18. Mai 2012

Marginalie: Heute beginnt in Berlin der Weltkongreß der Skeptiker. Unter anderem mit dem Thema "Islam und Evolution"

Es ist schon eigenartig: Da findet in Deutschland ein Weltkongreß statt - und die deutschen Medien nehmen ihn so gut wie nicht zur Kenntnis. Die "Zeit" dieser Woche hat ein Interview; ansonsten habe ich kaum etwas gefunden. Es geht um den Weltkongreß der Skeptiker.

Der Kongreß wird getragen von den großen Skeptikerorganisationen: dem amerikanischen Committee for Skeptical Inquiry (CSI), dem europäischen European Council of Skeptial Organizations (ECSO) und der deutschen Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Der etwas unhandliche Name der GWPU ist dem Vorbild aller derartiger Organisationen nachgebildet, dem Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal (CSICOP), das sich 2006 den etwas einprägsameren Namen CSI gab.

Es handelt sich bei diesen Skeptikern um Leute, die (oft unermüdlich und manchmal mit einem gewissen missionarischen Eifer) Behauptungen des Übersinnlichen oder des sonstwie wissenschaftlich nicht Erklärbaren nachgehen - Spuk und angeblichen Erfolgen von Wünschenrutengängern zum Beispiel, Besuchen durch Aliens und gar Entführungen durch diese, der Existenz von Fabelwesen wie dem Bigfoot in den USA; dergleichen.

Zu den Mitgliedern dieser Organisationen gehören oft Zauberkünstler wie der berühmte James Randi und der Deutsche Wolfgang Hund. Kein Wunder - denn niemand weiß besser, wie leicht man das scheinbar Unerklärliche auf sehr natürlichem Weg hervorbringen kann. Und andererseits sind Zauberkünstler zu Recht verärgert, wenn andere dieselben Tricks wie sie verwenden; sie aber ungleich erfolgreicher sind und mehr Geld verdienen, weil sie behaupten, übersinnliche Kräfte zu besitzen.

Das bekannteste Beispiel für diese Art von Scharlatanen ist Uri Geller, dessen Tricks sich leicht durchschauen lassen, wenn man über ein wenig Kenntnis der Bühnenmagie verfügt. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, zwei davon vom TV zu fotografieren und in ZR zu erläutern, wie er es macht (Wie hat Uri Geller es denn gemacht?; ZR vom 31. 5. 2007).

Wolfgang Hund hat auch ein wenig im Vorprogramm der Konferenz gezaubert. Seit heute aber wird ernsthaft verhandelt; wie auf jeder Konferenz mit Referaten und Diskussion.

Hier geht es zur Homepage der Konferenz. Wie bei internationalen Kongressen üblich, ist die Konferenzsprache Englisch. Das Programm umfaßt das Vorprogramm seit Mittwoch und die eigentliche Konferenz, die heute Vormittag eröffnet wurde.

In den Referaten geht es beispielsweise um Themen wie Alternativmedizin und die Fehlwahrnehmung von Risiken. Zu Letzterem spricht der deutsche Statistiker Walter Krämer, der in seiner Zusammenfassung bissig bemerkt: "Scaremongering is big business all over the world (with top grades probably going to Germany)" - Panikmache sei weltweit ein großes Geschäft, und an der Spitze dürfte vermutlich Deutschland liegen.

Wie wahr. Zwischen realen Risiken und gefühltem Risiko bestehe so gut wie kein Zusammenhang, meint Krämer - wenn, dann eher noch ein umgekehrter. Die Aussteigernation liefert dafür ein gigantisches Beispiel.

Ein Schwerpunktthema ist diesmal Kreationismus und Evolution; wobei besonders die Haltung in islamischen Ländern in den Blick genommen wird. Dittmar Graf fand beispielsweise in einer empirischen Untersuchung von Lehramtsstudenten in Deutschland und der Türkei eine erschreckende Unkenntnis der Evolution. In der Türkei besonders; aber leider auch in Deutschland.

Wäre ich in Berlin, dann würde ich mir den letzten Vortrag nicht entgehen lassen. Ihn hält Rebecca Watson, und das Thema lautet: "How girls evolved to shop, and other ways to insult women with 'science'" - "Wie die Mädchen durch die Evolution kauflustig geworden sind, und andere Arte, Frauen mit 'Wissenschaft' zu beleidigen". Das klingt interessant und geheimnisvoll; leider verrät die Zusammenfassung wenig:
As skeptics, we often turn to scientific research to inform our worldview. Unfortunately, a lot of research hits the mainstream media regardless of whether or not the science is accurate.

Als Skeptiker wenden wir uns oft der wissen­schaft­lichen Forschung zu, um Kenntnisse für unsere Weltsicht zu erhalten. Leider kommt viel Forschung unabhängig davon in die Leitmedien, ob die Wissenschaft akkurat ist.
Was ja nicht nur für die evolutionäre Psychologie gilt.­
Zettel



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