ZEIT: Alec Guinness hat einmal gesagt, er sei sich immer wie ein Hochstapler vorgekommen, er war ein Leben lang ein Kind, das einen Erwachsenen gespielt hat, und er war überzeugt davon, dass seine Umgebung ihm draufkommt und ihn im nächsten Moment auffliegen lässt. Ist von diesem Lebensgefühl etwas in Ihnen?
Handke: Ja ..., das geht mir sehr nahe.
Bondy: Mir auch. (...)
Handke: So ein Hochstapeln, wie es Guinness beschreibt, ist nicht nur erlaubt, sondern nötig.
Bondy: Es gibt einem die Chance zum Spiel.
Kommentar: "Hochstapeln" - das ist natürlich eine Zuspitzung. Worum es geht, das ist das Durchhalten von Rollen. Sobald man in einer sozialen Situation ist, wird gewissermaßen ein Modus des Funktionierens eingeschaltet.
Es ist nicht so, daß man bewußt schauspielert; wenn auch die Theaterleute Guinness (der Schauspieler), Handke (der Theaterautor) und Bondy (der Regisseur) das so wahrnehmen mögen.
Man verstellt sich keineswegs. Der Polizist, der im Dienst seine Emotionen im Zaum halten muß, spielt nicht den Polizisten, sondern er ist es. Der Hochschullehrer, der mit einem Studenten spricht, spielt nicht den Professor, sondern er ist es. Aber er benimmt sich anders, als wenn er mit demselben jungen Mann inkognito im Zug oder an der Hotelbar ins Gespräch kommen würde.
Auch dann würde er freilich einer Rollenerwartung folgen. Das Kindliche, das von sozialen Rollen Befreite mag vielleicht dann zum Vorschein kommen, wenn man die Dienste der Hotelbar gebührend in Anspruch genommen hat.
Menschen unterscheiden sich sehr darin, welchen Raum sie diesem Kindlichen in sich geben. Künstler tun das; sie müssen es vermutlich, um produktiv zu sein."Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt". Es mag auch Menschen geben, die in der Hochstapelei des Erwachsenseins ganz aufgehen; von denen nichts bliebe ohne ihre sozialen Rollen.
Dies - das Kindliche, das Spielen, auch Witz und Humor - ist eines der Hauptthemen dieses Gesprächs. Aber unter welcher Überschrift druckt es die "Zeit"? - "Grass-Debatte - Handke: Darf man das nicht sagen? Bondy: Nein!".
Um ehrlich zu sein - auch mich hat diese Überschrift veranlaßt, das Gespräch zu lesen. Grass, das zieht eben; es zieht unseren Blick auf sich, nach der Debatte vor einigen Wochen.
Dabei haben die beiden zu diesem Thema wenig zu sagen; außer daß Bondy sich schärfer zu Grass' Gedicht äußert, und Handke milder. Aber eine Beobachtung von Handke verdient doch zitiert zu werden. Er erinnert sich an die legendäre Tagung der "Gruppe 47" 1966 in Princeton, auf der Grass und er ihren Auftritt hatten:
Handke: Ja ..., das geht mir sehr nahe.
Bondy: Mir auch. (...)
Handke: So ein Hochstapeln, wie es Guinness beschreibt, ist nicht nur erlaubt, sondern nötig.
Bondy: Es gibt einem die Chance zum Spiel.
Aus einem Gespräch, das in der aktuellen "Zeit" abgedruckt ist. Der Interviewer ist der Theaterkritiker Peter Kümmel.
Kommentar: "Hochstapeln" - das ist natürlich eine Zuspitzung. Worum es geht, das ist das Durchhalten von Rollen. Sobald man in einer sozialen Situation ist, wird gewissermaßen ein Modus des Funktionierens eingeschaltet.
Es ist nicht so, daß man bewußt schauspielert; wenn auch die Theaterleute Guinness (der Schauspieler), Handke (der Theaterautor) und Bondy (der Regisseur) das so wahrnehmen mögen.
Man verstellt sich keineswegs. Der Polizist, der im Dienst seine Emotionen im Zaum halten muß, spielt nicht den Polizisten, sondern er ist es. Der Hochschullehrer, der mit einem Studenten spricht, spielt nicht den Professor, sondern er ist es. Aber er benimmt sich anders, als wenn er mit demselben jungen Mann inkognito im Zug oder an der Hotelbar ins Gespräch kommen würde.
Auch dann würde er freilich einer Rollenerwartung folgen. Das Kindliche, das von sozialen Rollen Befreite mag vielleicht dann zum Vorschein kommen, wenn man die Dienste der Hotelbar gebührend in Anspruch genommen hat.
Menschen unterscheiden sich sehr darin, welchen Raum sie diesem Kindlichen in sich geben. Künstler tun das; sie müssen es vermutlich, um produktiv zu sein."Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt". Es mag auch Menschen geben, die in der Hochstapelei des Erwachsenseins ganz aufgehen; von denen nichts bliebe ohne ihre sozialen Rollen.
Dies - das Kindliche, das Spielen, auch Witz und Humor - ist eines der Hauptthemen dieses Gesprächs. Aber unter welcher Überschrift druckt es die "Zeit"? - "Grass-Debatte - Handke: Darf man das nicht sagen? Bondy: Nein!".
Um ehrlich zu sein - auch mich hat diese Überschrift veranlaßt, das Gespräch zu lesen. Grass, das zieht eben; es zieht unseren Blick auf sich, nach der Debatte vor einigen Wochen.
Dabei haben die beiden zu diesem Thema wenig zu sagen; außer daß Bondy sich schärfer zu Grass' Gedicht äußert, und Handke milder. Aber eine Beobachtung von Handke verdient doch zitiert zu werden. Er erinnert sich an die legendäre Tagung der "Gruppe 47" 1966 in Princeton, auf der Grass und er ihren Auftritt hatten:
Das war im April, und es war zu Zeiten, als Grass noch ein starker Körper war. Vom Geist her war bei ihm ja nie viel los, aber auch Körper kann Geist sein. Entschuldigung. (Er lacht)Das ist die treffendste Kennzeichnung von Grass, die ich je gelesen habe.
Zettel
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