmstufe "gelb". Die "Energiewende" bringt das Stromnetz an den Rand des Zusammenbrechens; ZR vom 3. 4. 2012). Möglicherweise wird bald ein radikales Umsteuern erforderlich sein. Mit Norbert Röttgen, der wie kein anderer mit seiner Person für diese Energiewende stand, wäre das nicht möglich gewesen.
Die Kanzlerin ist dafür bekannt, daß sie Entscheidungen reifen läßt. Heute hat sie sich so benommen, wie man es von ihrem Amtsvorgänger kannte: Nachgerade brutal entscheidungsfreudig. "Basta!" ist dafür ein zu schwaches Wort; so etwas wie "Rrrraus!" mag es eher treffen.
Das Bemerkenswerte an der Erklärung Merkels war, daß sie nichts erklärte. Kein Wort über das Motiv für die Entlassung; noch nicht einmal eine Andeutung. Sie hätte Röttgen, wenn sie ihn schon nicht mehr im Amt des Umweltministers haben wollte, mit einer anderen Aufgabe betrauen können. Nichts. Ich kann mich an keinen Fall in der Geschichte der Bundesrepublik erinnern, in dem ein Minister in dieser Weise abserviert wurde.
Sein Nachfolger Peter Altmaier hat Röttgen, im Stil eines Arbeitgebers, Erfolg für seine Zukunft gewünscht - beruflich und politisch. In dieser Reihenfolge.
Zettel
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